Podium ohne Kontroversen

Gesundheitsminister auf Blitzbesuch in Luzern

Bundesrat Alain Berset bei der Ankunft im Hotel Palace, links Josef Wey, Präsident der Vereinigung Luzerner Hausärzte. (Bild: Marc Benedetti)

Die Zentralschweizer und Luzerner Ärzteverbände luden am Mittwochabend zu einer Podiumsdiskussion über die medizinische Grundversorgung ins Hotel Palace Luzern ein. Rund 80 Besucherinnen und Besucher, darunter viele Ärzte und Personen aus weiteren Gesundheitsberufen, besuchten die Veranstaltung. Der Gesundheitsminister der Schweiz warb für die Abstimmung vom 18. Mai.

Anlass war die Abstimmung vom 18. Mai über den Verfassungsartikel, der die Position der Hausärzte stärken und die medizinische Grundversorgung besser garantieren soll. Als prominenten Referent hatten die Organisatoren Bundesrat Alain Berset gewinnen können. Er lobte als erstes den Kanton Luzern; dieser stehe für «einen Geist des Ausgleichs, der Bodenhaftung und der Spitzenleistungen in Wirtschaft und Medizin.» Dann gings zum eigentlichen Thema: Gemäss Berset kommen die nächsten Jahre rund 3000 Hausärzte ins Pensionsalter. Der Verfassungsartikel allein, zu dem er ein Ja empfahl, genüge nicht, um dieses Problem zu lösen. Es brauche Massnahmen auf verschiedensten Ebenen.

In der anschliessenden Fragerunde ging es vor allem um das Thema, wie man genügend einheimische Ärzte und Ärztinnen ausbilden kann. Gefordert wurde zum Beispiel die Aufhebung des Numerus Clausus «ohne wenn und aber und Diskussionen». Wie Berset erläuterte, ist das aber nicht so einfach. Der Bund habe nur begrenzte Einflussmöglichkeiten, es seien die Kantone, die über Zulassungsbedingungen in ihren Bildungsinstitutionen entschieden. Doch man sei im Kontakt und die Situation verändere sich positiv. Nach viel Applaus musste sich der Gesundheitsminister samt seinen Bodyguards bereits wieder verabschieden.

Am Podiumsgespräch unter der Leitung von Stefan Ragaz diskutierten Daniel Aregger, Präsident Physio Zentralschweiz, Marcus Maassen, Präsident Pulsus, Alexandra Perina-Werz, Leiterin Public Affairs der Krankenkasse Groupe Mutuel und Josef Wey, Präsident der Vereinigung Luzerner Hausärzte. Die grosse Kontroverse blieb aus, denn Gegner hat die Vorlage praktisch keine. Perina-Werz von der Groupe Mutuel war die Ausnahme. Groupe Mutuel ist gegen den Verfassungsartikel, weil er einseitig die Berufsgruppe der Hausärzte hervorhebt. Marcus Maasen sprach sich gegen die «politisch motivierte Umverteilung» von 200 Millionen Franken aus, mit denen der Bundesrat die Gründung neuer Praxen fördern will. Josef Wey, Hausarzt in Sursee, fand diese Massnahme richtig und sinnvoll. Damit könnten die teuren Apparaten in neuen Hausarztpraxen finanziert werden.

Diskutiert wurde auch über den Mentalitätswandel bei angehenden Ärzten. Diese wollten oft lieber angestellt sein und in einer Gruppenpraxis arbeiten als das unternehmerische Risiko einer eigenen Praxis zu tragen. Wey erwähnte dazu zwei Modelle der Zusammenarbeit junger Ärzte in Zell und Reiden, die gut funktionierten. Es gebe aber auch negative Beispiele von «profitorientierten Modellen». Maasen forderte bessere Rahmenbedingungen und einfachere Niederlassungsregeln für Ärzte. Für Erstaunen bei gewissen Besuchern sorgte seine Äusserung, es sei wegen der gestiegenen Preise praktisch unmöglich für junge Ärzte, eine Wohnung in Luzern und Umgebung zu finden.

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2 Kommentare
  • Profilfoto von P. Aebersold
    P. Aebersold, 02.05.2014, 09:13 Uhr

    Mit der „medizinischen Grundversorgung“ soll die Hausarztmedizin auf den Kopf gestellt werden. Die bisherigen Tätigkeiten des Hausarztes sollen – wie beim Lehrplan 21 – in sogenannte Kompetenzen aufgesplittert werden, die dann von einem Team aus nichtärztlichem Gesundheitspersonal wahrgenommen würden. Der Hausarzt würde nur noch die Fälle behandeln, die das Team nicht bewältigen könnte. Er soll dem Team hierarchisch gleichgestellt werden und wäre deshalb nicht verantwortlich für dessen Arbeit. Der Bundesrat hofft, mit diesem WHO-Modell («primary health care», Barfussärztemodell), das in den 1970er Jahren für Entwicklungsländer propagiert wurde, Hausärzte und Gesundheitskosten einsparen zu können.

    Allerdings zeigt die Praxis derartig organisierter Gesundheitsteams (Managed Care Hausarztnetzwerke) in der Schweiz, dass infolge unsachgemässen Behandlungen oder verzögerten Weiterweisungen die Gesamtkosten vielfach höher ausfallen, als bei den Hausärzten. Dazu tragen auch der vertraglich vereinbarte Spardruck und Folgewirkungen der damit geleisteten Billigstmedizin bei. Der weitgefasste Verfassungsartikel würde dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) den direkten Durchgriff (Spardruck, Bonusanreizsysteme usw.) auf jede Arztpraxis erlauben sowie in Zukunft als zentralistisches Einfallstor in die Bildungshoheit der Kantone – ähnlich dem Bildungsartikel – für eine ganze Reihe problematischer Gesetze wie Medizinalberufegesetzes, Gesundheitsberufegesetz, elektronisches Patientendossiergesetz, Qualitätsinstitut und HTA-Institut werden. Der föderalismusfeindliche Gegenvorschlag ist gefährlich und unnötig, weil die Kantone die Hausärzte in eigener Initiative besser fördern können, wie es der Kanton Uri vormacht.

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  • Profilfoto von P. Aebersold
    P. Aebersold, 19.04.2014, 12:06 Uhr

    Im Gegenvorschlag «medizinischen Grundversorgung» wird der Hausarzt nicht mehr erwähnt, nur die „Hausarztmedizin“. Dabei handelt es sich um das WHO-Konzept der «medizinischen Grundversorgung», beim dem der Patient in erster Linie von einem Nichtarzt (Krankenschwester, Ernährungsberater, Fusspfleger usw.) empfangen und «behandelt» wird und nicht mehr von seinem Hausarzt. Das WHO-Barfussärzte-Modell war in den 1970ern ein billiger Basisgesundheitsdienst für Entwicklungsländer. Das nach dem Vorbild von Mao’s „Barfussärzten“ konzipierte WHO-Modell führte in der Praxis zu einem unzureichend ausgestatteten öffentlichen Gesundheitswesen mit unmotivierten, überarbeiteten und schlechter qualifiziertem Personal sowie einem Privatsektor, der qualifizierte Leistungen nur gegen hohe Bezahlung bereitstellte. Der zentralistische Gegenvorschlag ist gefährlich und unnötig, weil die Kantone die Hausärzte in eigener Initiative fördern können.

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