Jungunternehmen fallen durch die Maschen

Gleich zwei Luzerner Yoga-Studios stehen vor dem Aus

Blicken harten Zeiten entgegen: Anja Glover, Inhaberin des Tanz- und Yogastudios Paname Academy, mit ihrem Partner Lucas Salmon. (Bild: zvg)

Die gesündeste Option sei, das Studio zu schliessen: Das Tanz- und Yogastudio der Luzernerin Anja Glover steht kurz vor dem Aus. Gleich ergeht es Lara Bühler, die ein Yogastudio im Tribschenquartier betreibt. Beide hoffen auf Unterstützung aus dem Corona-Härtefallfonds. Bei Anja Glover war das Hoffen vergeblich.

Es ist ruhig im Yoga- und Pilatesstudio Mii-Ruum im Tribschenquartier. Zu ruhig – denn seit Monaten ist das Studio leer.

Drei Jahre nachdem Inhaberin Lara Bühler die Pforten öffnete, zahlten sich die Investitionen langsam aus. Dann kam Corona. Bereits der Lockdown im März 2020 hatte fatale Folgen: Obwohl Bühler Yoga- und Pilatesstunden über einen Livestream anbietet, nahm die Nachfrage stark ab. Anfang 2020 gingen im Yogastudio bis zu 100 Kundinnen wöchentlich ein und aus – derzeit nehmen gerade noch 20 Personen pro Woche an den Online-Yogastunden teil. «Damit können wir schlicht unsere Fixkosten nicht mehr decken», sagt Bühler. «Wir bräuchten mindestens 75 Teilnehmende wöchentlich, damit wir über die Runden kommen.»

Seit der zweiten Schliessung im Dezember 2020 kann Bühler die Fixkosten nicht mehr decken – sämtliche Reserven sind aufgebraucht. Die Erwerbsersatzleistungen reichen für die Miete und diverse Fixkosten, einen Lohn kann sich die Luzernerin damit nicht mehr auszahlen. «Viele Studios decken zudem in den Wintermonaten die meist weniger besuchten Sommermonate ab.»

Für Start-ups gibts kaum Hilfe

Bei den Selbständigerwerbenden werden die Erwerbsersatzleistungen nach dem Gewinn des Vorjahres ausbezahlt. Im Fall von Lara Bühler auf den Gewinn des Jahres 2018. «Das ist jedoch für Start-ups verheerend, da junge Unternehmen noch im Aufbau waren.» Ein entsprechendes Gesuch um Neubeurteilung auf den Gewinn des Jahres 2019 wurde abgelehnt, wegen eines Entscheides auf Bundesebene.

Ein Bild vor Corona – denn mittlerweile ist das Yoga-Studio Mii-Ruum in Luzern seit Monaten geschlossen. (Bild: zvg)

Von der Krise hart getroffen wird auch die Luzernerin Anja Glover. Ihr Tanz- und Yogastudio in Lausanne hat sie im November 2019 eröffnet – also noch vor Corona. Der offizielle Sitz ihrer Firma, die bereits seit 2018 existiert, ist in Luzern. Doch der Kanton verweigert auch ihr die Unterstützung. Der Grund ist derselbe: Der Umsatz im Jahr 2018 war zu niedrig. Als eine der Voraussetzungen für eine Unterstützung muss gemäss Vorgaben von Bund und Kanton der durchschnittliche Umsatz der Jahre 2018 und 2019 mindestens 50’000 Franken betragen.

Lara Bühler und Anja Glover steht mit ihrer Ohnmacht nicht alleine da. Auch die «Hafenbar» in der Luzerner Metzgerhalle bekommt kein Geld. Weil die beiden Wirte ihre kleine Betriebsfirma erst nach dem 29. Februar 2020 gründeten, erhalten sie keine Corona-Hilfen vom Staat. Mit dieser Bestimmung will der Bund verhindern, dass extra Firmen ins Leben gerufen werden, um gratis an Geld zu kommen (zentralplus berichtete).

Den Betroffenen fehlt der Blick über die Zahlen hinaus

Den Entscheid kann Anja Glover nicht nachvollziehen: «Wie bitte sehr kann ein Umsatz eines Start-ups hoch sein?» Sie und ihr Partner haben drei Wochen auf einen Bescheid gewartet. «Ich hätte wirklich nicht damit gerechnet, dass wir nach wie vor alles selber bezahlen müssen.»

«Umsatzzahlen scheinen wichtiger zu sein als der Wert, den ein Unternehmen der Gesellschaft gibt.»

Anja Glover, Inhaberin Paname Academy

Insbesondere kritisiert Glover, dass die Fälle nicht individuell angeschaut werden. «Umsatzzahlen scheinen wichtiger zu sein als der Wert, den ein Unternehmen der Gesellschaft gibt.» Ihre Paname Academy hat sich zum Ziel gesetzt, Menschen zusammenzubringen – Yogis, Breakdancer, Kinder und Erwachsene, lokale und internationale Tänzerinnen, Amateure wie Profis.

Dasselbe bemängelt auch Lara Bühler. Yoga und andere Trainingsformen seien wichtig für die Gesundheit und gerade in der aktuellen Zeit wichtige Werkzeuge, um mit Stress umzugehen. «Zudem wären gerade junge Unternehmen jetzt auf mehr Unterstützung angewiesen.»

Gross und Klein tanzt in der Paname Academy in Lausanne. (Bild: zvg)

Mit Crowdfunding über die Runden kommen

Die momentane Situation ist für die beiden Jungunternehmerinnen belastend. «Mein Herz hängt an meinem Yoga-Studio», sagt Lara Bühler. Die ganze Lage ist für sie emotional anstrengend, sie sah zeitweise den Wald vor lauter Bäumen nicht. Vor kurzem startete sie eine Crowdfunding-Kampagne. Mit über 22’000 Franken ist nach neun Tagen die Hälfte des nötigen Beitrags zusammen. Mit dem Ziel der Sammelaktion – 45’000 Franken – kann Bühler die nächsten Monate in diesem speziellen Jahr stemmen.

Lara Bühler, Inhaberin des Yoga- und Pilatesstudios Mii-Ruum.

Auch Anja Glover hat vergangenen Herbst mittels Crowdfunding-Kampagne 22’000 Franken gesammelt. Doch die Reserven und auch diese Gelder sind restlos aufgebraucht. «Wir sind inzwischen mental und auch finanziell am Ende», sagt sie. Ihr ist es wichtig, dass die Bevölkerung über ihre Lage Bescheid weiss. Gerade weil es zahlreiche Stimmen gebe, die sagen, der Staat greife zu Krisenzeiten vielen unter die Arme. Glover weiss: Nur eben nicht allen.

«Ich bin optimistisch und habe das Vertrauen, dass es irgendwie klappt.»

Lara Bühler, Yoga- und Pilatesstudio Mii-Ruum

In ihrem Umfeld würden Menschen von Kurzarbeitsgeldern profitieren, obwohl sie teilweise noch 60 Prozent arbeiten können. «Wir hingegen kämpfen seit Monaten und wissen nicht, wie lange wir noch weiterkämpfen können.» Auch der Vermieter kam ihr nicht entgegen. Glover und ihr Partner zahlen seit über einem Jahr die volle Miete, obwohl das Studio zehn Monate geschlossen war oder nur vier Teilnehmende an einem Kurs teilnehmen konnten. Der Vermieter hat sogar die Miete erhöht, weil sie das vor Corona so vertraglich geregelt haben. Verständnis für die Situation habe er nicht – er reagiere nicht mal auf Telefonanrufe.

150 Prozent arbeiten – und die volle Miete zahlen

«Es geht uns schon lange nicht mehr um den Lohn», sagt Glover, die als freischaffende Journalistin tätig ist. «Mein Partner und ich arbeiten beide 150 Prozent, um nicht nur uns selber, sondern auch das Studio über Wasser halten zu können.» Der administrative Zusatzaufwand sei enorm.

«Wir warten jetzt einmal ab, aber unser Studio nächsten Monat zu schliessen, erscheint mit derzeit als die gesündeste Option.»

Anja Glover, Inhaberin Paname Academy

Glover hofft, dass der Bund mehr Verständnis zeigt für kleinere und jüngere Unternehmen. «Wir warten jetzt einmal ab, aber unser Studio nächsten Monat zu schliessen, erscheint mit derzeit als die gesündeste Option. Wir sind inzwischen zu müde, als dass wir noch lange weiterkämpfen könnten.»

Die einzige Forderung, die Glover stellt: «Wir möchten nicht die gesamte Krise selber tragen müssen.» Ein Teil der Miete müsste ihnen abgenommen werden. Von der Entschädigung der Administrationsarbeiten und dem Ausfall ihres Einkommens spricht sie schon gar nicht mehr. 

Lara Bühler hofft derweil auf eine baldige Öffnung des Studiobetriebes. Eine dritte Welle wäre für das Studio jedenfalls fatal. «Ich bin optimistisch und habe das Vertrauen, dass es irgendwie klappt.»

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3 Kommentare
  • Profilfoto von Sandra
    Sandra, 19.02.2021, 12:21 Uhr

    In den letzten Jahren sind in und um Luzern viele neue Yoga-, Pilates-, Tanz-, und FitnessStudios entstanden, die schon vor Corona nur halb gefüllt waren. Vielleicht ist es jetzt an der Zeit, ein wenig auszuforsten. Die guten ins Töpfchen, die Schlechten … bitte nicht mit Steuergeldern mühsam am Leben erhalten.

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    • Profilfoto von Silvia
      Silvia, 19.02.2021, 13:03 Uhr

      Liebe Sandra
      Das kann leider nur eine Antwort einer privilegierten Person sein und ist ziemlich ignorant. Bei Paname Academy gingen während den Zeiten, als das Studio offen war, 200 Personen wöchentlich ein und aus. Das Studio hat diesbezüglich also kein Problem. Vielen Dank für ein bisschen mehr Respekt für Unternehmer*innen, die übrigens ihre Steuern nach wie vor auch bezahlen.

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    • Profilfoto von Irene Isepponi
      Irene Isepponi, 20.02.2021, 11:05 Uhr

      Dein Kommentar verletzt. Er ist nicht nur ignorant sondern auch herablassend: wer bist du, dass es dir zusteht so zu urteilen? Eine Triage durch Corona zu begrüssen?

      Hinter jedem Betrieb, der momentanen aufgrund der Massnahmen in der Krise steckt, stehen Menschen und ihre Schicksale, so wie auch hinter jeder Corona Erkrankung mit schwerem Verlauf.

      Ich sehe viele andere Schauplätze mit weit interessanteren Dimensionen um den Einsatz von Steuergeldern zu hinterfragen.

      Lass doch bitte gleiches Recht für Gesunde und Kranke, Grosse und Kleine walten und freu dich über deine (offenbar) privilegierte Situation.

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