Trendtage Gesundheit in Luzern

«Corona löste eine stille Revolution in der Medizin aus»

(Bild: Pexels/Chokniti)

Die Corona-Pandemie hat die Gesundheitsbranche verändert. Bei Luzerner Spezialisten nachgefragt, zeichnen sich nun neue Schwierigkeiten, Gewohnheiten und Errungenschaften ab. Die Trends reichen von neuen Fachkräftemangel bis hin zu Revolutionen in der Forschung.

Soziale Distanz, finanzielle Sorgen und volle Intensivstationen – all das hat das Coronavirus in den letzten zwei Jahren an Schwierigkeiten und Leid auf die Welt gebracht. Dabei handelt es sich – wohlgemerkt – nur um einen kleinen Teil aller unschönen Auswirkungen der Pandemie. Denn für eine lange Zeit hat sich fast alles so stark verändert, dass kaum etwas noch so war, wie es vorher gewesen ist.

Seit dem umstrittenen Ende der Pandemie-Massnahmen in der Schweiz fühlt sich das Leben, der Alltag wieder so gut wie «normal» an. Wer aber genauer hinblickt, nimmt wahr, was die Pandemie mit uns gemacht hat. Nebst neuen Verhaltensregeln, einem neuen Bewusstsein, hat uns die Krise neue Wege einschlagen lassen. Und diese Trends im Bereich Gesundheit sind nicht nur negativ zu werten.

Ambulant statt stationär

Dies findet jedenfalls Dr. med. Guido Schüpfer, Verwaltungsratsmitglied von Viva Luzern. Die Institution mit Alters- und Pflegeheimen in der Stadt Luzern ist in diesem Jahr an den Trendtagen Gesundheit in Luzern vertreten. Und zwar mit Monika Tröger, die auf Anfrage leider nicht erreichbar war, weshalb wird mit Schüpfer sprechen. Er ist nebst seiner Arbeit bei Viva Luzern Co-Chefarzt für Anästhesie am Luzerner Kantonsspital. Und er beschäftigt sich schon seit einiger Zeit mit den Trends im Gesundheitsbereich.

Im Gespräch mit Schüpfer fallen gleich eine Vielzahl an Trends in der Gesundheitsbranche, die in den letzten zwei Jahren stark zugenommen haben. Auf drei von ihnen geht Schüpfer genauer ein. «Zum einen ist da die Ambulantisierung, die in den Spitälern zugenommen hat. Das bringt seine Vor- und Nachteile mit sich. Einerseits sind wir in den Behandlungen effizienter und auch die Betten werden weniger lang belegt.»

Auf der anderen Seite bringen mehr ambulante Behandlungen einen grossen Bürokratieaufwand. «Bei der erhöhten Ambulantisierung handelt es sich aber nicht zwingendermassen um ein Phänomen, das durch Corona zustande kam. Corona hat aufgrund der noch knapper gewordenen Ressourcen in den Spitälern die Entwicklung jedoch intensiviert», so Schüpfer.

Zweiter Trend: Die fehlenden Fachkräfte in der Gesundheitsbranche

Corona hat sichtbar gemacht, wie prekär die Lage rund um medizinisches Personal und Pflegepersonal ist. Die Sorge um den Fachkräfte-Mangel, entwickelte sich gar zu einer der Hauptsorgen während der ganzen Pandemie. «Ein Trend, den wir in den kommenden Jahren klar zu spüren bekommen werden, ist die Herausforderung rund um die Fachkräfteentwicklung.» Sie bereitet Schüpfer grosse Sorgen.

Denn: «In den nächsten zehn Jahren werden rund 160'000 Personen aus dem Arbeitsmarkt austreten. Bloss 90'000 kommen aber neu dazu», so Schüpfer. Wie lässt sich verhindern, dass sich die Situation in der Gesundheitsbranche so stark verschärft? «Da gibt es gewisse Ideen, die aber derzeit noch nicht spruchreif sind. Klar ist für mich auf jeden Fall schon: Die Organisationen im Gesundheitswesen müssen sich grundlegend verändern.»

«Die Telemedizin erlaubt es uns als Ärzte und medizinischen Mitarbeiterinnen, aus der Ferne Behandlungen durchzuführen können.»

Guido Schüpfer, Verwaltungsratsmitglied Viva Luzern

Eine mögliche Hilfestellung dürfte die Digitalisierung sein. Nebst einem digitalen Patientenportal am Luzerner Kantonsspital, das während der Pandemie um ein X-faches an Nutzerinnen gewonnen hat, reichen die Digitalisierungsentwicklungen bis hin zur sogenannten Telemedizin. «Diese erlaubt es uns als Ärzte und medizinischen Mitarbeiterinnen, aus der Ferne Behandlungen durchzuführen. Es dürfte helfen, mit dem immer grösser werdenden Fachkräftemangel etwas besser zu Schlage zu kommen.» Dennoch macht Schüpfer klar, dass eine nachhaltige Lösung nur eine besser abgefederte Gesundheitsbranche sein wird. «Die Pflegeinitiative hat einen wichtigen Grundstein dafür gelegt. Es braucht aber noch sehr viel mehr.»

Der mRNA-Impfstoff

Schliesslich, so erklärt Schüpfer, habe die Corona-Pandemie für einen grossen Ruck gesorgt, der durch die Gesellschaft ging. «Die Pandemie löste eine stille Revolution in der Medizin aus.» Corona beschleunigte die Digitalisierungswelle, verlangte nach Optimierungen in den Prozessen, kurbelte die medizinische Forschung an. «Innerhalb eines Jahres wurde ein funktionierender Impfstoff gefunden», so Schüpfer. Und er ist sich sicher: «Die Erfindung des mRNA-Impfstoffes ist unglaublich mächtig und wird für unsere Zukunft wegweisend für eine mRNA basierte Medizin sein.» Dies meint Schüpfer auch im Bezug auf weitere Krankheiten.

«Die Forschung hat enorm profitiert. Die Pandemie gab ihr einen enormen Schub.»

David Dürr, Leiter Dienststelle Gesundheit und Sport, Kanton Luzern

Nachgefragt bei der Dienststelle Gesundheit des Kantons Luzern ist man sich auch hier mehrerer Trends bewusst, die sich seit Anfang der Corona-Pandemie abzeichnen. Auch jene, die Schüpfer nannte, werden beim Kanton aufgezählt.

Und auch hier klingt es erstmal positiv. Leiter der Dienststelle für Gesundheit und Sport David Dürr erklärt: «Ganz allgemein hat die Forschung enorm profitiert. Die Pandemie gab ihr einen enormen Schub. Im Vordergrund steht sicher die mRNA-Technologie. Sie hat im Zuge der Pandemie – und einer entsprechenden finanziellen Förderung respektive Investitionen – an Bedeutung gewonnen.» Gleichzeitig seien aber auch andere Innovationen und ganz neue Zusammenarbeitsformen verschiedener Player entstanden, die sich bewährt haben.

Schliesslich verdeutlicht Dürr mit Nachdruck, welches langjährige Problem seit Beginn der Pandemie einmal mehr zu einem politischen Kernthema wurde: Der Fachkräftemangel. Ein Problem, dessen Trend sich – wenn es nach den Fachpersonen geht – in den kommenden Jahren weiter verschärfen wird. Darin sind sich viele einig. Laut Miriam Rittmann, der Präsidentin des Zentralschweizer Pflegeverbands, ist es die grösste Errungenschaft der letzten zwei Jahre, dass die Forderungen der Pflege gehört werden. Doch sie stellt fest: die grosse Euphorie nach den politischen Erfolgen ist verflogen (zentralplus berichtete).

«Die Digitalisierung ist eine der Voraussetzungen für eine zukunftsfähige Versorgung.»

Philomena Colatrella, CEO CSS Versicherung

Mehr Komfort und besserer Überblick für Patientinnen

Spital, Alters- und Pflegeheime und Behörden, sie alle sehen die Trends in der Gesundheitsbranche aus einem ähnlichen Blickwinkel, wenn auch alle von einem etwas anderen Standpunkt. Nachgefragt bei der CSS Versicherung, sieht man ebenfalls die hinkende Digitalisierung in der Schweiz als grosses Problem, insbesondere was den Komfort der Versicherten angeht. CEO Philomena Colatrella erklärt: «Diesen Rückstand spüren Patientinnen und Patienten beziehungsweise die Prämienzahlenden. Insellösungen und Datensilos führen dazu, dass Patientinnen und Patienten wenig Informationen darüber haben, welche Behandlungen schon erfolgt und welche angezeigt oder nicht erforderlich sind. Dieser Mangel an Informationen führt zu Ineffizienzen und zu unnötigen Prämienbelastungen.»

Für Colatrella ist klar: Die Schweiz braucht eine digitale Schnittstelle, die ein nahtloses Zusammenspiel zwischen Patienten, Ärzten, Spitälern und Krankenversicherern ermöglicht. «Die Digitalisierung ist eine der Voraussetzungen für eine zukunftsfähige Versorgung. Sie ermöglicht Patientinnen und Patienten und insbesondere den chronisch Kranken eine hochstehende Behandlungsqualität zu geringeren Kosten.»

Hinweis: zentralplus ist Medienpartner der Trendtage Gesundheit, die diese Woche stattfinden.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Guido Schüpfer
  • Mailverkehr mit David Dürr
  • Mailverkehr mit Philomena Colatrella
  • Internetrecherchen
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2 Kommentare
  • Profilfoto von mebinger
    mebinger, 24.03.2022, 10:30 Uhr

    So was von beschönigend! Kein Wort über das Leid, das dieser Massnahmen Irrsinn über alle gebracht hat. Der Preis für den vermeintlichen Fortschritt, welchen ich bezweifle, war zu hoch. Die Digitalisierung wird die Gesellschaft noch mehr entmenschlichen, wie in allen Bereichen

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  • Profilfoto von Michel von der Schwand
    Michel von der Schwand, 24.03.2022, 10:09 Uhr

    Lustig, dass hier kein Aufschrei der Freiheitstrychler-Fetischisten und Verschwörungs-Heinis erfolgt. Digitalisierung im Gesundheitswesen bedeutet nichts anderes als den «gläsernen Patienten» zu erschaffen. Schon heute können diverse Informationen auf der so genannten Krankenkassen-Karte gespeichert werden. Und die gehen weit über die Information, dass du deine Prämien bezahlt hast, hinaus. Gesundheitsdaten können schlussendlich von Hinz und Kunz eingesehen werden, ohne abzuklären, ob Kunz diese Infos überhaupt braucht. Logischerweise wird uns natürlich nicht gesagt, welche Krankenversicherung, welches Spital, welcher Arzt etc. schon von Hacker angegriffen worden ist. Schaut man sich bei den KMU’s um, muss man zum Schluss kommen, dass dies sicherlich schon passiert ist. Erschwerend kommt dazu, dass gewisse Krankenversicherer IT-technisch praktisch noch in der Steinzeit stehen. Es darf also weiter frisch und fröhlich geschwurbelt werden. Holdrio.

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