Was das elektronische Patientendossier Zug bisher kostete
Zuger können seit gut einem Jahr ein elektronisches Patientendossiers eröffnen. Doch der Weg dahin war holprig und kostete den Kanton Hunderttausende Franken, wie nun bekannt wird.
Deine Blutgruppe, das Datum deiner letzten Tetanusimpfung und wie deine Blinddarmoperation lief: Das sind medizinische Informationen, die in deinem elektronischen Patientendossier (EPD) gesammelt würden. Die Idee dahinter: Wechselst du die Krankenkasse oder deinen Arzt oder hast du einen Notfall, soll die neue Ärztin nicht erst mühsam überall deine Daten zusammenklauben müssen.
Damit sollen auch Fälle wie jener der Haehner-Praxen verhindert werden. Nachdem der Kanton Luzern vier dieser Praxen geschlossen hatte, warteten ehemalige Patienten monatelang auf ihre Akten (zentralplus berichtete).
Die gesetzliche Grundlage für das EPD trat 2017 in Kraft. Die Kantone sind dabei angehalten, ihren Einwohnern eine Möglichkeit zum Eröffnen eines Patientendossiers zu organisieren. Der Kanton Zug übernahm dabei eine Vorreiterrolle, seit gut einem Jahr kann die Bevölkerung solche Dossiers eröffnen. Bislang kam das elektronische Patientendossier in Zug aber weniger gut an. Und wie nun aus einer aktuellen Vorstossantwort hervorgeht, war der Weg dahin ein Spiessrutenlauf.
Projekt dauerte rund sieben Jahre
Konkret fragte der SVP-Kantonsrat Gregor Bruhin, wie lange der Kanton sich bereits mit dem EPD beschäftige, wer alles beteiligt sei und welche Kosten das Projekt bisher verursachte. In ihrer Antwort musste die Regierung ausholen – den der Weg dahin begann vor sieben Jahren, involviert waren mehrere Firmen und Kantone und ein Beinahe-Konkurs.
Wie die Zuger Regierung schreibt, beschäftigte sie sich bereits 2016 mit dem Patientendossier. Für sie war klar, dass der Kanton nicht alleine eine Anbieterin dafür schaffen, sondern sich mit anderen Kantonen zusammenschliessen soll. Zwei Jahre später – 2018 – kam eine Arbeitsgruppe zum Schluss, dass sich Zug den Kantonen Zürich und Bern fürs elektronische Patientendossier anschliessen soll, welche zusammen die bislang grösste Gemeinschaft bildeten.
Achtung, jetzt wird's kompliziert: Zürich und Bern waren fürs EPD-Projekt in der Cantosana AG zusammengeschlossen. Die Cantosana wiederum war zu 50 Prozent Eigentümerin der Axsana AG. Die restlichen 50 Prozent gehörten Leistungserbringerverbänden – beispielsweise dem Berner Apothekerverband oder der Ärztegesellschaft Zürich. Als Betriebsgesellschaft bot die Axsana die «XAD-Stammgemeinschaft» an, die das elektronische Patientendossiers einführen und betreiben sollte.
Im Juli 2018 kaufte die Zuger Regierung 42 Aktien der Cantosana AG zu je 100 Franken, um den Kanton als Aktionär an der Trägerfirma zu beteiligen. Die Zahl der Aktien berechnete sich proportional zur Bevölkerungszahl der beteiligten Kantone. Zudem zahlte der Kanton eine À-fonds-perdu-/Anschubfinanzierung von 186'000 Franken – sprich: Die Firma muss das Geld nicht zurückzahlen. Im Gegenzug erhielten Zuger Spitäler und Kliniken einen Rabatt von 20 Prozent auf die Gebühren, die bei der Bearbeitung der Patientendossiers anfallen. Diesem Weg folgten auch noch andere Kantone in der Deutschschweiz, darunter Luzern. Zuletzt waren es 14 Kantone, die sich zusammenschlossen.
Wegen Verzögerungen drohte Konkurs
Doch kurze Zeit später fingen die Probleme an. Eigentlich hätten die Gemeinschaften nach Gesetz ab April 2020 Dossiers anbieten sollen – doch die Zertifizierung der Axsana verzögerte sich um eineinhalb Jahre. Dies führte bei der Axsana zu Geldproblemen, da sie sich unter anderem durch Gebühren für die Eröffnung und den Betrieb der elektronischen Patientendossiers finanzieren wollte. Auch hielt der Bund seine gesprochenen Finanzhilfen zurück, da er diese erst auszahlen wollte, wenn die Firma betriebsbereit sei.
Um den drohenden Konkurs abzuwenden, schossen die Projektbeteiligten – darunter die Kantone über die Cantosana AG, der Bund und die Swisscom als Technikpartnerin – Geld ein. Der Zuger Regierungsrat zahlte der Axsana dafür im November 2021 ein rückzahlbares Darlehen von 350'000 Franken.
Trotzdem blieben die Geldprobleme bestehen. Denn der Aufbau des EPD kostete deutlich mehr, als die Kantone ursprünglich dachten. Wie die eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) in einem Bericht Anfang 2022 zur Axsana schreibt, habe sie – wie andere EPD-Gemeinschaften – unter anderem die Datenschutzanforderungen unterschätzt. Das Fazit der EFK: Die langfristige Finanzierung der Axsana für den Betrieb und die Weiterentwicklung der Patientendossiers sei nicht sichergestellt.
Post schaltet sich ein – und Zug verliert Hunderttausende Franken
Im August 2022 mischte sich die Post ein. Sie wollte die Aktienmehrheit von 75 Prozent an der Axsana übernehmen, die Swisscom wollte sich gleichzeitig komplett zurückziehen. Die Bedingung des gelben Riesen: Sie übernehme die serbelnde Firma nur, wenn diese schuldenfrei ist. Sprich: Die Swisscom verzichtet auf Forderungen von rund sechs Millionen Franken, die Kantone auf rund 1,8 Millionen Franken. Die Zuger Regierung stimmte dieser Bedingung zu – und verzichtete damit auf ihr 350'000-Franken-Darlehen. Zusammen mit der Anschubfinanzierung hatte der Kanton bis dahin rund 536'000 Franken ins Unternehmen gepumpt – Geld, das er nicht wieder sieht.
Im September 2022 übernahm die Post die Mehrheit der Axsana und benannte das Unternehmen in «Post Sanela Health AG» um. Ungefähr ein Jahr später konnten die angeschlossenen Kantone erstmals ein elektronisches Patientendossier eröffnen. Also gut sieben Jahre nach dem Zuger Projektstart und gut drei Jahre, nachdem es eigentlich vorgesehen war.
Wie die Zuger Regierung in ihrer Antwort weiter schreibt, hätten bisher 865 Zuger ein elektronisches Patientendossier eröffnet. Dafür zahlt der Kanton gemäss Vertrag mit der Post Sanela 15 Franken pro Person – also bisher 12'975 Franken.
Nachfrage bisher so lala – Bund schraubt an Gesetz
Der Aufbau des elektronischen Patientendossiers war also mit einigen Hürden verbunden – und kommt nicht mal besonders gut an. Die Kritik der Zuger Ärzte und Altersheime: Der Aufwand, die EPD in die eigenen Systeme zu integrieren, sei sehr hoch, der Nutzen sehr gering. So liessen sich die hochgeladenen Dokumente beispielsweise nicht durchsuchen, kritisiert der Präsident der Zuger Ärztegesellschaft Urs Hasse gegenüber der «Zuger Zeitung». Zudem sei die Eröffnung eines Dokuments für Patientinnen anspruchsvoll, was diese abschrecke – und den Nutzen der Dossiers weiter schmälere. Auch äussern Informatikexperten Sicherheitsbedenken (zentralplus berichtete).
Den verhaltenen Anfang nimmt auch der Bund zum Anlass, am ursprünglichen Gesetz zu schrauben. Unter anderem will er für alle Personen mit Wohnsitz in der Schweiz automatisch ein Dossier eröffnen – es sei denn, sie sprechen sich aktiv dagegen aus. Zudem sollen nebst Spitälern auch ambulante Gesundheitsfachpersonen wie Hausärztinnen oder Physiotherapeuten verpflichtet werden, einer EPD-Gemeinschaft beizutreten. Und der Bund will die EPD nicht anonymisiert für die Forschung nutzbar machen – sofern der Patient ausdrücklich zustimmt. Derzeit ist ein Ergebnisbericht zur Vernehmlassung in Arbeit.
Solltest du also noch kein Patientendossier haben, könnte es gut sein, dass für dich künftig automatisch eins erstellt wird.
Schreibt über alles, was Luzern und Zug aktuell beschäftigt. Im ländlichen Luzern aufgewachsen, hat sie beim «Entlebucher Anzeiger» ihre Begeisterung für Lokaljournalismus entdeckt. Nach einem Studium in Medienwissenschaften und Englisch ist sie seit September 2021 bei zentralplus. Nebenbei absolviert sie derzeit die Diplomausbildung Journalismus am MAZ.