Nahrungsergänzungsmittel boomen

Das nehmen Zentralschweizer für besseres Sperma

Ergänzungsmittel können die Fruchtbarkeit von Männern steigern, sagt Alexandra Kohl Schwartz, Co-Chefärztin für Reproduktionsmedizin am Luzerner Kantonsspital. (Bild: Adobe Stock/zvg)

Der Verkauf von Nahrungsergänzungsmitteln geht durch die Decke. Das zeigen die neuesten Zahlen. Kunden erhoffen sich durch die Einnahme vieles – etwa schnelleres Muskelwachstum oder höhere Spermienqualität. Doch sind diese Ergänzungsmittel tatsächlich sinnvoll?

Der Verkauf von Nahrungsergänzungsmitteln in der Zentralschweiz boomt, wie aus den neulich veröffentlichten Zahlen des Onlinehändlers Galaxus hervorgeht. In der Zentralschweiz hat der Verkauf von Nahrungsergänzungsmitteln, Sportnahrung und Vitaminen gegenüber dem Vorjahr um über 50 Prozent zugenommen.

Explodiert ist die Nachfrage während der Corona-Pandemie. Die Verkaufszahlen des grössten Schweizer Onlinehändlers verfünffachten sich zwischen 2019 und 2021. Die neuesten Zahlen zeigen, dass der Trend auch nach der Pandemie anhält.

Gemäss Informationen von Galaxus sind die Gründe für den Kauf von Nahrungsergänzungsmitteln vielfältig. Kunden hoffen etwa, schneller Muskeln aufzubauen oder eine bessere Spermienqualität zu erreichen. Auch Produkte für Schwangere verkaufen sich zahlreich. Was nützen solche Produkte? zentralplus hat sich den Trend von Expertinnen einordnen lassen.

«Unter Umständen ist die Steigerung so gut, dass ein von schlechter Spermienqualität betroffener Mann dann wieder spontan Kinder haben kann.»

Alexandra Kohl Schwartz, Co-Chefärztin für Reproduktionsmedizin des Luzerner Kantonsspital

Ergänzungsmittel können bei unerfülltem Kinderwunsch helfen

Alexandra Kohl Schwartz, Co-Chefärztin für Reproduktionsmedizin an der Frauenklinik des Luzerner Kantonsspital (Luks), sagt gegenüber zentralplus: «Die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln ist ein erster Schritt, den Betroffene machen können.» Das Thema Unfruchtbarkeit ist relevant, da in der westlichen Welt die Spermienqualität in den vergangenen Jahrzehnten abgenommen hat und somit das Risiko für einen unerfüllten Kinderwunsch steigt.

Die Nahrungsergänzungsmittel können helfen, da die Spermien alle drei Monate komplett erneuert werden, erklärt Kohl Schwartz. «Im Gegensatz dazu haben Frauen weniger Möglichkeiten, da die Eizellen schon bei Geburt parat sind und nur noch ausreifen müssen.»

Konkret gebe es Daten, dass antioxidative Stoffe wie Vitamin C oder Zink eine positive Wirkung auf die Spermienproduktion haben. Carnitin könne zudem die Beweglichkeit der Spermien steigern. Manchmal bringen die Nahrungsergänzungsmittel gar den entscheidenden Erfolg: «Unter Umständen ist die Steigerung so gut, dass ein von schlechter Spermienqualität betroffener Mann dann wieder spontan Kinder haben kann», sagt die Reproduktionsmedizinerin.

Die meisten Produkte können nicht überdosiert werden

Grundsätzlich seien die meisten Produkte unproblematisch, sagt Kohl Schwartz. «Die Stoffe sind alle wasserlöslich, sie werden über die Niere ausgeschieden und sind daher in normalen Dosierungen unbedenklich.» Dennoch empfehle das Luks die Supplementierung erst nach ärztlicher Rücksprache.

Dass der Verkauf von Supplements für eine höhere Fruchtbarkeit auch bei Onlinehändlern boomt, könnte ein Hinweis sein, dass nicht alle eine ärztliche Abklärung hinter sich haben. Kohl Schwartz bestätigt aus eigener Erfahrung, dass insbesondere Frauen Nahrungsergänzungsmittel präventiv einnehmen – interessanterweise nicht nur für sich selbst, sagt sie schmunzelnd: «Es sind gemäss unseren Erfahrungen nach auch oft Frauen, die Nahrungsergänzungsmittel für ihre Männer bestellen. Die gekaufte Produkte legen sie dann ihren Männern vor.»

Gemäss den Empfehlungen des Bundesamts für Gesundheit empfiehlt Kohl Schwartz Schwangeren die Einnahme von Folsäure. «Der Bedarf an Vitaminen und Mineralstoffen ist in der Schwangerschaft und Stillzeit erhöht. Es kann sinnvoll sein, diese nicht nur während der Schwangerschaft, sondern auch in der Stillzeit zusätzlich einzunehmen.» Während des Stillens sei aber besondere Vorsicht geboten. «Insbesondere Hormone und gewisse Kosmetika, etwa retinolhaltige Produkte, sollte man nicht anwenden, da sie in die Muttermilch übergehen können.»

Rothenburger Firma Lee-Sport stellt starkes Absatzwachstum fest

Nahrungsergänzungsmittel werden auch zur Verbesserung sportlicher Leistungen eingenommen und haben den Weg längst in den Breitensport gefunden, stellt Galaxus fest. Auch die Firma Lee-Sport aus Rothenburg stellt einen Verkaufsboom fest. Das im Jahr 2012 gegründete Unternehmen wachse jährlich um 20 bis 40 Prozent, schreibt Mitinhaber Raphael Lee auf Anfrage. Wie beim Branchenriesen Galaxus sei das Wachstum während der Pandemie besonders hoch gewesen. Das grösste Wachstum habe man im Bereich der Proteinpulver feststellen können.

Die Einnahme solcher Proteine sei im Breitensport grundsätzlich nicht nötig, schreibt das Ernährungsberatungsteam der Hirslanden Klinik St. Anna. Der Proteinbedarf könne durch eine ausgewogene Ernährung sichergestellt werden.

Doch gewisse Ergänzungsmittel wie das ebenfalls oft verkaufte Kreatin können im Spitzensport sinnvoll sein. «Das Beispiel Kreatin zeigt: Wenn man (im Spitzensport) die Maximal-Dosierempfehlungen für Kreatin berücksichtigt, kann dies helfen, die Muskelkraft und -ausdauer zu verbessern, indem der Kreatinspeicher im Muskel erhöht wird. Auch die Regenerationszeit nach dem Training kann positiv beeinflusst werden.»

Jod stellt eine Ausnahme unter den Supplementen dar

Ganz grundsätzlich hält das Ernährungsberatungsteam der Hirslanden Klink St. Anna fest, dass der Nutzen von Nahrungsergänzungsmitteln von der eigenen Gesundheit, der körperlichen Aktivität und der Ernährungsform abhängt. Einzig beim Jod sei eine Supplementierung wichtig. Daher wird Jod Lebensmitteln wie Speisesalz, Brot und Milchprodukten zugesetzt.

Ob Ergänzungsmittel notwendig sind, hängt nicht zuletzt von der Ernährungsform ab. Lebe jemand etwa vegan oder vegetarisch, sei das Risiko für einen Mangel an bestimmten Nährstoffen erhöht, so die Ernährungsberaterinnen der Hirslanden Klinik. Beispiele seien Vitamin B12 oder Eisen.

Generelle Vorsicht sei auch bei der zusätzlichen Einnahme von Vitaminen geboten. «Gerade die fettlöslichen Vitamine A, D, E und K können in grossen Mengen toxisch wirken, da sie vom Körper gespeichert werden.» Symptome einer Hypervitaminose seien etwa Kopfschmerzen, Übelkeit und Müdigkeit.

Verwendete Quellen
  • Mitteilung und Daten von Galaxus
  • Telefonat und schriftlicher Austausch mit Stephan Kurmann, Mediensprecher von Digitec Galaxu
  • Telefonat mit Alexandra Kohl Schwartz, Co-Chefärztin für Reproduktionsmedizin an der Frauenklinik des Luzerner Kantonsspital
  • Schriftlicher Austausch mit Raphael Lee, Mitinhaber Lee-Sport
  • Schriftlicher Austausch mit der Medienstelle der Hirslanden Klinik St. Anna
  • Studie zum Jodstatus: Bundesamt für Lebensmittelsicherheit
  • Studie der Universität Genf zu Spermienqualität in der Schweiz
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1 Kommentar
  • Profilfoto von Marie-Françoise Arouet
    Marie-Françoise Arouet, 02.05.2023, 21:21 Uhr

    Pflanzt sich ein schlechter Genpool dank besserem Sperma erfolgreicher fort, so ist niemandem gedient.

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