Kein Durchatmen nach Corona

Grippe- und RS-Viren: Luzerner Kantonsspital steht unter Druck

Sowohl die Grippe als auch Atemwegserkrankungen durch das RS-Virus können gefährlich werden. (Bild: Symbolbild: AdobeStock)

Die Grippe-Welle rollt über die Schweiz. Gleichzeitig kämpft das Luzerner Kantonsspital mit RS-Viren, besonders auf der Kinderstation. Ein möglicher Grund für beides: Die Schweizer sind Europas Schlusslicht beim Infektionsschutz.

Alles schnieft, die Büros sind nur halb besetzt und die Kinder bleiben zu Hause. Mit dem ersten Schnee und den Weihnachtsmärkten ist auch die Grippe wieder da. Oder allenfalls die altbekannte Erkältung. Diese Woche hat der Bund über die neuste Grippe-Welle informiert und auch in Luzern stehen die Gesundheitseinrichtungen unter Druck.

«Wir gehen von einem leicht früheren Beginn der Grippeepidemie aus.»

Bundesamt für Gesundheit

Am Montagmorgen schlägt das Luzerner Kantonsspital (Luks) Alarm. Die Kinderabteilung sei aufgrund der RS-Viren hoffnungslos überlastet, schreibt das Spital in einer Medienmitteilung. Sie suchen nach Pflegepersonal, das spontan einspringen kann und den überlasteten Pflegern zu Hilfe kommt. Gleichzeitig warnt das Spital vor der «Akuten Bronchiolitis» – die besonders für Kleinkinder gefährlich ist.

Die Grippefälle kommen dieses Jahr früher

Die Grippe-Welle rollt über die ganze Schweiz. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) stelle einen starken Anstieg der Konsultationen wegen grippeähnlichen Erkrankungen fest, wie es in ihrem Monitoring schreibt. So habe es in dieser Woche 89 Konsultationen wegen grippeähnlicher Erkrankung pro 100'000 Einwohner gegeben – fast doppelt so viele wie in der Woche zuvor.

Statistik_grippeähnliche Erkrankungen
Wöchentliche Anzahl der Konsultationen aufgrund grippeähnlicher Erkrankung, hochgerechnet auf 100 000 Einwohner/innen.

Wie die Grafik zeigt, gehen Schweizerinnen wegen Grippesymptomen dieses Jahr seit Mitte November vermehrt zum Arzt. 2022 befindet sich damit im Mittelmass der letzten Jahre. Der Zeitpunkt der Grippe-Welle ist bekanntermassen stark saisonabhängig.

Doch nicht zu früh gefreut: Die effektiven Fallzahlen der Grippe liegen 2022 über dem Niveau der letzten vier Saisons. Aufgrund dessen geht das BAG von einem leicht früheren Beginn der Grippeepidemie aus. Der Zusammenhang mit Covid-19 ist dabei nicht restlos geklärt.

Covid-19-Zahlen in Luzern sind stabil – Grippe-Fälle steigen

Die Zahlen scheinen hoch, müssen aber genau auseinandergenommen werden, warnt das BAG. Beide Viren, die Grippe und Covid-19, grassieren zurzeit in der Schweiz. Da beide ähnliche Symptomatiken verursachen, bedeuten nicht alle Grippe-Konsultationen, dass es sich auch um Grippe-Erkrankte handelt.

Doch in Luzern verharren die Covid-19-Zahlen auf tiefem Niveau. «Die Anzahl an Patienten, die wegen Covid-19 behandelt werden müssen, ist stabil», hält ein Mitarbeiter des Kantonsspitals Luzern gegenüber zentralplus fest. Das zeigen die Daten der Corona-Statistik: Im Kanton Luzern hat es in der letzten Woche 60 neue Fälle gegeben, 22 Personen davon sind ins Spital gekommen. Keiner der Betroffenen wird beatmet.

Luzerner Kinderspital sucht händeringend Unterstützung

Deutlich alarmierendere Töne gibt es von der Kinderstation. «Wir gelangen aufgrund der vielen Kinder mit einer RSV-Infektion zusehends an unsere Kapazitätsgrenzen», schreibt das Luzerner Kantonsspital am Montagmorgen. Der Respiratorische-Synzytal Virus (RSV) bewirkt eine starke entzündliche Schleimhautschwellung, was zur Verstopfung der Atemwege führt.

Der Druck auf das Kinderspital ist so gross, dass jetzt öffentlich nach Pflegefachpersonen gesucht wird – zur temporären Unterstützung des überlasteten Personals. Zuvor hatte das Spital seinen Angestellten bereits mehr Geld angeboten, wenn sie für Kollegen «einspringen». Ausserdem wurden nicht zwingende chirurgische Eingriffe stark reduziert – um Bettenkapazitäten zu schaffen.

Bei Kleinkindern können Infektionen der Atemwege lebensbedrohlich werden. (Bild: Symbolbild / zvg)

Das Virus verursacht in vielen Fällen eine «Akute Bronchiolitis». Die Virusinfektion befällt die allerkleinsten Atemwege (Bronchiolen) und ist die häufigste Infektionskrankheit der unteren Atemwege bei Kleinkindern im ersten Lebensjahr.

«Im Vergleich zum europäischen Ausland wird in der Schweiz ein geringerer Abstand zu anderen Personen gehalten und belebte Orte werden weniger häufig gemieden.»

STADA Health Report 2022

Erste Anzeichen für eine Infektion sind eine laufende Nase, Fieber und leichter Husten. Später treten Atembeschwerden auf, bis hin zu Atemnot. Zur Prävention empfiehlt das Spital, Kinder vor Erwachsenen mit Atemwegssymptomen abzuschirmen. Auch Menschenansammlungen wie in Restaurants und bei Familienfesten sollten mit Kleinkindern gemieden werden.

Die Schweizer gehen sorglos mit Infektionskrankheiten um

Wie es der Zufall so will, sind gleichzeitig mit der Warnung des Kantonsspitals neue Daten zum Umgang mit Infektionskrankheiten erschienen. Im Vergleich zum europäischen Ausland wird in der Schweiz ein geringerer Abstand zu anderen Personen gehalten und belebte Orte werden weniger häufig gemieden.

Das ergeben Daten des STADA Health Report 2022, einer repräsentativen Umfrage mit 30'000 Teilnehmerinnen in 15 europäischen Ländern. Die Schweiz zeichnet sich dabei mit weniger Hausarztbesuchen und kaum Masken als in allen anderen untersuchten Ländern aus.

Ostschweizer legen gern die Maske ab, Zentralschweizer finden Abstandhalten doof. (Symbolbild: Adobe Stock)

Ein Grund für den «entspannteren» Umgang mit Infektionen könnte das Vertrauen in die Gesundheitsversorgung sein. 84 Prozent der Schweizerinnen zeigten sich zufrieden mit dem Schweizer Gesundheitssystem. Die Zahlen liegen weit über dem europäischen Durchschnitt.

Weiter unterscheiden sich die Schweizer auch innerhalb der Landesgrenzen. Die regionalen Unterschiede im Kampf gegen Erkältungen und die Grippe sind enorm. Unter Tessinern gaben mehr als 50 Prozent an, Abstand zu anderen zu halten – in der Zentralschweiz nicht einmal ein Viertel. Bei den Masken dasselbe Bild: im Tessin beliebt, in der Ostschweiz fast gänzlich verschwunden.

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