Die hausärztliche Notfallpraxis befand sich beim Spital Sursee. (Bild: Luks)
Nach 13 Jahren musste die Notfallpraxis Sursee schliessen. Politiker befürchteten, dass dies die Gesundheitsversorgung belastet. Nun nimmt die Regierung Stellung.
Es ist der 29. November 2024, als die Notfallpraxis in Sursee nach 13 Jahren ihren Betrieb einstellt. Dabei verloren 43 Ärztinnen ihre Anstellung.
Grund für die Schliessung: ein Bundesgerichtsurteil vom Juni 2024, das die Erhebung von sogenannten Inkonvenienz-Zuschlägen für Notfallpraxen ausserhalb der regulären Öffnungszeiten untersagt (zentralplus berichtete). Die Praxis hatte sich seit längerer Zeit mit verschiedenen Krankenkassen und der Suva bezüglich der Verrechnung dieser Zuschläge gestritten. Die Versicherungen weigerten sich, diese Pauschalen weiterhin zu zahlen und gingen gegen mehrere Notfallpraxen vor.
50 Prozent des Umsatzes weggefallen
Für die Notfallpraxis in Sursee hatte das Urteil weitreichende Folgen. «Nach dem Bundesgerichtsurteil fallen uns nun etwa 50 Prozent des Umsatzes weg», hielt Cyrill Bühlmann, Mitglied der Geschäftsleitung der Notfallpraxis Sursee AG, gegenüber der «Luzerner Zeitung» fest. Unter diesen Bedingungen sei ein wirtschaftlicher Betrieb der Notfallpraxis nicht mehr möglich gewesen.
Die Schliessung würde die Gesundheitsversorgung belasten, befürchtete Carlo Piani. Der Mitte-Kantonsrat reichte im Luzerner Kantonsparlament eine Anfrage ein, ebenso SP-Kantonsrätin Pia Engler. Nun liegen die Antworten der Regierung auf diese vor.
Weiterlesen, sonst verpasst du:
ob das Luzerner Kantonsspital das zusätzliche Patientenaufkommen auffangen kann
was das Problem an den bisherigen Abrechnungsregeln ist
warum die Notfallversorgung langfristig ungewiss bleibt
Sie zeigen: Die Notfallversorgung in Sursee bleibt dank einer Übergangslösung erhalten – doch die langfristige Strategie für hausärztliche Notfalldienste ist weiterhin ungewiss.
Die Übergangslösung: Hausärzte leisten Präsenzdienst
Bereits Ende November verkündete der Kanton eine Übergangslösung, um die Notfallversorgung im Raum Sursee sicherzustellen. Diese soll vorläufig ein Jahr dauern.
Seit dem 1. Januar hat das Luzerner Kantonsspital (Luks) am Standort in Sursee die Aufgaben, die vorhin die Notfallpraxis Sursee geleistet hat, übernommen. Dafür wurde ein «Fast Track» eröffnet, speziell für weniger schwere Beschwerden. Das LuksSursee bietet gemeinsam mit Hausärztinnen eine Erstversorgung an. Dies zusätzlich zur bestehenden Notfallaufnahme, die rund um die Uhr geöffnet ist und schwere Fälle behandelt. Der Kanton beteiligt sich mit gut 400’000 Franken an der Übergangslösung.
Wie die Regierung nun schreibt, würden gut 20 Hausärzte freiwillig Präsenzdienst leisten – ausserhalb ihrer Praxisöffnungszeiten. Dafür werden sie finanziell entschädigt.
Deutlich mehr Patienten pro Ärztin auf dem Land als in der Stadt
Die Notfallpraxis Sursee war im Notfalldienstkreis Sempach/Sursee/Wiggertal tätig. Sie versorgt Patientinnen aus 28 Gemeinden. Laut Regierung umfasst das Gebiet rund 100’000 Einwohner. Im Notfallkreis Sursee waren Ende 2024 insgesamt 43 Ärzte notfalldienstpflichtig.
Besonders im Hinterland, aber auch im Entlebuch und in Willisau ist die Lage angespannt, weil es hier nur wenige Ärztinnen gibt. So kamen im Wahlkreis Entlebuch im Jahr 2023 auf einen Grundversorger 1306 Personen; im Wahlkreis Luzern Land waren es 1139 Personen, in Willisau 1377 Personen.
In der Stadt Luzern ist die Lage deutlich entspannter: Hier kamen 2023 nur 453 Personen auf eine Grundversorgerin. Zu den Grundversorgern gehören Hausärzte mit Fachrichtungen wie Allgemeine Innere Medizin, Kinder- und Jugendmedizin sowie praktische Ärztinnen.
So hoch ist die Gefahr einer überlasteten Notfallaufnahme
Gemäss Luzerner Regierung besteht kein Grund zur Sorge. Die Schliessung der Surseer Praxis könne aufgefangen werden. Das Luks habe das Personal für den «Fast Track» aufgestockt. Ausserdem stehe die Praxis Medarium in Sursee als Walk-in-Praxis mit verlängerten Öffnungszeiten zur Verfügung. «So kann das Luks das zusätzliche Patientenaufkommen bisher auffangen», hält die Regierung fest.
Die Notfallaufnahme des LuksSursee sei zwar «gefordert», und die Wartezeiten seien insbesondere über die Weihnachtsfeiertage teilweise angestiegen. Dennoch sei die Notfallversorgung weiterhin sichergestellt.
Neues Notfall-Triage-Projekt
Das kantonale Gesundheits- und Sozialdepartement startete vergangenes Jahr ein Projekt namens «Notfall-Triage». In diesem seien alle Akteure im Bereich Notfalldienst eingebunden, wie die Regierung festhält. Das Ziel: ein Konzept zu entwerfen, wie die Behandlung und Betreuung von Notfallpatienten ressourcenschonend im ganzen Kanton sichergestellt werden können. Die Konzeptarbeiten stehen gemäss Regierung kurz vor Abschluss. Geplant sei, im laufenden Jahr mit einem Pilotprojekt in Wolhusen zu starten. Anschliessend soll das Konzept im gesamten Kanton ausgerollt werden.
Das Problem: unrentables Geschäftsmodell
Wie die Regierung schreibt, lasse sich das Geschäftsmodell der Notfallpraxis Sursee AG unter den aktuellen Tarmed-Abrechnungsregeln nicht mehr wirtschaftlich umsetzen.
«Die mittlerweile veraltete Tarifstruktur Tarmed vermag die Zusatzaufwände einer Notfallpraxis nicht ausreichend zu decken», schreibt die Regierung. Gar keine Abgeltung sieht Tarmed für die Vergütung des sogenannten Hintergrunddienstes, also den Pikettdienst, vor, den die notfalldienstpflichtigen Ärztinnen periodisch leisten müssen.
Derzeit arbeiten Leistungserbringer und Versicherer daran, die Abrechnungsregeln für Dringlichkeits- und Notfallzuschläge anzupassen. Hintergrund ist die geplante Einführung der neuen Tarifstruktur Tardoc am 1. Januar 2026. Diese Anpassung sei notwendig, damit Modelle wie die Notfallpraxis Sursee AG wirtschaftlich wieder tragfähig würden, so die Regierung.
Langfristige Lösungen noch unklar
Wie die Regierung schreibt, sei die Rechtslage seit Vorliegen der Bundesgerichtsurteile klar, es bestehe kein Spielraum mehr. Grundsätzlich stehe es der Ärzteschaft und den Krankenversicherern als Tarifpartner offen, eine Änderung der Abrechnungsregeln für den Notfall zu verhandeln. Das müsse jedoch der Bundesrat genehmigen.
Isabelle Dahinden schreibt über Menschen, Beziehungen und das Leben. Nach ihrem Studium in Gesellschafts- und Kommunikationswissenschaften begann sie im Dezember 2017 als Praktikantin bei zentralplus. 2021 schloss sie die Diplomausbildung am MAZ ab, übernahm 2023 die stellvertretende Redaktionsleitung – und ist seit April 2025 Co-Redaktionsleiterin. Sie verantwortet das Ressort Gesellschaft.