Debatte um Wohlfühltage in Luzern

Die gefährliche Welt der Wunderheiler

Heilversprechen abzugeben ist verboten – das gilt für Ärztinnen genauso wie für Wunderheiler. (Bild: Symbolbild Adobe Stock)

Krebs heilen per Skype? Solche Versprechungen zu machen ist heikel. Wie sieht die Rechtslage aus? Diese Frage stellt sich im Zusammenhang mit den Wohlfühltagen in der Messe Luzern.

Eine unheilbare Krankheit löst in einem Menschen viel aus: Angst, Wut, Trauer und Depressionen. Betroffene versuchen, einen neuen Sinn im Leben zu finden. Sie sind in dieser Phase besonders verletzlich. Umso verwerflicher ist es, daraus Profit zu schlagen.

Das Thema wird in Luzern gerade heiss diskutiert. Dies, weil die links-alternative Gruppierung Resolut den Organisatoren der Wohlfühltage vorwirft, dass Referenten an der Esoterik-Messe mit falschen Heilversprechen schwer kranke Menschen ausnehmen (zentralplus berichtete).

Heikler Satz verschwindet von der Website

Untermauert wird der Vorwurf unter anderem mit einem Verweis auf das Programm. Darin wird ein Workshop des Berners Patric Pedrazzoli angekündigt. Er schreibt über sich selber Folgendes: «Von mir behandelte Menschen erlebten Heilung von Parkinson und Krebs, Blinde konnten wieder sehen und chronische Schmerzen sowie Depressionen und Burnouts verschwanden.»

«Heilsversprechen sind grundsätzlich unzulässig.»

Gesundheits- und Sozialdepartement (GSD) des Kantons Luzern

Werden da «verzweifelte Menschen, die oft ohnehin nicht viel Geld haben» finanziell ausgenommen, wie Resolut behauptet? Ist das gefährlich, weil solche Behandlungen «echte Therapieformen verzögern oder verhindern»?

Klar ist: Nachdem zentralplus den öffentlichen Brief thematisiert hat, verschwand der inkriminierte Satz umgehend von der Website des Berners.

Jeder kann spiritueller Heiler werden in Luzern

Streng sprachlich betrachtet behauptet Patric Pedrazzoli zwar nicht, dass die Heilung wegen seiner Behandlung erfolgte. Dieser Zusammenhang wird aber klar suggeriert. Und das ist heikel.

«Heilsversprechen sind grundsätzlich unzulässig», schreibt das Gesundheits- und Sozialdepartement (GSD) des Kantons Luzern auf Anfrage. Das Problem: Jeder, der will, kann sich beispielsweise «spiritueller Heiler» nennen und entsprechende Dienstleistungen anbieten.

Es braucht dafür keine Bewilligung vom Kanton. Dies im Gegensatz zu anerkannten Naturheilpraktikerinnen in den Bereichen Homöopathie, Traditionelle Chinesische Medizin und Ayurveda-Medizin. Diese Tätigkeiten sind bewilligungspflichtig.

Vom Arzt abhalten: Das ist verboten

Trotzdem haben auch spirituelle Heilerinnen gewisse Pflichten: «Insbesondere haben sie alles zu unterlassen, was (...) Personen davon abhalten könnte, einen Arzt oder eine anderweitige medizinische Hilfe in Anspruch zu nehmen», heisst es von Seiten des GSD.

Wer sich nicht daran hält, riskiert ein Berufsverbot. Denn auch nicht bewilligungspflichtige Betriebe – Anbieterinnen von Wohlfühlmassagen, Handauflegen, Kneipen oder geistigem Heilen – werden kontrolliert, wenn der Kanton Meldungen bekommt, die auf «aufsichtsrechtlich relevantes Verhalten schliessen lassen».

Um gegen Scharlatane und schwarze Schafe unter den Naturheilern vorzugehen, kann die Dienststelle Gesundheit auch die Ausübung eines nicht bewilligungspflichtigen Berufs verbieten, «wenn diese dadurch ihre Kunden an Leib und Leben gefährden.»

Wenn die Opfer schweigen, wird es schwierig

Kommt es wegen einer Heilbehandlung zu schweren körperlichen Schäden oder gar zum Tod, so droht ein Strafverfahren. Eigentlich von Amtes wegen, denn es handelt sich um Offizialdelikte.

In der Praxis ist es aber schwierig, einen entsprechenden Verdacht zu erhärten, wenn Patientinnen oder Angehörige nicht von sich aus aktiv werden. Das zeigt ein Fall, mit dem sich kürzlich die Luzerner Staatsanwaltschaft auseinandersetzen musste.

Krebs: «Hochstapler-Arzt» gibt Heilversprechen an

Angestossen hatte den Fall ein Luzerner Jurist, dem die Geschichte von einer anonymen Quelle geschildert wurde. Diese erzählte ihm von einer Person aus ihrem Bekanntenkreis, die sich von Gesundheitsberatern behandeln liess, die in Luzern eine umstrittene Heilmethode anbieten.

Deren «Erfinder» warb bis 2015 damit, bei der Behandlung von über 35'000 Krebspatienten eine Heilungserfolgsquote von 92,3 Prozent zu haben. In deutschen Medien wird der Mann als «Coronaleugner» und «Hochstapler-Arzt» bezeichnet.

Gemäss der anonymen Quelle litt die Person an gesundheitlichen Problemen, die sie zunächst medizinisch behandeln liess. Nachdem sie die Gesundheitsberater konsultiert hatte, habe sie die Therapie allerdings schrittweise beendet, weil diese starke Nebenwirkungen hatte.

Kurzzeitig sei es der Person besser gegangen, bevor sich ihr Gesundheitszustand schliesslich stark verschlechterte. Die Person habe sich weder von Verwandten noch von Freunden überzeugen lassen, dass sie dringend ärztliche Hilfe benötigte. Inzwischen sei sie verstorben.

Blosse Gerüchte oder Vermutungen genügen nicht

Für den Juristen ist klar, dass die Gesundheitsberater dies zu verantworten haben. Er hat diese unter anderem wegen Körperverletzung sowie eventualvorsätzlicher Tötung angezeigt. Allerdings ohne Erfolg. Die Staatsanwaltschaft entschied, kein Strafverfahren zu eröffnen.

«Es muss jeder Person freistehen, selber zu entscheiden, ob und wie sie sich im Fall einer Krankheit behandeln lassen will.»

Aus der Nicht-Anhandnahme-Verfügung

Die Gründe dafür sind einer sogenannten Nicht-Anhandnahme-Verfügung zu entnehmen, in die zentralplus Einsicht nahm. Die Staatsanwaltschaft Luzern sieht keinerlei Anhaltspunkte, die einen Anfangsverdacht begründen.

Insbesondere gebe es in der Strafanzeige keinen konkreten Hinweis darauf, dass und wie die Gesundheitsberater die unbekannte Person beeinflusst hätten, keinen Arzt aufzusuchen. Für die Eröffnung eines Strafverfahrens müssten die Hinweise «erheblich und konkret» sein. Blosse Gerüchte oder Vermutungen genügen nicht.

Wenn die Krankenkasse zahlt, ist es seriös

Kommt hinzu: Das Grundrecht auf Selbstbestimmung ist in der Bundesverfassung verankert. «Folglich muss es jeder Person freistehen, selber zu entscheiden, ob und wie sie sich im Fall einer Krankheit behandeln lassen will», heisst es im Entscheid der Staatsanwaltschaft. Anders gesagt: Wenn einer zu einem Wunderheiler gehen will, ist es sein gutes Recht, genau das zu tun.

Wie aber kannst du dich im Dschungel der mehr oder weniger seriösen Gesundheitsangebote zurechtfinden? Das Luzerner Gesundheitsdepartement hat dazu folgenden Tipp: «Bei Angeboten, die nicht von der Krankenversicherung – Grund- oder Zusatzversicherung – übernommen werden, ist generell der Nutzen kritisch zu hinterfragen. Unserer Erfahrung nach können die Personen, die diese Angebote in Anspruch nehmen, dies gut einordnen.»

Das sagt der spirituelle Heiler aus Bern

Der spirituelle Heiler Patric Pedrazzoli, der an den Wohlfühltagen einen Workshop anbietet, bestreitet den Vorwurf, Heilversprechen abzugeben. «Ich bin für die Schulmedizin und alternative Heilungen», schreibt er in einer Stellungnahme.

Warum zwischen diesen Fronten «Krieg» herrsche, verstehe er nicht. «Ich bin jedenfalls im Frieden mit allen und hetze gegen niemanden. Ich habe viel erlebt von Menschen, die geheilt wurden. Das sind meine Erfahrungen. Versprechen tue ich nie jemandem etwas.»

Verwendete Quellen
  • Besuch der Website der Wohlfühltage am 26. August 2022
  • Besuch der Website des spirituellen Heilers Patric Pedrazzoli am 26. August 2022
  • Screenshot der Website des spirituellen Heilers Patric Pedrazzoli am 22. August 2022
  • E-Mailaustausch mit dem spirituellen Heiler Patric Pedrazzoli
  • E-Mailaustausch mit der Medienstelle des Gesundheits- und Sozialdepartements des Kantons Luzern
  • Einsichtnahme in die Nicht-Anhandnahmeverfügung SA1 21 1057 1 17
  • Wikipedia-Artikel zu deutschem Wunderheiler
  • Blick-Artikel über den deutschen Wunderheiler
  • Artikel in «Volkesstimme» über den deutschen Wunderheiler
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1 Kommentar
  • Profilfoto von Loris Fabrizio Mainardi
    Loris Fabrizio Mainardi, 28.08.2022, 10:47 Uhr

    Die Luzerner Behörden machen ihre Arbeit nicht und gefährden damit verzweifelte, in ihrer Not von Scharlatanen abhängig gewordene Menschen:

    1. Das Gesundheitsdepartement schreitet im dargestellten Fall nicht ein, obwohl die von ihm selbst erwähnten Kriterien erfüllt gewesen wären!

    2. Die Staatsanwaltschaft weigert sich, den Fall zu untersuchen, obwohl es um Offizialdelikte geht: Es ist nicht Aufgabe des anzeigestellenden Bürgers, sondern der Strafverfolgungsbehörden, einen Tatverdacht näher abzuklären bzw. ergänzende polizeiliche Untersuchungen anzuordnen. Eine Nichtanhandnahme wäre gemäss Art. 310 StPO nur zulässig, wenn «die fraglichen Straftatbestände EINDEUTIG NICHT ERFÜLLT sind». Denn im Vorverfahren gilt – anders als vor Gericht «in dubio pro reo» – ebengerade «in dubio pro duriore», d.h. im Zweifel ist eine Strafuntersuchung durchzuführen.

    M.E. müssen die politischen Aufsichtsbehörden gegen diese – in aller Form zu verurteilenden – Versäumnisse von GSD und StA vorgehen, welche die öffentliche Sicherheit gefährden: «Eigenverantwortung» verkommt ansonsten zum behördlichen Zynismus.

    Loris Fabrizio Mainardi, lic.iur.

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