Luzerner Kantonsgericht weist Beschwerde ab

«Grand Hotel Europe» unterliegt im Streit um Tourismuszone

Das Grand Hotel Europe an der Haldenstrasse unterliegt im Streit um die Tourismuszone.

(Bild: jal)

Die Stadt Luzern will ihre altehrwürdigen Hotels bewahren und hat dafür die umstrittene Tourismuszone geschaffen. Sehr zum Ärger von mehreren Betroffenen. Nach dem Hotel Schweizerhof verliert jetzt auch das Grand Hotel Europe das juristische Seilziehen. Doch das letzte Wort ist noch nicht gesprochen.

Mit dem «nostalgischen Charme der Belle Époque» wirbt das «Grand Hotel Europe» in Luzern auf seiner Website. Doch genau diese historische Noblesse spielt nun gegen die Interessen der Betreiber: Das Kantonsgericht hat entschieden, dass die Zuweisung des Gebäudes in die Hotel- und Tourismuszone rechtens ist.

Die Stadt will mit der Sonderzone ihre prominenten Hotels vor Spekulanten schützen und eine Umnutzung zu Geschäftshäusern und Luxuswohnungen verhindern. In dieser Zone, die elf Betriebe umfasst, gelten spezielle Auflagen. Höchstens 20 Prozent der Fläche dürfen für Wohn- und Arbeitszwecke umgenutzt werden, der Rest muss touristisch ausgerichtet sein. Zudem muss das Erdgeschoss auch Gästen offenstehen, die nicht im Hotel übernachten. Das könnte zum Beispiel mit einem öffentlichen Restaurant oder einer Bar ermöglicht werden.

Doch mehrere Hoteliers wehrten sich gegen diese Einschränkungen (siehe Box). Vor einem Jahr hatte das «Grand Hotel Europe» vor Bundesgericht einen Etappensieg erzielt. Das höchste Gericht hiess damals seine Beschwerde gut und rügte das Kantonsgericht als Vorinstanz: Dieses habe sich mit wesentlichen Punkten nicht auseinandergesetzt. Das Kantonsgericht musste deshalb nochmals über die Bücher.

Keine Anhaltspunkte für Überlebensgefahr

Es bleibt beim ursprünglichen Entscheid und weist die Beschwerde des Betriebs gemäss Urteil vom 22. März 2019 ab. Dass das «Europe» überhaupt vor Gericht zog, obwohl zuvor bereits das Hotel Schweizerhof eine Niederlage einstecken musste, hat seinen Grund. Es befindet sich laut den Verantwortlichen in einer anderen Situation als der «Schweizerhof». Genau auf diese zuvor vernachlässigten Aspekte ist nun das Kantonsgericht eingegangen.

Die Hotelverantwortlichen erachteten die Einteilung in die Tourismuszone als unverhältnismässig und als Beschränkung der Wirtschaftsfreiheit. Dabei verweis es auf die angeblich weitreichenden Folgen des Entscheids. Denn würde das «Europe» zur Tourismuszone gehören, müsste es laut Auflagen im Erdgeschoss eine «publikumsorientierte Nutzung» wie zum Beispiel ein öffentliches Gastrolokal einrichten.

«Die Hotels Beau Séjour und Europe sind nicht miteinander zu vergleichen.»

Aus dem Urteil des Kantonsgerichts

Doch gerade das würde laut «Europe» das Betriebskonzept in Frage stellen. Das 169 Zimmer umfassende Hotel richtet sich hauptsächlich an Cartouristen und wird im Saisonbetrieb geführt. Einen öffentlichen Gastrobetrieb gibt es nicht, auch das Erdgeschoss werde von den Gästen genutzt. Ein ganzjährig geöffnetes Restaurant wäre mit hohen Personalkosten verbunden. Zudem müssten für die Kongress- und Seminarteilnehmer andere Räume geschaffen werden, womit der saisonale Betrieb so nicht mehr gewährleistet sei, argumentierte das Grandhotel. 

Das Kantonsgericht beurteilt diese düsteren Prognosen aber nicht als glaubhaft. Die Zugehörigkeit zur Tourismuszone verpflichte das Hotel nicht automatisch zu baulichen Massnahmen, «geschweige denn, an ihrem bewährten Betriebskonzept Modifikationen vorzunehmen». Insgesamt erkennt das Gericht keine Anhaltspunkte für die Aussage, dass das Betriebskonzept und die Anforderungen der Tourismuszone einander ausschliessen würden. Es sei nicht einsichtig, wieso durch die Regelung «die Überlebensfähigkeit der unterstellten Hotelbetriebe gefährdet sein sollte».

Darüber hinaus verweist das Kantonsgericht zum einen auf die Bestandesgarantie, zum anderen auf die Tatsache, dass die Hotelbetriebe in der Vergangenheit auch mit verschiedenen Privilegien ausgestattet worden seien, etwa bezüglich Bauvolumen.

Frage der Lage

Auch in einem zweiten Kritikpunkt findet das «Grand Hotel Europe» kein Gehör. Es argumentierte, dass es – anders als das Hotel Schweizerhof – nicht an der Seepromenade liege und als Viersternehotel mit anderen Gasthäusern konkurrenziere, die nicht zur Tourismuszone gehörten.

Das «Beau Séjour» an der Haldenstrasse in Luzern ist bereit für neue Gäste.

Zum Vergleich: Das «Beau Séjour», einige hundert Meter weiter stadteinwärts, ebenfalls an der Haldenstrasse in Luzern.

(Bild: jwy)

Namentlich im Vergleich zu dem in unmittelbarer Nähe liegenden «Beau Séjour» ortet das «Europe» eine «rechtsungleiche Behandlung». Das Gericht, das eine Konkurrenzsituation zwar nicht abstreitet, kommt zu einem klaren Schluss: «Die Hotels Beau Séjour und Europe sind nicht miteinander zu vergleichen.» Es stützt sich dabei vorwiegend auf raumplanerische Aspekte. Das «Beau Séjour» sei wesentlich kleiner und von der Wahrnehmung vergleichbar mit einer angrenzenden, klassizistischen (Wohn)-Villa. Demgegenüber trete das «Grand Hotel Europe» als repräsentatives Hotelgebäude in Erscheinung, das vergleichbar sei mit grösseren Bauten am Seeufer.

Bundesgericht muss erneut entscheiden

Dass das «Grand Hotel Europe» selber nicht direkt am See liegt, ist für die Richter zudem kein Argument. Die Anlage ist im Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz als «wichtiger Endpunkt der Hotelmeile am See» festgehalten. Das lasse sich nicht relativieren, halten die Richter fest und verweisen auf einen Augenschein vor Ort. Die Hotelverantwortlichen versuchten zu argumentieren, dass die ortsbildprägende Häuserzeile nur bis zum Hotel Palace reiche – vergeblich.

Dass andere Hotels in dieser Zeile in der Vergangenheit umgebaut und als Wohnungen genutzt werden – wie beispielsweise das ehemalige Hotel Tivoli –, ändert laut Gericht nichts Substantielles. Insgesamt kommt das Gericht zum Schluss, dass die Zuteilung des «Europe» in die Tourismuszone verfassungs- und gesetzmässig sei.

Die Verantwortlichen des «Grand Hotel Europe» wollen zum Entscheid derzeit keine Stellung nehmen, wie Direktor Conrad Meier auf Anfrage von zentralplus sagt. Denn die Angelegenheit ist noch nicht vom Tisch. Das «Europe» hat das Urteil weitergezogen, wie auch der Mediensprecher des Kantonsgerichts bestätigt. Damit muss sich – ein weiteres Mal – das Bundesgericht mit der Luzerner Tourismuszone auseinandersetzen.

Lange Vorgeschichte im Streit um Tourismuszone

  • 61 Prozent der Stadtluzerner Stimmbevölkerung sprach sich im Juni 2013 für die Bau- und Zonenordnung (BZO) mitsamt Tourismuszone aus. Auch vom Regierungsrat bekam das Vorhaben im Herbst 2014 den Segen. Mit der Sonderzone will die Stadt verhindern, dass sich die Grandhotels in private Luxusresidenzen verwandeln – wie das beim «Tivoli» der Fall war.
  • In der Tourismuszone liegen elf Betriebe, die Hotels Schweizerhof, Europe, Hermitage, Seeburg, Montana, National, Palace und Château Gütsch sowie das Schlösschen Utenberg, das Seerestaurant Tivoli und das Kursaal-Casino. Sie alle dürfen nur noch ein Fünftel ihrer Fläche umnutzen, beispielsweise für Wohnungen. Zudem schreibt die Zone im Erdgeschoss eine «publikumswirksame» Nutzung vor. 
  • Drei Hotels wehrten sich auf juristischem Weg gegen die Tourismuszone. Das Bundesgericht wies im November 2016 eine Beschwerde des «Schweizerhofs» ab. Das Palace hatte daraufhin seinen Widerstand  aufgegeben.
  • Anders beim «Grand Hotel Europe»: Es hatte im Mai 2018 mit einer Beschwerde vor Bundesgericht Erfolg. Das höchste Gericht wies die Sache zur Neubeurteilung zurück ans Kantonsgericht. Das erneute Urteil vom 22. März 2019 hat das «Europe» wiederum angefochten.
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