Wie sollen Demenzkranke betreut werden? Diese Frage führt zu Diskussionen in Sempach. (Bild: Symbolbild: Adobe Stock)
Der Sempacher Stadtrat will mit seinem Neubauprojekt «Meierhöfli» die Demenzkranken nicht separat betreuen. Das kritisiert eine Sempacherin. Nun sammelt sie Unterschriften.
Das Alters- und Pflegezentrum Meierhöfli in Sempach plant eine neue Infrastruktur. Das heutige Gebäude soll in den kommenden Jahren durch einen Neubau ersetzt werden. Darin ist allerdings keine spezialisierte Abteilung für demenzkranke Personen vorgesehen. Obwohl dies beim Neubau von Pflegezentren heute eigentlich in den allermeisten Fällen so geplant wird.
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weshalb eine Sempacherin eine Petition lanciert hat
Bemerkt hat das Beatrice Frey-Hässig. Nomen est omen. «Ja, hässig bin ich gewesen zu Beginn», sagt die umtriebige Sempacherin. «Inzwischen hat sich das wieder etwas gelegt.» Ihr sei es unverständlich, weshalb der Stadtrat die besonderen Anforderungen in der Betreuung von Demenzkranken nicht erkannt und in der Folge bei der Konzeption des Neubaus Meierhöfli nicht berücksichtigt habe.
Zusammen mit anderen Personen betreut
«Demenzkranke müssen ebenerdig untergebracht werden», sagt sie. «Ausserdem brauchen sie freien Auslauf und benötigen speziell geschultes Personal. Sie können nicht gemeinsam mit anderen Pflegebedürftigen betreut werden.»
Dies alles habe der Sempacher Stadtrat aber gar nicht vorgesehen. In einer Präsentation des Projekts vom 22. September 2024 heisst es lediglich, dass die Demenzkranken zusammen mit den anderen Pflegebedürftigen gemäss einem integrativen Konzept betreut werden sollen.
Einseitiger Fokus?
Hat sich der Stadtrat vor allem auf die Eignerstruktur konzentriert und sich nicht Pflegekonzepten in Verbindung mit organisatorischen Anforderungen wie auch spezifischem Fachwissen gewidmet? Diesen Eindruck hat Beatrice Frey-Hässig.
Ihr sei das erst nach der Gemeindeversammlung vom September 2024 bewusst geworden. «Für die meisten Sempacher schien das in Ordnung zu sein, dass von Demenzkranken die Rede war und diese integrativ betreut würden. In Tat und Wahrheit ist dieses Konzept aber gar nicht umsetzbar», ist Beatrice Frey-Hässig überzeugt.
Petitionärin holt sich Unterstützung von linker Seite
Ihr Anliegen sei an der Gemeindeversammlung vom 28. November nicht recht ernst genommen worden. Daraufhin beschloss sie, eine Petition zu lancieren. Nur hatte sie dies vorher noch gar nie gemacht. «Ich habe dann zum Glück ein offenes Ohr bei Andri Hummel, dem Co-Präsidenten der SP Sempach, gefunden», erzählt die Sempacherin. «Er hat mich von Anfang an unterstützt und mir unter die Arme gegriffen.»
Sie ist überzeugt, dass das gegenwärtige Projekt des Stadtrats Sempach nicht dem Volkswillen der Sempacher entspricht. Zumindest nicht in Hinsicht der Betreuung von Demenzkranken. Werde es der Bevölkerung erst einmal bewusst, was das für Angehörige – Mütter, Väter, Geschwister und Partner – im Endeffekt bedeuten würde, werde es Reaktionen geben.
SP: Betroffene brauchen sichere Umgebung
«Es ist zu befürchten, dass Angehörige, die zeit ihres Lebens in Sempach und Umgebung verbracht haben, dann nicht im Meierhöfli in Pflege gehen dürfen, sondern ausquartiert werden», sagt Beatrice Frey-Hässig. Das könnte dann durchaus ziemlich weit weg von Sempach sein, dort, wo es eben eine solche spezielle Abteilung für die Betroffenen gibt – im Gegensatz zu Sempach. Das könne nicht im Interesse der Bevölkerung sein, ist sich Beatrice Frey-Hässig sicher.
Die SP äussert sich in einer Medienmitteilung ebenfalls zu den Plänen. Das Schreiben ist ein Plädoyer für eine spezialisierte Demenzabteilung im geplanten Neubau des Meierhöfli. Die betroffenen Personen bräuchten eine sichere Umgebung, heisst es. Dazu seien klare Orientierungshilfen und reduzierte Reizüberflutungen zur Stressminimierung wichtig. Diese Rahmenbedingungen könnten nur durch bauliche Massnahmen erreicht werden.
Demenzkranke drohen den normalen Betrieb zu stören
Die Mitteilung der SP geht auch auf die geplante Lösung der integrierten Betreuung ein. Denn dadurch würden – so die Sozialdemokraten – das Pflegepersonal wie auch die Demenzkranken überfordert. Andri Hummel differenziert auf Anfrage zwischen leichteren und schwereren Demenzfällen. Erstere könnten durchaus in einem integrativen Modell betreut werden.
Für schwerere Fälle brauche es aber viel mehr. Zu den bereits erwähnten Bedenken fügt er noch zwei weitere Argumente hinzu. «In einer integrierten Betreuung wäre wäre das Personal zu stark auf die schwer Demenzerkrankten fokussiert.» Und: «Demenzerkrankte können durch aggressives oder lautes Verhalten die anderen Bewohnenden stören.»
SP fordert Anpassungen bei der Planung
Für Andri Hummel ist klar: «Es wäre ideal gewesen, wenn eine Grundsatzentscheidung bei der Projektausschreibung für eine spezialisierte Abteilung vorausgegangen wäre. Zweitens scheint es uns, dass entweder der Stadtrat sich nicht durch entsprechende Fachpersonen beraten liess oder er deren Argumente bewusst ignorierte.»
Hummel verweist auf Erfahrungen aus anderen Gemeinden. So hätten solche (beispielsweise Adligenswil) ihr frisch erstelltes Pflegezentrum einem Umbau unterziehen müssen, damit eine Spezialabteilung für Demenzkranke im Nachhinhein noch habe integriert werden können. Die SP erwartet nun vom Stadtrat, dass er sich beraten lässt und in der Folge Anpassungen bei der Planung vornimmt.
Das entgegnet der Stadtrat auf die Kritik
Stadtpräsident Jürg Aebi (Mitte) sagt auf Anfrage: «Wir haben heute Morgen erfahren, dass eine Onlinepetition gestartet worden ist.» Er stellt in Aussicht: «Inhaltlich wird der Stadtrat dazu Stellung nehmen, wenn diese Petition definitiv vorliegt.» Die Antwort auf die Petition hat gemäss Gemeindeordnung innerhalb von 6 Monaten zu erfolgen.
Jürg Aebi ist in corpore zudem auch noch Verwaltungsratspräsident der Meierhöfli AG. Auch in dieser Funktion äussert er sich. «Selbstverständlich hat sich der Verwaltungsrat der Meierhöfli AG respektive seine eingesetzte Baukommission auch zum Thema ‹Versorgung dementer Bewohnerinnen und Bewohner im zukünftigen Meierhöfli› Gedanken gemacht.»
Momentan verfolge der Verwaltungsrat das Modell der integrativen Pflege, in welchem bereits heute im Meierhöfli durchaus auch schwerer demente Bewohner betreut würden. Weiter sagt er: «Im bestehenden Bauprojekt ist das Thema adressiert mit der Anforderung, dass bei Bedarf teilautonome, spezialisierte Abteilungen gebildet werden können.»
Die Auseinandersetzung in der Stadt Sempach zum Thema Neubau und Pflege «Meierhöfli» ist damit lanciert.
Redaktor bei zentralplus mit Themen-Schwerpunkten Politik und Kultur. Hat an der Universität Zürich Germanistik, Kunstgeschichte und Philosophie studiert. Als ehemaliger Triathlet nach wie vor begeisterter Läufer, Rennradfahrer und Schwimmer.