Elvira Caratsch's ungewöhnliche Praxis in Baar

Von der Anwältin zur Shiatsu-Therapeutin für Tiere

Elvira Caratsch erklärt die zwölf Haupt-Meridiane anhand eines Plüschhundes. (Bild: wia)

Elvira Caratschs Lebensweg ist ungewöhnlich. Vor 14 Jahren beschloss die Anwältin, ihr Leben drastisch zu ändern. Heute arbeitet sie unter anderem als Shiatsu-Therapeutin für Mensch und Tier. Leute, die den alternativen Heilkünsten kritisch gegenüberstehen, mag die Zugerin besonders gern.

Die Hündin, die ins Behandlungszimmer von Elvira Caratsch tritt, ist nicht besonders menschenliebend. Kein Golden Retriever, der alle Menschen bereits aus der Distanz zum Freund erklärt und jeden schwanzwedelnd begrüsst. Leya ist eher zurückhaltend, die meisten Menschen sind ihr schlicht egal.

Kaum wird sie jedoch von Caratsch, einer Fremden, am Kopf berührt, legt Leya diesen auf den Boden und fordert mit der Pfote mehr Streicheleinheiten ein. Doch für diese allein ist sie nicht hier. Leya erlebt in der Praxis für Energiearbeit in Baar gerade ihre erste Zen-Shiatsu-Stunde. Dies, nachdem die Journalistin und Halterin zunächst gefragt wurde, was denn die «Themen des Tieres» seien. In diesem Fall mitunter Trennungsangst.

Der Energiefluss soll wieder ins Lot gebracht werden

Bei Shiatsu handelt es sich um eine Heilmethode aus der traditionellen chinesischen Medizin (TCM), die mittlerweile nicht nur im Westen verbreitet ist, sondern auch bei der Behandlung von Tieren Usus geworden ist.

«In der TCM kennt man zwölf Haupt-Meridiane, also Energiebahnen, welche je einem Organ zugeordnet sind. Beim Shiatsu geht es darum, Stauungen des Energieflusses zu lösen und dadurch die Selbstheilungskräfte zu aktivieren», erklärt Caratsch anhand eines weissen Plüschhundes, auf den sie mit verschiedenfarbigen Filzstiften Bahnen gemalt hat.

Anders als bei der Akupunktur und -pressur werden beim Shiatsu nicht nur einzelne Punkte, sondern die ganzen Bahnen behandelt. Dies gegen seelische sowie körperliche Beschwerden. «Das funktioniert beim Menschen und Tier gleich, da beide dieselben Energiebahnen haben.»

Diagnose mit den Händen

Nachdem die einäugige Hündin zu Beginn der Stunde mehrmals aufgeblickt hat, um ihr neues Gegenüber kennenzulernen und Streicheleinheiten zu erbetteln, beginnt sich ihr Körper sichtlich zu entspannen. Währenddessen streicht ihr die Shiatsu-Therapeutin überlappend mit den Händen in Fellrichtung. «Das dient einerseits der Diagnose, weil ich unter meinen Händen wahrnehme, wo sich beim Tier die Energie staut und wo eine Leere besteht. Andererseits beginnt damit bereits die Behandlung, da die Durchblutung gefördert, das Immunsystem gestärkt und Schmerzen gelindert werden.»

Danach fährt die Therapeutin dem Hund sanft und sehr langsam der Wirbelsäule entlang. Leya liegt regungslos da, bis Caratsch zur Schulterregion gelangt, dann zuckt das Tier leicht, und beginnt sich zu bewegen. Die Frage, ob Leya ein Problem bei den Schultern gehabt habe, ist schwer zu beantworten. Dies, weil es sich bei ihr um einen ehemaligen Strassenhund mit entsprechender Vorgeschichte handelt.

«Es ist natürlich jedem selber überlassen, worauf er sich einlassen möchte.

Elvira Caratsch, Hunde-Shiatsu-Therapeutin

Mit dem Verstand ist es nur schwer zu fassen, was hier passiert, respektive, dass hier etwas passiert. Besonders, als Caratsch sagt: «Es gibt Hunde, die lassen sich nicht berühren. Das macht jedoch nichts. Aufgrund des Energiefeldes funktioniert die Behandlung auch ohne direkten Körperkontakt, sondern auch mit etwas Abstand.»

Darauf angesprochen, dass solche Aussagen viele Leute als Hokuspokus taxieren dürften, schmunzelt sie und sagt: «Es ist natürlich jedem selber überlassen, worauf er sich einlassen möchte. Doch gibt es vieles, was wir mit unserem Verstand nicht begreifen können. Und nur weil wir es nicht nachvollziehen können, heisst es nicht, dass es nicht existiert. Ich arbeite nun seit mehr als 14 Jahren mit Energiebehandlungen und bin noch heute immer wieder aufs Neue erstaunt, was alles passiert.»

Die Behandlung lässt auch die Halterin nicht kalt

Ein grösseres Energiefeld wäre jedenfalls eine Erklärung dafür, warum die Journalistin tief bewegt ist vom Anblick der sich vor ihr abspielenden Szene. Im wahrsten Sinne des Wortes. Die Ruhe, in der sich der liegende Hund befindet, ist selbst für das phlegmatische Tier ungewöhnlich. Sein sehendes Auge blickt zwar in eine bestimmte Richtung, scheint jedoch keinen bestimmten Punkt zu fixieren. Jedenfalls nicht auf einen äusseren. Caratsch nennt diesen Zustand das «Shiatsu-Koma». «Es ist eine Tiefenentspannung, in der Heilung möglich ist.»

Sie erklärt weiter: «Wenn ich ein Tier behandle, fühle ich zunächst immer, wo es meine Hände hinzieht. Oft zeigt mir ein Tier auch selbst, wo es angefasst werden möchte.» Mittlerweile sind Caratschs Hände am hinteren Teil des Rückens angelangt. Dort scheint es zu harzen mit der Energie.

«Hunde sind dem Zen-Gedanken näher.»

Elvira Caratsch

«Hier arbeitet es stark. Man sieht das auch, indem die Muskeln um Leyas Auge zu zucken beginnen.» Kaum hat sie es gesagt, stellt sich das Schlappohr wie von selber auf. «Auch das passiert häufig. Ich arbeite hier nahe am Blasen-Meridian, der direkt am Ohr vorbeiführt.» Kurz darauf beginnt die Hündin stark zu atmen. Ein Zeichen, dass hier «gschaffed wird».

Der meditationsfähige Hund

Caratsch vermutet ein Trauma am hinteren Teil des Hundes, in der Nähe des Beckens im Bereich der Lendenwirbel. Abwegig ist das nicht, verlor Leya in ihrem Heimatland nicht nur ein Auge, sondern auch den Schwanz. Wie, weiss niemand. Aber es dürfte unschön gewesen sein.

Elvira Caratsch arbeitet an Hund Leya. (Bild: wia)

Die Shiatsu-Therapeutin sagt: «Die Behandlung von Tieren ist insofern einfacher, als sie dem Zen-Gedanken näher sind. Sie leben im Hier und Jetzt, machen sich keine Gedanken um das Gestern und das Morgen», sagt sie, während sie die Meridiane im Hüftbereich der Hündin sanft bearbeitet. «Tiere verfügen daher über eine grosse Meditationsfähigkeit. Es gibt keinen Verstand, der sie blockiert. Sie sind da, nehmen meine Impulse an und setzen sie um.»

Denn die tatsächliche Arbeit beim Shiatsu mache immer der oder die Behandelte selber. Der Körper beginne durch die Impulse zu reagieren. «Ich bin bloss das Starthilfekabel», sagt Caratsch. Unter ihr streckt sich Leya so weit wie's geht und seufzt innig. Ein gutes Zeichen, so die Therapeutin. Ein weiteres gutes Zeichen: «Der Schwanzstummel der Hündin war anfangs ganz kalt, nun ist er warm. Das bedeutet, dass hier die Energie wieder fliesst.»

Genug vom Anwaltsberuf

Elvira Caratsch kommt eigentlich aus einer ganz anderen beruflichen Ecke. Einer, in der Spiritualität so gar keinen Platz hat. Die gebürtige, im Aargau aufgewachsene Bündnerin studierte Jura, machte ihr Anwalts- und Notariatspatent und arbeitete später als Leiterin der Rechtsabteilung bei einer Finanzdienstleistungsfirma. Noch heute amtet sie als Ersatzrichterin am Obergericht des Kantons Zug.

«Ich wollte weg von diesem Konsumwahn, den ich entwickelt hatte, um mich für eine strenge Woche zu belohnen.»

2007 folgte ein abrupter Wechsel. Caratsch beschloss, sich beruflich völlig neu zu orientieren. «Ich wollte nicht nur zwei Tage in der Woche zufrieden und glücklich sein, sondern sieben. Ich wollte weg von diesem Konsumwahn, den ich entwickelt hatte, um mich für eine strenge Woche zu belohnen. Nur, um meine Käufe wenige Minuten später zu bereuen.» Noch immer mag Caratsch schöne Dinge, relativiert sie. «Aber dieses Getriebene ist weg.»

Menschen, Hunde, Katzen und Pferde

So begann für die Zugerin der Weg hin zu alternativen Heilmethoden und Energiebehandlungen wie Jin Shin Jyutsu, Quantenheilung, EFT Meridian-Klopftechnik und eben Shiatsu. Neben Menschen, Katzen und Hunden behandelt sie auch Pferde. «Ich hatte früher selbst eine Stute, dank der ich auf alternative Heilmethoden und Energiebehandlungen für Tiere aufmerksam wurde», erzählt sie.

Negatives Feedback gab es auf ihren mutigen Berufswechsel nicht. «Im Gegenteil. Die Leute bewunderten mich dafür und gestanden mir teils, dass auch sie selbst viel lieber etwas anderes täten.»

Was sie aus ihrem früheren Beruf mitnehmen konnte in ihre heutige Tätigkeit? Sie lacht, sagt: «Gewisse Kunden haben mehr Vertrauen in meine Tätigkeit, wenn sie wissen, dass ich Anwältin bin. Für sie bin ich dadurch automatisch glaubwürdiger.» Sie ergänzt: «Ich mag die kritischen Klienten sehr gerne. Dort sind die Erfolgserlebnisse besonders schön.»

Nach dem Tier wird nicht selten auch der Mensch behandelt

Nicht selten kommen Menschen mit ihren Tieren zur Shiatsu-Therapie, lassen sich später jedoch selber ebenfalls behandeln. Denn oft sei es angezeigt, das Problem des Hundes im Kontext mit seinem Besitzer anzugehen, da Mensch und Hund bekanntlich in enger Verbindung zueinander stünden. Dasselbe gelte übrigens auch für Eltern und ihre Kinder, so die Energietherapeutin.

«Es wäre sehr wichtig, dass die Schulmedizin ihren Horizont stärker öffnen und auch alternative Heilmethoden und Energiebehandlungen einbeziehen würde. Dadurch würde so viel mehr möglich», ist Caratsch überzeugt.

Verwendete Quellen
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