Was der Zuger Boden so hergibt

Goldmünzen und Schlamm

Dieser Einbaum hat rund 600 Jahre lang im Schlamm gelegen. Was mit ihm geschieht, ist vor allem eine Budgetfrage. (Bild: zvg / Amt für Denkmalpflege und Archäologie)

Die Zuger Archäologie kann zwar nur dann graben, wenn gebaut wird. Für alles andere fehlt das Geld. Was sie da aber findet, ist spektakulär genug. Relikte einer Münzunion lange vor dem Euro, der die Schweiz angehörte, etwa. Oder Hinweise auf eine Pfahlbauerburg, mehr als dreitausend Jahre alt. Und Gold natürlich.

Es war ein gutes und ein schlechtes Jahr für die Zuger Archäologie. Auf Gold und Silber sind die Archäologen gestossen, auf uralte keltische Münzen, auf die Spuren einer prähistorischen Befestigung, beim Chamer Alpenblick. Ein Schlechtes, weil die Politik bei der Budgetdebatte im Kantonsrat der Archäologie und der Denkmalpflege über alle normalen Kürzungen hinaus noch einmal 10 Prozent vom Budget weggekürzt hatte, aufgrund eines spontanen Antrags des Architekten und ehemaligen Kantonsrats Thiemo Hächler, der die Archäologie verdächtigte, vor allem unnütze Arbeit zu leisten.

Der Zugang zur Vergangenheit

Dass dem nicht so ist, zeigt Stefan Hochuli nun am Sonntagnachmittag auf. Dann will der Leiter des Amts für Denkmalpflege und Archäologie der Direktion des Innern bei seinem jährlichen Vortrag die Erfolge der Zuger Archäologie vorstellen. Das habe aber mit der Kürzung nichts zu tun. «Das machen wir jedes Jahr auf Einladung des Museums für Urgeschichte», sagt Hochuli. Die hohe Bautätigkeit bedrohe viele Fundstellen und historische Bauten, führe aber gleichzeitig jedes Jahr zu tollen Entdeckungen. Und das kommt gut an: «Wir haben ein treues Stammpublikum. Die Archäologie ist in der Zuger Bevölkerung breit verankert, auch dank dem Museum für Urgeschichte: Wohl jedes Schulkind war mindestens einmal dort. Mit ihm hat die Zuger Bevölkerung einen sehr direkten Zugang zu ihrer Vergangenheit», sagt er.

Und jetzt zu den guten Dingen: Hochuli zieht den kleinen Kasten unter zwei Stapeln Papier hervor, darin liegt ein kleiner Schatz: Siebzehn silberne Fünf-Frankenstücke, ein goldene Zwanzig-Frankenmünze und ein silbernes Zwei-Frankenstück. Die Münzen lagen hundert Jahre lang unter dem Waldboden in Risch. Wer sie versteckt hatte, wollte für die Zukunft zurücklegen: «Der damalige Wert entspricht, auf die Löhne umgerechnet, heute zwischen 6’000 und 12’000 heutige Franken.»

Mit diesen Silberfranken konnte man bis 1926 sogar in Griechenland bezahlen.

Mit diesen Silberfranken konnte man bis 1926 sogar in Griechenland bezahlen.

(Bild: zvg / Amt für Denkmalpflege und Archäologie)

Schweiz in einer Währungsunion?

Das Spannendste am Münzfund ist aber, dass nur eine der Frankenmünzen tatsächlich aus der Schweiz stammt: «Die Schweiz war damals in einer Münzunion mit Frankreich, Belgien und dem italienischen Königreich, und auch Griechenland war damals dabei.» Sie war also quasi Teil des Süd-Euros, wenn es so etwas heute gäbe: Deutschland und Österreich hätten den Gulden gehabt, sagt Hochuli. «Mit diesen Franken konnte man überall bezahlen, sie waren in all den beteiligten Ländern anerkannt und gleich viel wert.» Erst 1926 wurde diese Münzunion offiziell aufgehoben.

«Weshalb der Besitzer die Münzen vergraben hat, bleibt rätselhaft», sagt Hochuli. Wie die Archäologie den Schatz gefunden hat, will er allerdings nicht verraten, er lächelt nur und sagt: «Wir möchten verhindern, dass Fundstellen von Schatzsuchern beschädigt werden und archäologische Zeugnisse gestohlen werden, die der Öffentlichkeit gehören. Wenn jemand im Boden etwas findet, dann gehört das dem Kanton.» So auch der keltische Silberstater, der in Neuheim gefunden wurde. Die Silbermünze ist in der Schweiz ein äusserst seltener Fund, der wohl mit dem keltischen Fürstensitz auf der Baarburg zusammenhängt, so Hochuli.

Fünftausend Jahre alte Holzpfähle

Meistens macht die Archäologie ihre Funde aber dort, wo gebaut wird: «Wir können nur da eingreifen. Wir müssen unsere Mittel sparsam einsetzen und uns darauf konzentrieren, die Dinge zu retten, die sonst durch Bauarbeiten zerstört  würden», sagt er und startet seine Präsentation: Es sind Kulturgüter, die unwiederbringlich verloren gegangen wären, hätte die Archäologie nicht eingegriffen.

Die Grabung beim prähistorischen Pfahlbau im Alpenblick ist ein gutes Beispiel: Hier hatte die Zuger Archäologie zwar schon vor 2014 gegraben, die beiden Hochhäuser stehen mittlerweile. Aber die Auswertung der im Schlick gefundenen Holzpfähle ist erst jetzt fertig geworden. Über 18’000 Pfähle hat die Archäologie hier ausgemacht, sie stammen aus einem Zeitraum von über 1’500 Jahren. «Die Jahrringdatierung der Hölzer hat phantastische Resultate ergeben.» Drei verschiedene Kulturen haben hier gewohnt und gebaut: Die Horgener Kultur von 3179 bis 3108 vor Christus und die Schnurkeramik-Kultur von 2607 bis 2442 vor Christus. Die jüngste Kultur hat in der Frühbronzezeit eine grosse Palisadenanlage gebaut, zwischen 1663 und 1618 vor Christus. Deren Zentrum liegt in noch unüberbautem Gebiet. «Wir hoffen, dass die fragilen Funde im Boden gut geschützt sind.» Erst wenn dort wieder gebaut würde, müsste die Archäologie zum Rettungseinsatz schreiten.

Skelette im Bibersee

Aber auch mitten in der Zuger Altstadt wurden die Ausgräber fündig, in einem Haus an der St. Antonsgasse fanden sie Überreste einer Seifensiederei, die wohl beim Geissweidbrand 1795 herunterbrannte. 111 Personen verloren damals ihr Hab und Gut, der Brand war Auslöser für die Gründung der ersten Feuerversicherung im Kanton.

Einen anderen Fund hat die Archäologie bei der Aushebung des Bibersees gemacht: «Das ursprüngliche Biberseeli ist verlandet, im Rahmen eines Renaturierungsprogramms hat der Kanton beschlossen, den Bach auszuweiten und einen See auszubaggern.» Die Archäologie hat die Aushubarbeiten begleitet und ist auf einzigartige Funde gestossen: Menschliche Knochen, Schädel und Rippen, aber vor allem auch auf guterhaltene Fischereiwerkzeuge aus dem Mittelalter, Fischzäune und Reusen. Sie liegen als filigrane Fächer in der Erde. «Eine der Reusen haben wir en bloc gehoben», sagt Hochuli, «in einer Kiste, darin liegt die Reuse immer noch so in der Erde wie die letzten sechshundert Jahre.»

Retten und dann wie weiter?

«Und dann haben wir das hier gefunden», sagt Hochuli und zeigt ein Foto von einem verschlammten Baumstamm. Es ist ein Boot, ein Einbaum, aus dem Mittelalter. «Der wog sechs Tonnen bei der Bergung.» Reuse und Einbaum sind beide im Funddepot, wie sie bearbeitet und ausgestellt werden können, ist noch offen.

«Wir würden den Einbaum gerne so konservieren, dass man ihn ausstellen könnte. Aber das ist eine Kostenfrage, und die Kürzung des Budgets trifft uns empfindlich. Ich möchte mich aber nicht beschweren, das ist der Entscheid der Politik und wir müssen das akzeptieren. Es bleibt uns nur, darauf zu hoffen, dass es dem Kanton in Zukunft finanziell wieder besser geht, damit wir solche Funde nicht nur retten, sondern auch ausstellen und wissenschaftlich untersuchen können.»

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