Früherer Tod führt zu Einsparungen bei AHV

Brisante Luzerner Raucherstudie bleibt unveröffentlicht

Rund 9500 Menschen sterben in der Schweiz jährlich an den Folgen des Rauchens (Symbolbild: Pexels).

Gemäss einer Studie der Universität Luzern belasten Raucherinnen die AHV weniger, weil sie früher sterben. Das tönt zynisch – und wurde entsprechend kritisiert. Interessant ist aber besonders, dass diese Studie bis jetzt der Öffentlichkeit vorenthalten wird.

Heikle Debatte ums Rauchen – und mittendrin ein bekannter Luzerner Wirtschaftsprofessor. Der Reihe nach: Im Januar sendete Radio SRF einen Beitrag über zwei Studien, die sich beide mit den Gesundheitskosten des Rauchens befassten. Rund 9500 Menschen sterben nach Auskunft des Bundesamts für Gesundheit (BAG) in der Schweiz jährlich an den Folgen des Rauchens.

Nebst viel Leid verursacht das Rauchen aber auch ganz konkrete Kosten. Eine Studie der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) – sie wurde von der Arbeitsgemeinschaft Tabakprävention AT in Auftrag gegeben – spricht von fünf Milliarden Franken Kosten, welche das Rauchen pro Jahr verursacht. Die Summe setzt sich zusammen aus rund 3 Milliarden Franken Gesundheitskosten und aus rund 2 Milliarden wirtschaftliche Kosten, zum Beispiel aufgrund von Arbeitsausfällen.

Luzerner Studie verweist auf Nutzen für die AHV

Diese Zahlen werden vom Luzerner Wirtschaftsprofessor Christoph Schaltegger nicht bestritten. Schaltegger hat ebenfalls eine Studie zu den externen Kosten des Rauchens verfasst – im Auftrag von Swiss Cigarette, dem Branchenverband der grossen Tabakmultis. Christoph Schaltegger ist Direktor des Instituts für Schweizer Wirtschaftspolitik an der Universität Luzern.

Gemäss Studienmitautor Patrick Eugster entspricht die genannte Zahl dem Total aus internen und externen Kosten. Interne Kosten sind die Kosten, welche die Raucherinnen selber tragen. Die externen Kosten sind jene, welche die Gesellschaft trägt. Wenn man nur die externen Kosten betrachte, komme man auf einen Betrag von 630 Millionen Franken. «Das ist also der Betrag, den die Raucher verursachen, aber die Gesellschaft zahlen muss», so Eugster.

Studie sei «als internes Dokument» gedacht gewesen

Die Autoren Christoph Schaltegger und Patrick Eugster führen in ihrer Studie zusätzlich auch die Tabaksteuern an, welche die Raucherinnen bezahlen. Diese Steuern fliessen indirekt in die AHV. Zudem berücksichtigten Schaltegger und Eugster, dass Raucherinnen und Raucher zumeist früh sterben und deshalb weniger AHV beziehen. Die Luzerner Studie kommt zum Schluss, dass  den erwähnten externen Kosten von 630 Millionen Franken rund 2,2 Milliarden Franken aus Tabaksteuern gegenüberstehen. Per Saldo ergibt sich gemäss dieser Studie für die Allgemeinheit somit ein Plus von rund 1,6 Milliarden Franken.

«Nachdem der Entwurf der Studie vorlag, wurde daran festgehalten und von einer Veröffentlichung abgesehen.»

Martin Kuonen, Verband Swiss Cigarette

Interessant: Die Studie von Professor Schaltegger, die zentralplus in einem Entwurf vorliegt, wurde bisher gar nie veröffentlicht. Das muss erstaunen.

Immerhin stammt diese Luzerner Studie aus dem Jahr 2020. Auf Anfrage teilt Martin Kuonen, Geschäftsführer von Swiss Cigarette, mit, die Studie sei «von Anfang an» als internes Dokument gedacht gewesen. «Nachdem der Entwurf der Studie vorlag, wurde daran festgehalten und von einer Veröffentlichung abgesehen.»

Kuonen ergänzt, das geistige Eigentum an einer Studie bleibe grundsätzlich immer beim Autor. «Dieser ist somit frei, zu veröffentlichen, was und wann er will. Auf diesen Entscheid hat Swiss Cigarette somit keinen Einfluss.»

Luzerner Autoren wollen die Studie noch ergänzen

Sicher sei hingegen, dass der Verband Swiss Cigarette die Studie unter seinem Namen nicht veröffentlichen werde. «Das war von Anfang an die Intention des Verbands.» Warum aber haben die beiden Autoren der Universität Luzern die Studie nicht selber veröffentlicht?

Christoph Schaltegger, Professor für politische Ökonomie an der Universität Luzern. (Bild: zvg)

Auf Anfrage erklärt Wirtschaftsprofessor Christoph Schaltegger: «Wir haben das Recht auf Veröffentlichung. Patrick Eugster und ich wollten die Studie noch mit den aktuellen Zahlen für 2018 ergänzen und damit einen Robustheitstest durchführen, um für eine wissenschaftliche Publikation bessere Chancen zu haben.» Aus Zeitgründen seien sie  leider noch nicht dazu gekommen. «Hoffentlich können wir dies in den nächsten Monaten noch nachholen», so Wirtschaftsprofessor Schaltegger.

Tabaklobby möchte wohl überhaupt keine Veröffentlichung

Mit anderen Worten: Seit bald  zwei Jahren liegt eine Luzerner Untersuchung zu den Kosten des Tabakkonsums vor, welche aber bisher noch nicht zur Veröffentlichung freigegeben wurde. Das muss letztlich eben doch erstaunen. Zwar teilen Swiss Cigarette und Schaltegger unisono mit, dass sie zu den Kosten der Studie keine Auskunft erteilen würden: Es ist aber davon auszugehen, dass diese Studie wohl doch einiges an Geld kostete.

Zumindest im Falle von Swiss Cigarette erscheint es kaum sehr plausibel, dass Geld in eine Studie gesteckt wurde, welche nun von ihr selber als internes Dokument unter Verschluss gehalten wird. Der Schluss scheint naheliegend, dass eine Veröffentlichung der Tabaklobby nicht sehr gelegen käme.

Radio SRF drückte dies in seinem Beitrag so aus: «Anscheinend ist es auch den Auftraggebern nicht ganz wohl dabei, schwarz auf weiss aufzuzeigen, dass Raucherinnen und Raucher die AHV weniger belasten, weil sie früher sterben.»

Die Frage der Unabhängigkeit der Forschung

Was ist von solchen «Auftragsforschungen» generell zu halten? Markus Müller ist Professor für öffentliches Recht an der Universität Bern und hat sich schon verschiedentlich zu Fragen rund um das Thema geäussert.

Auf Anfrage erklärt Markus Müller: «Ich persönlich habe vor allem Probleme mit Forschungseinrichtungen, die langfristig durch Unternehmen finanziert werden und so den Anschein der Abhängigkeit erwecken. Dadurch entstehen die stärksten Negativwirkungen auf die Glaubwürdigkeit der Universitäten.»

Bei Einzelaufträgen sei diese Abhängigkeit zwar auch nicht auszuschliessen. «Die Wirkungen der allenfalls gekauften Forschung sind aber zum Glück nur punktuell und der langfristige Schaden für die universitäre Forschung daher überschaubar. Und an sich entscheidet durch die Annahme des Auftrags der Forscher immer noch selber, ob er zur gestellten Frage tatsächlich forschen will.»

Verwendete Quellen
  • Radio SRF, «Kosten des Rauchens: Raucher belasten AHV offenbar weniger als Nichtraucher», Radio SRF, 24. 1. 2022 (Beitrag gesendet in: «Rendez-Vous» vom 19.1. 2022, Radio SRF 1).
  • Entwurf Studie «Die externen Kosten des Tabakkonsums in der Schweiz»
  • Austausch mit Christoph Schaltegger und Patrick Eugster
  • Kontakt mit Markus Müller
  • Austausch mit Martin Kuonen
  • Anfrage an das Bundesamt für Gesundheit (BAG)
  • Anfrage an Radio SRF
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1 Kommentar
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    Hegard, 12.02.2022, 20:00 Uhr

    Sorry aber für
    diese Rechnung brauchts kein Professor.
    Dies habe ich schon vor 20 Jahren zum Ärgern zu den Raucher gesagt.

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