Ärztemangel: Politiker sehen «alarmierende Engpässe»
Laut dem Mitte-Kantonsrat Patrick Iten herrscht dringender Handlungsbedarf in Bezug auf die Ärzteknappheit. (Bild: Symbolbild Adobe Stock/zvg)
In einigen Zuger Gemeinden mangelt es an Hausärzten. Zwei Politiker ersuchen den Regierungsrat nun darum, für eine Verbesserung der Lage zu sorgen – auch die Ärztegesellschaft zeigt sich besorgt über die Situation.
Wer im Ägerital lebt, hat zwar das Glück, in den Wintermonaten weniger Nebel ausgesetzt zu sein. Ein Wohnort in den Zuger Berggemeinden bringt jedoch auch Nachteile mit sich. So etwa ist hier die ärztliche Grundversicherung deutlich niedriger als in vielen Talgemeinden. Nur gerade 0,3 Ärzte (Vollzeitäquivalent) kommen hier laut einem Postulat zweier Zuger Kantonsräte auf 1000 Einwohner, während der Schnitt im Kanton Zug bei 0,68 liegt.
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welche Massnahmen die Postulanten vorschlagen
Postulant Patrick Iten (Mitte) schreibt auf Anfrage: «Die Arbeitsbelastung für die dort tätigen Hausärzte hat ein Mass erreicht, das weder für die Ärzte selbst noch für die Patienten länger tragbar ist. Die Notfalldienste sind überlastet und die reguläre Praxisarbeit wird zunehmend beeinträchtigt.» Die unfaire Verteilung der Dienstbelastung zwischen den verschiedenen Regionen des Kantons verschärfe das Problem zusätzlich. Iten weiter: «Während in der Region Berg jeder Arzt durchschnittlich 47,3 Notfalldienste pro Jahr leisten muss, sind es in anderen Regionen wie Baar-Zug-Walchwil nur 6,9 Dienste pro Arzt und Jahr.»
Ausnahmeregelung gilt nicht für Zug
Dass es in der Schweiz mancherorts insbesondere an Hausärzten mangelt, ist ein bekanntes Problem. Aus diesem Grund erliess das Bundesparlament 2023 eine Gesetzesänderung, dank der Kantone bei der Zulassung von Ärzten gewisser Fachgebiete eine Ausnahme machen können. Sie dürfen von der einen Bedingung, dass Ärztinnen für drei Jahre an einer schweizerischen Weiterbildungsstätte gearbeitet haben müssen, absehen.
Im Kanton Zug greift diese Klausel jedoch nicht. In einer Antwort auf eine kleine Anfrage von Patrick Iten im vergangenen Jahr äusserte sich der Regierungsrat insofern, dass die hausärztliche Versorgung im Kanton Zug durchschnittlich gut sei. Nur der Bund könne dem Trend entgegenwirken, dass es in ländlichen Regionen an Ärztinnen fehle. Dies konkret mit einer Zulassungssteuerung (zentralplus berichtete).
Mit dieser Haltung geben sich Patrick Iten sowie sein Ratskollege Klemens Iten (GLP), der ebenfalls aus dem Ägerital stammt, nicht zufrieden. Aus diesem Grund doppeln sie nun mit einem Postulat nach. Patrick Iten spricht von «alarmierenden Engpässen».
Viele Hausärzte stehen kurz vor der Pension
«Der Mangel an Hausärzten führt dazu, dass die Versorgung vielerorts nicht mehr sichergestellt ist. Hinzu kommt der demografische Wandel in ländlichen Gebieten; die Bevölkerung altert, wodurch der medizinische Versorgungsbedarf weiter steigt», heisst es im Postulat. «Gleichzeitig stehen viele Hausärzte kurz vor der Pensionierung, ohne dass ausreichend Nachfolger vorhanden sind.» Ohne gezielte Anreize für die Niederlassung in ländlichen Gebieten drohe ein weiterer Rückgang der medizinischen Versorgung. Besonders ältere oder nicht mobile Patientinnen seien von dieser Situation betroffen.
Zwar unternähmen verschiedene Gemeinden bereits etwas, um die ärztliche Versorgung zu verbessern. «Um eine einheitliche und gerechte Gesundheitsversorgung im ganzen Kanton zu gewährleisten, braucht es jedoch auch ein Engagement auf kantonaler Ebene.» Die Postulanten schlagen dem Regierungsrat deshalb fünf Massnahmen vor, durch die sich die Situation verbessern solle.
Diese fünf Massnahmen schlagen die Postulanten vor
So etwa wünschen sie sich Anreize für Hausärzte, die sich in ländlichen Zuger Gemeinden niederlassen oder dort tätig bleiben wollen. Ein genanntes Beispiel: Stipendien oder Rückzahlungsmodelle für Medizinstudenten, die sich verpflichten, nach dem Studium eine bestimmte Zeit lang in ländlichen Zuger Gemeinden zu arbeiten.
Weiter soll der Kanton telemedizinische Angebote, mobile Arztpraxen sowie Apotheken mit medizinischer Grundversorgung in abgelegenen Gebieten fördern. Wer in ländlichen Zuger Gemeinden eine Praxis eröffnen will, soll unterstützt und beraten werden. Dies gemäss den beiden Politikern etwa durch eine kantonale Koordinationsstelle.
Als erstrebenswert sehen sie zudem die Förderung von Kooperation und Vernetzung zwischen Gesundheitsdienstleistern, also etwa Ärzten, Apotheken, Spitex und Spitälern. Regelmässige Austauschplattformen könnten die Zusammenarbeit verbessern, glauben die Politiker. Durch eine stärkere Zusammenarbeit könne weiter der administrative Aufwand verringert werden. Zu guter Letzt schlagen die Postulanten vor, dass Aus- und Weiterbildungen gefördert werden.
Patrick Iten hofft auf Einsicht des Kantons
Patrick Iten ist der Ansicht, dass es dringend notwendig sei, dass der Regierungsrat die vorgeschlagenen Massnahmen prüfe und geeignete Schritte zur Umsetzung einleite. «Gemäss meiner kleinen Anfrage hat der Regierungsrat die Möglichkeit, Massnahmen zu ergreifen. Er muss lediglich anerkennen, dass auch wir im kleinen Kanton Zug regionale Situationen haben.»
Die Gemeinden hätten es erkannt und bereits grosse Investitionen getätigt. «Jedoch, wenn der Kanton hier nicht mitmacht, sind diese schneller verpufft, als man investieren kann.» Aus diesem Grund hoffen die beiden Kantonsräte, dass der Vorstoss bei der nächsten Kantonsratssitzung am kommenden Donnerstag überwiesen wird.
Auch die Zuger Ärztegesellschaft ist besorgt
Auf Anfrage von zentralplus äussert sich Urs Hasse, Präsident der Zuger Ärztegesellschaft, wie folgt: «Wir betrachten den Mangel in der Grund-, aber auch in Teilen der spezialärztlichen Versorgung im Kanton Zug mit Sorge.» Insgesamt sei die medizinische Versorgung im Kanton Zug weiterhin gewährleistet, dies «dank des grossen Einsatzes unserer Kollegen». Hasse ergänzt: «Ich teile jedoch die Einschätzung, dass insbesondere im Ägerital die Versorgungslage bereits jetzt kritisch ist und sich voraussichtlich in den nächsten Jahren weiter verschärfen wird.»
Dazu, ob die Ausnahmeregelung des Bundes bezüglich der Zulassung von Ärzten auch im Kanton Zug greifen solle, könne er nicht abschliessend Stellung nehmen, da es sich um eine juristische Frage handle. «Eine grosszügige Handhabung von Seiten der kantonalen Behörden wäre sicherlich wünschenswert, dies darf jedoch nicht auf Kosten der Qualität der Versorgung geschehen.»
Bereits heute gibt es Anreizsysteme
Der Mediziner gibt betreffend Anreizsystemen zu bedenken, dass bereits heute ein Programm für Praxisassistenzen existiere. «Der Kanton unterstützt die Anstellung von Assistenzärztinnen in der Arztpraxis, um so unsere jungen Kollegen für die hausärztliche Tätigkeit und idealerweise für einen Verbleib im Kanton Zug zu motivieren.» Diese Programme hätten sich in der Vergangenheit als gut wirksam erwiesen. Hasse weiter: «Aus unserer Sicht wäre ein Ausbau sicher wünschenswert. Eine Verpflichtung, sich in einer bestimmten Gemeinde niederzulassen, ist dagegen aus meiner Sicht kontraproduktiv und auch kaum durchsetzbar.»
Im gesamten Gesundheitsbereich sei ein Fachkräftemangel absehbar respektive bereits Realität. «Diesem können wir nur mit einer Ausbildungsoffensive begegnen. Daneben können alternative Angebote wie Telemedizin oder der Beizug von nichtärztlichen Gesundheitsfachpersonen hilfreich sein.» Letztlich seien jedoch auch diese Angebote auf die genügende Verfügbarkeit von gut ausgebildeten Fachkräften angewiesen, sagt der Präsident der Ärztegesellschaft.
Zuger Ärztegesellschaft fordert eine Anhebung des Taxpunktwerts
Und weiter: «Die obenerwähnten Massnahmen sind sicherlich sinnvoll und dringend notwendig, können jedoch kurzfristig das Problem der fehlenden Ärztinnen in den ländlichen Regionen im Kanton Zug nicht lösen.» Bei der Rekrutierung neuer Ärzte seien attraktive Arbeitsbedingungen zentral. «Hier ist in erster Linie die Belastung durch den Notfalldienst, im Weiteren der Taxpunktwert zu nennen», sagt Hasse. «Die Zuger Ärztegesellschaft setzt sich für eine Reduktion der Dienstbelastung für die im Kanton tätigen Ärzte ein. Ebenso kämpfen wir dafür, dass der schweizweit tiefste Taxpunktwert endlich angehoben wird.»
Journalistin und langjährige Autorin bei zentralplus. Schreibt über politische Querelen, aufregende Bauprojekte und gesellschaftlich Bewegendes. Am liebsten jedoch schreibt sie über Menschen. Und natürlich Hunde.