Regierung will Riesensumme in private Notfallpraxis pumpen
Der Zuger Gesundheitsdirektor Martin Pfister erklärt, warum der Kanton die Notfallpraxis im (aber nicht vom) Kantonsspital retten soll. (Bild: zvg)
Die Notfallpraxis der Zuger Ärzte-Gesellschaft kämpft ums Überleben. So sehr, dass sich der Regierungsrat gezwungen sieht, viel Geld einzuschiessen – und beim Kantonsrat noch viel mehr Geld beantragt.
Zugerinnen, die abends, an Wochenenden oder Feiertagen zum Arzt wollen, müssen künftig schlimmstenfalls direkt auf die Notfallstation im Kantonsspital. Denn die sich im selben Gebäude befindende private Notfallpraxis der Zuger Ärzte-Gesellschaft steht vor dem Aus. Die Zuger Regierung will sie nun retten und beschliesst eine Finanzspritze.
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Wie Regierungsrat Martin Pfister auf Anfrage von zentralplus bestätigt, hat die Zuger Regierung der Notfallpraxis bereits Geld zugesichert. 400’000 Franken fliessen für den Zeitraum von Januar bis August 2025. Damit schöpft die Regierung ihren Spielraum bis auf ein Sicherheitspolster von 100’000 Franken aus. Für weitere Gelder hofft sie auf die Unterstützung des Kantonsrats.
So viel Geld will die Regierung jährlich
Die Regierung beantragt dem Kantonsrat jährliche Zahlungen von 600’000 Franken. Am 20. Februar ist das Geschäft traktandiert. Dabei werden die Parlamentarierinnen nicht nur über eine einmalige Zahlung befinden. Martin Pfister möchte die Notfallpraxis stattdessen so lange unterstützen, bis eine nachhaltige Regelung auf tariflicher Ebene gefunden ist.
Hintergrund der finanziellen Misere sind nämlich mehrere Urteile des Bundesgerichts und ein Knatsch zwischen Krankenkassen und Notfallpraxen, Permanencen und Walk-in-Kliniken.
Um aus der Misere wieder rauszukommen, müssten sich die Krankenkassen mit den Notfallpraxen, Permanencen und Walk-in-Kliniken einigen. Dies könne Wochen, Monate oder Jahre dauern, sagt Pfister. Die Sache sei kompliziert, weil für verschiedene Praxen verschiedene Lösungen hermüssten. Mit der Unterstützung des Kantons könne der Betrieb der Notfallpraxis in der Zwischenzeit aufrechterhalten werden.
So schockt das Bundesgericht die Branche
Jahrelang verrechneten deren Ärztinnen Notfallpauschalen und wälzten sie auf die Krankenkassen über.
Ein Grossteil dieser Gelder wurde gemäss Bundesgericht zu Unrecht kassiert (siehe Box). Die Notfallpauschalen dürfen darum nicht mehr verrechnet werden. Doch damit nicht genug: Die Entscheide gelten rückwirkend. Sprich: Die Krankenkassen können Notfallpauschalen, die sie in den letzten fünf Jahren ausbezahlt haben, bei den Praxen zurückfordern. Was sie nun auch tun, wie Peter Studer, Rechtsanwalt und Verwaltungsrat der Zuger Ärzte-Gesellschaft, bestätigt.
«Wir sind mit Rückforderungen von Krankenkassen konfrontiert und sind in Verhandlungen über tragbare Lösungen», sagt Studer. Gleichzeitig müssten die Praxen sicherstellen, dass sie künftig kostendeckend arbeiten können.
Darum geht der Notfallpraxis der Zuger Ärzte-Gesellschaft das Geld aus
Der Zuger RegierungsratMartin Pfister ist bemüht, hervorzuheben, dass sich die Notfallpraxis der Zuger Ärzte-Gesellschaft von Permanencen oder Walk-in-Kliniken unterscheide. Letztere hätten auch tagsüber geöffnet, die Notfallpraxis in Baar aber nur abends, an Wochenenden oder Feiertagen.
«Die Notfallpraxis der Zuger Ärzte-Gesellschaft weist somit eine ganz andere Kostenstruktur auf», sagt Pfister.
Denn wegen der Öffnungszeiten entstehen Mehrkosten in Form von Abend- und Wochenendzuschlägen. «Wir müssen wegen unserer Öffnungszeiten allen Mitarbeitenden Abend- und Wochenendzuschläge zahlen und bleiben nun auf diesen Mehrkosten sitzen», erklärt Peter Studer.
Wie viele Notfallpauschalen entfallen, bleibt unklar
Wie oft in den letzten fünf Jahren Notfallpauschalen verrechnet worden sind, verrät Studer nicht. Doch die eingeforderten Rückzahlungen und die nun entfallenden Einnahmen dürften anteilsmässig hoch sein.
Diese Vermutung stützt ein Artikel im Branchenmagazin «Medinside». Vor vier Jahren stand dort, dass die Notfallpraxis der Zuger Ärzte-Gesellschaft 99 Prozent ihrer Behandlungen als Notfälle abrechne. Zu viele, fand damals unter anderem die Luzerner Versicherung CSS.
«Wir konnten dies mit den Krankenkassen klären und hatten in der Folge keine Beanstandungen mehr von ihnen», betont Studer. Es dürfte zu einer Kompromisslösung gekommen sein. Doch auch diese Lösung verbot das Bundesgericht mit ihren Urteilen.
Es braucht nun also eine Finanzspritze des Kantons. Und weitere könnten folgen.
Warum die Notfallpraxis reanimiert werden soll
Schlimmstenfalls hängt die Notfallpraxis der Zuger Ärzte-Gesellschaft also jahrelang am Tropf. Auch wenn die Zuger Regierung lediglich von einer «Überbrückungsfinanzierung» spricht.
Gesundheitsdirektor Martin Pfister erklärt, warum er die Rettung trotz der hohen Kosten befürwortet. Die Notfallpraxis entlaste die Notfallstation des Zuger Kantonsspitals und ermögliche bei hausärztlichen Notfällen eine «deutlich schnellere und kostengünstigere» Behandlung.
Die Notfallstation des Zuger Kantonsspitals könne sich dank der Notfallpraxis auf die schweren, lebensbedrohlichen Notfälle konzentrieren, sagt auch Peter Studer. Zudem seien die Haus- und Kinderärzte der Notfallpraxis bei der Behandlung von nicht lebensbedrohlichen Notfällen erfahrener, effizienter und kostengünstiger.
Für Studer ist darum klar: «Die Prämienzahler, die Patienten und auch die Krankenkassen profitieren davon, dass es uns gibt.»
«Arbeitsplätze stehen auf dem Spiel»
Die Anspannung sei seit Monaten spürbar, erwidert Studer, auf die Stimmung bei den Mitarbeiterinnen der Notfallpraxis angesprochen. Auch, weil viele Arbeitsplätze auf dem Spiel stünden. «Die Unterstützung durch den Regierungsrat und hoffentlich auch durch den Kantonsrat macht uns jedoch Mut und gibt Zuversicht, dass die Zuger Notfallpraxis auch in Zukunft im bisherigen Rahmen weiterbetrieben werden kann», sagt Studer.
Einst Moderator und Redaktor beim Radio 3FACH und bei Jam On Radio, schreibt Joel Dittli seit 2023 bei zentralplus. Um auch den künftigen Herausforderungen im Medienalltag gewachsen zu sein, absolviert er die «Diplomausbildung Journalismus» am MAZ Luzern. Als Reggae-Musiker und FCL-Fan ist er am Wochenende oft in Kulturlokalen oder Fussballstadien anzutreffen.