Zuger Obergericht urteilt über Währungsspekulanten

Gewerbler und Arbeiter um Millionen geprellt

Am Obergericht wird der Doppelmord-Prozess von Zug nochmals aufgerollt. Die Meinungen der Parteien gehen dabei diametral auseinander.

(Bild: mbe.)

Am Obergericht Zug wurde am Donnerstag einmal mehr ein Wirtschafts-Krimi verhandelt. Verantworten mussten sich die Geschäftsführer von zwei pleite gegangenen Zuger Firmen. Sie sollen mit hochspekulativen Währungsgeschäften 27 Millionen Franken in den Sand gesetzt haben. Opfer waren vor allem eher ältere, mittelmässig gebildete Personen.

Vor Gericht sitzen viele schicke Herren in Anzug und Krawatte; die einen sind Angeklagte, die anderen ihre Verteidiger. Die vier Beschuldigten, zwei aus dem Kanton Luzern, waren Geschäftsführer der Zuger Firmen Invest Finanz-Verwaltung AG und Invest Finanz-Service AG.

Die beiden Hauptbeschuldigten P.G. (57) und T.G. (54) waren davor erfolgreiche Anlageberater einer grossen Schweizer Versicherungsgesellschaft. Neben ihnen mussten sich M.R. (51) und M.G. (36) vor dem Obergericht verantworten.

Die erhobenen Vorwürfe

Die Beschuldigten sollen laut Anklage im Zeitraum 2003 bis 2009 zahlreiche Kunden aus der ganzen Schweiz akquiriert haben, die den beiden Gesellschaften über 27 Millionen Franken anvertrauten. Die Anleger seien von einer sicheren Vermögensanlage ausgegangen.

Anstatt die Kundengelder konservativ und sicher anzulegen, sei jedoch hochspekulativer Währungshandel mit dem Geld betrieben worden. Dieser sei für die beiden Firmen (und ihre Geschäftsführer) zwar sehr lukrativ, für ihre Kunden jedoch von Anfang ein Verlustgeschäft gewesen.

Verluste machen ist das eine. Vorgeworfen wird den Männern aber, den Kunden falsche Abrechnungen geschickt zu haben, um diese Verluste zu verschleiern. Wenn die Anleger von der Entwicklung gewusst hätten, so die Argumentation von Anklage und Strafgericht, hätten sie ihre Gelder zurückziehen können.

«Ein Leben lang hart gearbeitet»

Laut der Anklageschrift waren die 146 aufgezählten Geschädigten eher ältere, mittelmässig gebildete Personen, die in Finanzgeschäften nicht versiert waren und «ein Leben lang hart gearbeitet hatten». Dazu kommen Selbstständigerwerbende mit Restaurants, kleinen Gewerbebetrieben, einer Zahnarztpraxis.

Geschädigte: «Hier wird nur gelogen»

Am Prozess in Zug war ein geschädigtes Ehepaar aus Bern anwesend. «Es erstaunt mich nicht, dass nicht mehr Geschädigte gekommen sind», sagte die Ehefrau am Schluss der Verhandlung im Saal. «Wenn man sieht, wie hier gelogen wird, gibt es mir einen Stich ins Herz.» Sie habe ihre ganze Pensionskasse von 300’000 Franken verloren, erklärte die ehemalige Treuhänderin zentralplus. «Von Risiko war in den Werbe-Unterlagen keine Rede. Später haben wir gefälschte Kontoauszüge erhalten, ahnten nichts und zogen das Geld deshalb nicht zurück.» Die Strafuntersuchung war 2011 durch 79 Anzeigen bei der Staatsanwaltschaft Zug ausgelöst worden.

Der eine Hauptbeschuldigte P.G. habe seinen Kundenstamm der Swiss Life genutzt und das Vertrauen dieser Personen gehabt. «Da er zu Swiss-Life-Zeiten nie zu Beanstandungen Anlass gab, hatten diese keinen Grund, dem Beschuldigten P.G. nicht zu vertrauen», heisst es in der Anklageschrift.

Erstes Urteil angefochten

Das Strafgericht Zug hat die Beschuldigten 2016 vom Vorwurf des gewerbsmässigen Betrugs und der Urkundenfälschung freigesprochen. Es sprach sie aber wegen mehrfacher qualifizierter ungetreuer Geschäftsbesorgung – oder der Gehilfenschaft dazu – schuldig.

Die zwei Hauptbeschuldigten wurden zu Freiheitsstrafen von 3,5 Jahren, die beiden «Gehilfen» zu teilbedingten Strafen von 20 und 26 Monaten verurteilt. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Urteil von allen Seiten bestritten

Alle Beschuldigten legten Berufung ein. Die Staatsanwaltschaft hat ebenfalls rekurriert und verlangt höhere Strafen (sie hatte für die zwei Hauptbeschuldigten sieben Jahre Gefängnis beantragt).

Die Frage, wie hoch der Schaden effektiv war, ist umstritten. Das Strafgericht stellte eine andere Berechnung als die Staatsanwaltschaft auf und kommt auf eine viel geringere Schadenssumme. Laut dem Urteil haben die beiden Hauptbeschuldigten P.G. und T.G. für einen Schaden von wenigstens 5,59 Millionen Franken einzustehen. Zudem hätten sie sich persönlich bereichert. Bei den beiden anderen Angeklagten M.G. und M.R. ist das weniger klar.

Am Berufungsprozess vor dem Zuger Obergericht am Donnerstag wollten alle Beschuldigten auf Fragen des Gerichts nicht antworten. Sie hätten sich schon geäussert.

«Die vom Strafgericht genannte Schadenssumme ist ein Schlag ins Gesicht der Geschädigten.»
Jacqueline Landolt, Zuger Staatsanwältin

«Vorsorge der Anleger vernichtet»

Die Zuger Staatsanwältin Jacqueline Landolt sagte in ihrem Plädoyer, die Angeklagten seien – erwartungsgemäss – von den Vorwürfen des gewerbsmässigen Betrugs und der Urkundenfälschung freigesprochen worden.

Landolt sprach sodann von einer «kreativen Schadensberechnung» des Zuger Strafgerichts. «Die genannte Summe ist ein Schlag ins Gesicht der Geschädigten. Es ist effektiv ein Schaden von 26 Millionen Franken entstanden.»

Die Beschuldigten hätten skrupellos die Vorsorge ihrer Anleger vernichtet. Diese hätten ihr Geld zurückziehen können, wenn man sie korrekt informiert hätte. Die ausgesprochenen Strafen seien viel zu niedrig angesetzt. Landolt verlangte vor dem Obergericht für die beiden Hauptbeschuldigten eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren.

«Die Anklage hat den Sachverhalt nachträglich zusammengezimmert.»
Einer der Verteidiger

Geldvernichtungsmaschine legal

Die Verteidiger kritisierten und zerpflückten die Anklage der Staatsanwaltschaft massiv und fuhren alle Register auf. Sie sprachen von Willkür, Verletzung der Gewaltenteilung, des Anklageprinzips und des Grundsatzes «in dubio pro reo».

Einer sagte, die «Geldvernichtungsmaschine» vor der Finanzkrise von 2008 sei eben legal gewesen. Dies habe das Strafgericht im Unterschied zur Staatsanwaltschaft festgestellt.

Der Zürcher Verteidiger von P.G. erklärte, bei der Anklageerhebung sei der Vorwurf der ungetreuen Geschäftsbesorgung durch falsche Information der Investoren noch «Beigemüse» gewesen.

Die Anklage habe den Sachverhalt nachträglich «zusammengezimmert». Die Kausalität beweise sie aber nicht.

Der Anwalt kritisierte auch das Strafgericht. Dieses habe die Schadensberechnung der Staatsanwaltschaft durch eine eigene Berechnung ersetzt. «Sie beruht auf Schätzungen und Hypothesen», sagte der Verteidiger. Obwohl nicht alle 146 Kunden gleich geschädigt worden seien, würde ein Totalverlust für alle angenommen. «Es ist eine falsche Gleichmacherei», so der Verteidiger.

Er beantragte, seinen Mandanten vollständig freizusprechen.

Von wenigen Geschädigten auf alle geschlossen

Michael Aepli, der Zuger Verteidiger des Beschuldigten T.G., plädierte ebenfalls für Freispruch seines Mandanten. Er relativierte die Schwere der Tat. «Es geht nur noch um eine Pflichtwidrigkeit und die Zustellung falscher Abrechnungen.» Auch Aepli kritisierte das Strafgericht. Nur wenige Geschädigte seien befragt worden, man habe aus ihren Aussagen auf alle geschlossen.

Er verlangt eine tiefe bedingte Strafe für seinen Mandanten.

Der Luzerner Stephan Zimmerli, Verteidiger des jüngsten Angeklagten M.G., der wegen Gehilfenschaft an die Kasse kommen soll, verlangt ebenfalls einen Freispruch. Oder im Falle eines Schuldspruchs eine bedingte Strafe von 20 Monaten mit Probezeit. Zimmerli sprach von «ambivalenten vertraglichen Verhältnissen», die herrschten. Laut einem Gutachten seien die Anlagestrategien legal gewesen.

50 Prozent der Anleger hätten Geld zurückgezogen

Weder Anklage noch Gericht hätten das individuelle Risikoprofil jedes Geschädigten beschrieben. Das Strafgericht habe stattdessen «Zahlenspielerei» betrieben. Das Gericht hatte argumentiert, dass 50 Prozent der Anleger bei korrekter Information 50 Prozent des Geldes zurückgezogen hätten.

Die Gehilfenschaft seines Mandanten sei aus verschiedenen Gründen zu verneinen. Nachdem die beiden Hauptbeschuldigten sich aus den Firmen zurückgezogen hätten – «sie liessen die Firmen im Stich» –, hätte sein Mandant 15 Monate unentgeltlich weiter gearbeitet. Er sei deshalb freizusprechen.

2004 sei er erst 21 Jahre alt gewesen. Er sei von den lebenserfahrenen beiden Hauptbeschuldigten, die viel mehr verdienten als er, zu den fragwürdigen Verhaltensweisen überredet worden. «Diese dachten sich auch die Idee mit den falschen Abrechnungen aus.»

«Die Hauptbeschuldigten liessen die Firmen im Stich.»
Anwalt Stephan Zimmerli

Der Luzerner Verteidiger, Arno Thürig, relativierte die Rolle seines Mandanten M.R. als Gehilfe. Dieser sei falscherweise in «Sippenhaftung» genommen worden. Die Darstellungen der Anklage und der Vorinstanz seien pauschalisiert. Die Rechnung des Gerichts mit den 50 Prozent sei eine Hypothese. Bei einem Schuldspruch – mit dem alle Verteidiger offenbar doch rechnen – beantragte Thürig eine bedingte Strafe von 12 Monaten für seinen Klienten.

Doch noch eine Äusserung

Die Beschuldigten äusserten sich wie erwähnt nicht selbst zu den Vorwürfen. Nur der Luzerner M.R. hob am Schluss der Verhandlung doch noch zu einem Schlusswort an und zeigte Reue. Er bedaure, was er getan habe. «Ich kann es nicht rückgängig machen.»

Das Urteil wird später gefällt und auf Wunsch der Parteien schriftlich zugestellt.

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