Spital der Hirslanden-Gruppe verliert Grundversorgung

Andreasklinik Cham: Direktorin prüft rechtliche Schritte

Yvonne Hubeli, die neue Direktorin der Andreasklinik, wehrt sich gegen den Leistungsabbau. (Bild: zvg)

Gegen den Willen der Zuger Ärztegesellschaft, der «IG Wahlfreiheit», einer Petition mit mehr als 5000 Unterschriften und der Andreasklinik der Hirslanden-Gruppe selbst: Der Kanton Zug streicht der Chamer Andreasklinik diverse Leistungen, darunter die Grund- und Notfallversorgung. Die Hirslanden-Gruppe will rechtliche Schritte prüfen.

Der Widerstand aus der Bevölkerung war zwecklos. Mit der Gründung der «IG Wahlfreiheit» engagierten sich Politikerinnen und Unternehmer aus Cham für einen Weiterbetrieb der Andreasklinik wie bisher (zentralplus berichtete). Ihre Petition wurde von 5700 Personen unterschrieben.

Die Regierung plant, die Angebote in den einzelnen Spitälern besser zu bündeln. Davon erhofft sie sich bessere Aufgabenteilung und mehr Effizienz. Die neue Spitalliste entzieht der Andreasklinik daher den Leistungsauftrag für die Grund- und Notfallversorgung (Basispaket) und für rund ein Dutzend weitere Leistungsgruppen.

Der Kanton Zug veröffentlichte am Mittwoch die Spitalliste 2023 (zentralplus berichtete). Sie legt fest, welche Leistungen zukünftig in der Andreasklinik in Cham und welche im Zuger Kantonsspital durchgeführt werden. Die letzte Liste stammt aus dem Jahr 2012 und wurde vom Regierungsrat jetzt angepasst.

Wahlfreiheit infrage gestellt

Das Zuger Kantonsspital wird für die Grundversorgung zuständig bleiben, während die Andreasklinik ein Angebot an Wahleingriffen anbieten kann, schreibt die Regierung am Mittwochmorgen. So etwa in der Orthopädie, Wirbelsäulenchirurgie, Gynäkologie, HNO und Urologie. Der Kanton argumentiert, dass die Distanz von fünf Kilometern zwischen den Kliniken «keinerlei Einschränkung der Zugänglichkeit der Versorgung mit sich bringt».

«Die Spitalliste entspricht nicht dem heutigen und schon gar nicht dem zukünftigen Bedarf der Zuger Bevölkerung an medizinischen Leistungen.»

Yvonne Hubeli, die neue Direktorin der Andreasklinik

Nicht nur die «IG Wahlfreiheit», sondern auch die Ärzte-Gesellschaft des Kantons Zug sehen das anders. Die Ärzte hatten den Regierungsrat in einem Brief gebeten, die Andreasklinik mit unverändertem Leistungsauftrag auf der Spitalliste zu belassen. Andernfalls käme es zu einer deutlichen Verschlechterung der Gesundheitsversorgung der Zuger Bevölkerung.

Grosses Unverständnis bei der Hirslanden-Gruppe

Auch in der Andreasklinik gibt es grosses Unverständnis. «Der Regierungsrat hat unsere Erläuterungen, wonach ein Abbau der Grund- und Notfallversorgung im Kanton Zug negative Konsequenzen für die Bevölkerung haben wird, schlicht ignoriert», sagt Stéphan Studer, Chief Operating Officer von Hirslanden.

Yvonne Hubeli, die neue Direktorin der Andreasklinik der Hirslanden-Gruppe, will rechtliche Schritte prüfen.

Die Hirslanden-Gruppe prüft eine Anfechtung der neuen Spitalliste beim Bundesverwaltungsgericht. «Aus unserer Sicht ist die Planung nicht bedarfsgerecht», sagt Yvonne Hubeli, die neue Direktorin der Andreasklinik. «Sie entspricht nicht dem heutigen und schon gar nicht dem zukünftigen Bedarf der Zuger Bevölkerung an medizinischen Leistungen. Das ist der Grund, warum wir uns dagegen wehren.»

Geburten und Notfallversorgung sind Augenwischerei

Im Zentrum der Kritik immer wieder dieselben zwei Leistungen: Geburten und Notfallversorgung. In der Spitalliste 2023 wird nun festgehalten, dass die Geburtenversorgung und eine Notfallpraxis in Form einer «Permanence» in der Klinik bleiben können. Doch für Jean Luc Mösch von der «IG Wahlfreiheit» ist das Augenwischerei.

«Es wird doch keine Hebamme in die Andreasklinik kommen, wenn sie weiss, dass die Abteilung in einem Jahr vielleicht schliesst.»

Jean Luc Mösch von der «IG Wahlfreiheit»

Die 1000 Mitarbeiter des Zuger Kantonsspitals betreuen jedes Jahr 11'000 stationäre und 50'000 ambulante Patientinnen. (Bild: zvg)

Die Geburtenabteilung sei auf zwei Jahre befristet, das widerspreche jeder Rechts- und Planungssicherheit. «Es wird doch keine Hebamme in die Andreasklinik kommen, wenn sie weiss, dass die Abteilung in einem Jahr vielleicht schliesst.»

Auch die Notfallpraxis sieht er kritisch.«Das System kollabiert. Und dann reduziert man die Notfallversorgung in der Andreasklinik auf eine Permanence», kritisiert Mösch. Eine «Permancence» sei nicht mehr als eine «Pflästerli-Abteilung.»

Die Regierung habe mehr als 5000 Stimmen ignoriert

Die «IG Wahlfreiheit» hat bis dato 5700 Unterschriften gesammelt und ihre Petition eingereicht. 1500 Kommentare von Privatpersonen sind auf der Website eingegangen. «Es ist enttäuschend, dass die Regierung in keiner Art und Weise unser Votum beachtet hat. Sie hat ihre Ziele einfach pragmatisch durchgezogen», sagt Mösch.

«Der Gesundheitsdirektor konnte uns aber nie sagen, was wir genau einsparen.»

Jean Luc Mösch

Ein Beispiel auf der Website: «Für mich ist es wichtig, dass es nicht nur eine Notfallklinik im Kanton Zug gibt. Mich würden keine tausend Pferde nach Baar bringen in einen Notfall. In der Andreasklinik bist du Patient, in Baar nur eine Nummer», schreibt eine wütende Zugerin.

Die Andreasklinik ist kleiner und übersichtlicher als das Kantonsspital Zug. (Bild: Hirslanden AndreasKlinik Cham)

Dass der Schritt der Regierung zumindest Kosten spart, bezweifelt Mösch ebenfalls: «Die Kostenfrage wollten wir immer aufklären. Der Gesundheitsdirektor konnte uns aber nie sagen, was wir genau einsparen.» Der Mann von der IG warnt vielmehr, dass ein Ausbau des überlasteten Kantonsspitals den Kanton in Zukunft viel Geld kosten könnte.

Effiziente Aufgabenverteilung auch über Kantonsgrenzen

Für die spezialisierte und hoch spezialisierte medizinische Versorgung der Zugerinnen werden nach wie vor das Kantonsspital Luzern und das Universitätsspital Zürich zuständig sein. Auch die Kinderspitäler Zürich und Luzern werden eingebunden, heisst es in der Medienmitteilung der Regierung.

Dass es im Vorfeld auch Kritik am «Outsourcing» gab, kann der Zuger Gesundheitsdirektor Martin Pfister nicht verstehen. «Gehört das nicht eben genau zur Wahlfreiheit der Patienten?», fragte er eine Reporterin von zentralplus im September lakonisch (zentralplus berichtete).

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