Hausärztemangel nach Praxisschliessungen zugespitzt
Zulassung für ausländische Ärzte: Kanton Zug unter Druck
In Oberägeri, Unterägeri und Menzingen gibt es zu wenig Hausärztinnen. Laut einem Mitte-Kantonsrat ist es dringend notwendig, dass die Behörden Massnahmen ergreifen. Unter anderem sollen sie Zulassungsbedingungen für ausländische Ärzte lockern.
Der Hausärztemangel beschäftigt die ganze Schweiz. Besonders brenzlig ist die Situation häufig in ländlicheren Regionen – so auch in Zuger Berggemeinden.
Ärzte stehen sogar an der Spitze des Fachkräftemangels in der Zentralschweiz. In keiner anderen Berufsgruppe ist der Mangel so ausgeprägt. Dies geht aus der neuesten Untersuchung der Industrie- und Handelskammer Zentralschweiz hervor, wie sie in einer Mitteilung vom Dienstag bekanntgibt.
Nun meldet sich Mitte-Kantonsrat Patrick Iten zu Wort. Die bestehenden Praxen können nicht alle Patienten, die ihren Hausarzt verloren haben, aufnehmen, schreibt er in einer kleinen Anfrage an die Regierung. Viele Betroffene stehen daher ohne Hausarzt in der Region da. Der Politiker schreibt von einem Notstand in der hausärztlichen Versorgung. Es herrsche eine «besorgniserregende Unterversorgung, die dringend angegangen werden muss», so der Parlamentarier.
Die Bewohnerinnen müssen grossräumiger suchen. Auch Iten selbst geht mittlerweile in Einsiedeln im Kanton Schwyz zum Hausarzt, wie er auf Anfrage von zentralplus erzählt.
Doch wie schlimm steht es um die Versorgung in den Gemeinden? Obsan, das Schweizerische Gesundheitsobservatorium, publizierte im Jahr 2022 eine grossangelegte Studie zur Versorgungsdichte der Hausarztmedizin. Die Analyse zeigt: Der Versorgungsdichte-Index ist in Unter- und Oberägeri deutlich tiefer als in den anderen Zuger Gemeinden.
So weist Unterägeri einen Wert von 0,49 auf – Oberägeri einen von 0,51. Damit gehören die Gemeinden zu den «Bottom 20 Prozent». Sprich: zu dem Fünftel der Gemeinden mit der tiefsten Versorgungsdichte in der Schweiz.
Alle anderen Zuger Gemeinden haben einen Wert von 0,65 und darüber. Die höchste Versorgungsdichte hat Walchwil. Dort liegt der Wert im Jahr 2022 bei 0,95.
Bedingungen für ausländische Ärzte lockern
Als ein Problem für den Mangel in der Region betrachtet Patrick Iten die Zulassungsvoraussetzungen für Ärzte. So müssen ausländische Mediziner mindestens drei Jahre in einer schweizerischen Weiterbildungsstätte als Assistenzarzt gearbeitet haben, um eine Zulassung zu erhalten. Dies auch, wenn der Arzt beispielsweise bereits jahrelang eine eigene Praxis geführt hat.
Wenn ein Mangel an Grundversorgern besteht, kann der Kanton jedoch von dieser Zulassungsbedingung absehen. Von dieser Möglichkeit machen viele Kantone Gebrauch – unter anderem Schwyz, Zürich und Luzern. Dort müssen die Ärztinnen nicht nochmals mehrere Jahre einer Assistenztätigkeit nachgehen.
Anders sieht es im Kanton Zug aus. So wollte beispielsweise die Praxis Gesundheitspunkt in Oberägeri eine ausländische Arztperson anstellen. Dies war jedoch nicht möglich, da sie sich nicht auf eine Assistenztätigkeit zurückstufen wollte. Die Person wurde dann «wohlwollend» in einer Praxis in einem Nachbarkanton aufgenommen, wie Iten in der Anfrage schreibt.
Überlaufene Notfälle?
Da aufgrund der Praxisschliessungen viele Personen aktuell keine Hausärztin haben, befürchtet Patrick Iten, dass die Bergregionbewohner schneller auf die Notfallstationen der Zuger Spitäler gehen und das Personal dort überlasten.
Ob in letzter Zeit vermehrt Patientinnen aus der Bergregion in die Notaufnahme des Zuger Kantonsspitals gekommen sind, ist nicht klar. Das Spital führt keine differenzierte Statistik über die geografische Herkunft der Patienten, schreibt die Medienverantwortliche Claudia Bucher auf Anfrage.
Doch: Das Zuger Kantonsspital beobachte bereits seit mehreren Jahren, dass eine steigende Zahl von Patientinnen keinen Hausarzt mehr habe. Einige würden nicht wissen, dass dieser die erste Ansprechperson sei. Ähnliche Beobachtungen wie die im Zuger Kantonsspital würden auch andere Gesundheitseinrichtungen in der Schweiz machen, ordnet Bucher ein.
Regierung muss sich bald äussern
Patrick Iten will nun von der Regierung wissen, wie festgelegt wird, wann eine Unterversorgung vorliegt. Er fragt, wer diese Zahlen festlegt und wie dies geschieht.
Darüber hinaus will der Mitte-Politiker wissen, wieso diese Zahlen nicht regional erfasst werden. Die Arbeit in der Stadt Zug scheint für einen Arzt attraktiver zu sein als in der Zuger Bergregion. Das müsse berücksichtigt werden. Weiter will er wissen, was es benötigt, damit der Kanton eine Ausnahmeregelung macht. Mit der Anfrage will er klären, wie die «Notsituation» gelöst werden kann.
Die Antworten der Regierung werden voraussichtlich Mitte September publiziert.
Mirjam Reinhard ist im Raum Luzern aufgewachsen und verwurzelt. Sie studierte Gesellschafts- und Kommunikationswissenschaften und analysierte Medienberichte im Rahmen ihrer Bachelorarbeit. Seit Herbst 2023 schreibt sie als Praktikantin für zentralplus.