Kapazitätsgrenze erreicht?

220 offene Stellen: Luzerner Kantonsspital schliesst Betten

Ein Spital kann nur alle Betten betreiben, wenn genügend Personal da ist. (Bild: Annie Spratt/Unsplash)

Auf einer medizinischen Abteilung des Luzerner Kantonsspitals sind 12 Betten geschlossen, weil das Personal fehlt. 220 Stellen sind ausgeschrieben, der Winter steht bevor und gemäss Expertinnen rollt bereits die nächste Corona-Welle über die Schweiz. Kommt es bald zu Engpässen?

Es sind harte Zeiten für das Luzerner Kantonsspital (Luks). Wie eine Pflegefachperson des Luks gegenüber zentralplus erzählt, sind auf einer medizinischen Abteilung von 52 Betten derzeit rund 12 Betten geschlossen. Grund: Personalmangel.

Das Luks sucht derzeit verzweifelt nach Personal. Über die Website des Luks sind im Bereich Pflege aktuell 92 Stellen ausgeschrieben. Gemäss «x28 AG», einem Arbeitsmarktdaten-Unternehmen, hat das Luks Stand Mitte September insgesamt 220 Stellen ausgeschrieben. Im Vorjahr waren es 168 offene Stellen.

220 Vakanzen – das klingt nach viel. Und bedarf einer Einordnung: Dazu gehören Pflegejobs genauso wie offene Stellen in der Informatik. Das Luks ist der grösste Arbeitgeber der Zentralschweiz – 2021 beschäftigte es 8'146 Mitarbeiterinnen. 220 offene Stellen machen dann gerade einmal 2,7 Prozent der ganzen Belegschaft aus. Dennoch sorgt der Personalmangel dafür, dass nicht mehr in jedem Bett eine Patientin betreut werden kann.

«Von ‹Notstand› kann keine Rede sein, das Luks läuft im Normalbetrieb mit vereinzelten Einschränkungen.»

Linus Estermann, Projektleiter Kommunikation Luks

Eine andere Person berichtete gegenüber zentralplus, dass im Luks ein «regelrechter Personalnotstand» herrsche und deswegen Patienten abgewiesen beziehungsweise an ausserkantonale Spitäler verwiesen werden müssten.

«Personalnotstand»? Luks winkt ab

Was ist da los? Wir fragen nach beim Luks. Dass auf einer Abteilung zwölf Betten geschlossen sind, kann Pressesprecher Linus Estermann «so nicht verifizieren». Doch zentralplus liegt eine interne Mail vor, aus der das hervorgeht. Wie viele Betten im ganzen Spital insgesamt geschlossen sind und auf welchen Abteilungen, darauf geht das Luks nicht ein.

«Tatsache ist, dass es vereinzelt zu Bettenschliessungen aufgrund von Personalmangel im Pflegebereich gekommen ist», heisst es. Und Estermann schreibt weiter: «Von ‹Notstand› kann keine Rede sein, das Luks läuft im Normalbetrieb mit vereinzelten Einschränkungen.»

Abgänge und Bewerbungen stünden insbesondere im Pflegebereich derzeit nicht im Gleichgewicht, begründet das Luks die geschlossenen Betten. Denn klar ist: Das Spital kann nur jene Betten bewirtschaften, für die es genügend Personal hat. «Tendenziell sind derzeit eher mehr Stellen zu besetzen, was aufzeigt, dass der Fachkräftemangel ein reales Problem darstellt und verschiedene Bereiche betrifft», so das Luks.

Und das gilt für die ganze Schweiz: Gemäss «x28» werden schweizweit knapp 15'500 Vakanzen in der Pflege verzeichnet. «Der Markt ist schon länger – also schon vor der Pandemie – ausgetrocknet, was die Rekrutierung aufwendig macht», so das Luks.

Spitäler müssen deswegen schweizweit immer wieder Betten schliessen. Das Kantonsspital St. Gallen beispielsweise konnte gemäss Medienberichten im Frühsommer insgesamt 66 Betten nicht betreiben.

Es fehlt halt überall an Personal …

Fakt ist: Ausserkantonale Spitäler nehmen Patienten des Luks auf. Wie viele das sind, wollen die angeschriebenen Spitäler nicht sagen. Das Zuger Kantonsspital spricht von «einigen Patientinnen und Patienten», die das Luks in den letzten zwei Monaten nach vorheriger Absprache zur weiteren stationären Behandlung zugewiesen hat. Nebst dem Zuger Kantonsspital wurden noch die Berner Inselgruppe, das Unispital Zürich und das Kantonsspital Aarau kontaktiert.

«Als grösstes Zentrumsspital der Schweiz werden dem Luks aber deutlich mehr Patientinnen und Patienten von anderen Spitälern zugewiesen als umgekehrt», so der Pressesprecher des Luks. Insgesamt betreibe das Spital über 950 Betten. Diese Anzahl und die gute Zusammenarbeit unter den Spitälern mache es möglich, «flexibel auf einzelne Bettenschliessungen zu reagieren», heisst es weiter.

Beim Luks scheint man also gelassen zu reagieren. Und auch der Kanton Luzern wirkt alles andere als beunruhigt, wie aus den Antworten von David Dürr, Leiter Dienststelle Gesundheit und Sport, hervorgeht. Auch in anderen Kliniken fehle es an Fachpersonal. Und auch in anderen Branchen sei der Fachkräftemangel ein Problem.

Nur dürfte die Aussage, dass der Personalmangel überall ein Problem ist, kaum beruhigen.

Teilzeitmitarbeitende erhöhen Pensen, Pensionierte springen ein

Die Vakanzen zehren an den Kräften der Luks-Angestellten. «Die Situation ist für unser Personal anspruchsvoll und die Einsatzplanung herausfordernd», schreibt das Luks. Wie fängt es die Vakanzen auf? Gibt es Zusatzdienste und Springer, die kurzfristig für Schichten einspringen müssen?

«Die Situation ist herausfordernd.»

Linus Estermann, Sprecher Luks

Das Luks antwortet ausweichend. Man wolle den Spitalbetrieb aufrechterhalten durch «vorausschaubare Planung ohne grössere Einschränkungen». Dann doch noch etwas konkreter: Teilzeitmitarbeitende würden temporär ihre Arbeitspensen erhöhen, pensionierte Fachpersonen würden gezielt eingesetzt. Das sorge für Entlastung.

Das Spitalpersonal springt also einmal mehr in die Bresche. «Die Situation ist herausfordernd», schreibt das Luks auf die Frage, wie es den Luks-Mitarbeitenden derzeit geht. Man habe aber schon während der ganzen Pandemie «alles darangesetzt, dass die Mitarbeitenden auf allen Stufen ihre Ferien beziehen und sich auch erholen konnten.»

Pflege-Initiative: Politik ist gefordert

Selten haben wir so viel über das Pflegepersonal gelesen und gehört wie seit der Corona-Pandemie. Wir sind für Menschen, die in der Pflege arbeiten, auf unsere Balkone gestanden und haben landesweit geklatscht. Sie wiederum zogen durch die Strassen – etwa beim «Walk of Care» – platzierten Forderungen, wiesen auf Missstände im Pflegeberuf hin. Das Thema bekam im Zusammenhang mit der Pflege-Initiative eine bedeutende politische Dimension. So hat das Schweizer Stimmvolk im November 2021 mit 61 Prozent Ja zur Pflege-Initiative gesagt.

Doch das Klatschen ist verstummt, die Euphorie nach Annahme der Pflege-Initiative verflogen. Denn eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen lässt auf sich warten. Die Politik ist gefordert, doch sie lässt sich Zeit (zentralplus berichtete).

Das Luks will nicht mehr länger auf die Politik warten und hat darum eigene Massnahmen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in die Wege geleitet. So hat es einen Tag mehr Ferien für alle eingeführt. Seit über einem Jahr bezahlt das Luks die Mitarbeiterinnen für die Umkleidezeit (zentralplus berichtete). Und es hat die Löhne für das Pflegepersonal überdurchschnittlich erhöht.

Die nächste Covid-Welle kommt

So oder so: Die Lage bleibt ungemütlich. Die Spitalauslastung ist bereits jetzt hoch – und die nächste Corona-Welle rollt gemäss Expertinnen bald über die Schweiz. Eigentlich stehen wir bereits mittendrin – in der Anfangsphase der nächsten Welle, wie der Zuger Kantonsarzt zu zentralplus sagte.

Schweizweit sind in den Spitälern acht von zehn Betten belegt. Besonders drastisch zeigt sich die Situation im Kanton Neuenburg: Da beträgt die Auslastung satte 98,5 Prozent. 407 Betten sind da belegt, gerade einmal noch sechs Betten sind frei. Im Kanton Luzern ist die Situation etwas entspannter. Aber auch hier liegt die Auslastung bei 77,6 Prozent. 788 Betten sind belegt, 228 Betten sind frei.

Corona ist derzeit aber nicht für die grosse Auslastung verantwortlich. So sind im Kanton Neuenburg 5,8 Prozent aller belegten Betten auf Covid zurückzuführen, im Kanton Luzern 3,4 Prozent.

«Es ist nicht klar absehbar, wie sich die Lage entwickeln wird.»

Linus Estermann, Projektleiter Kommunikation Luks

Wie die «Aargauer Zeitung» berichtete, gibt es erste Anzeichen dafür, dass Spitäler überlastet sind. So musste das Kantonsspital Aarau letztes Wochenende Patientinnen an andere Spitäler überweisen. Es sei an seine Kapazitätsgrenze gekommen. Grund: Fachkräftemangel.

Und der Schweizer Spitalverband sowie die Zürcher Spitäler bejahten gegenüber dem «Tages-Anzeiger» die Frage, ob sich während der kommenden Wintermonate in den Spitälern akute Engpässen anbahnen würden. Das Szenario der letzten Jahre könnte sich wiederholen: Die Schweizer stecken sich vemehrt mit Corona an, die Infektionen steigen auch beim Spitalpersonal. Das wiederum hat Auswirkungen auf den Spitalbetrieb.

Stösst das Luks an seine Grenzen?

In Luzern wird nicht so unverblümt Antwort auf dieselbe Frage gegeben. Man ist hier zurückhaltender, gibt sich bedeckter.

Das Luks schreibt, dass die Situation für alle Beteiligten zur Herausforderung wird. Auf die Frage, ob zu befürchten sei, dass es auch im Luks zu Engpässen komme und wie das Spital dem entgegenwirken wolle, schreibt das Luks lediglich: «Es ist nicht klar absehbar, wie sich die Lage entwickeln wird.»

«Kommt eine nächste Welle», schreibt das Luks, «gilt es, die Erfahrungen zu nutzen, um einen effizienten Pandemiebetrieb zu gewährleisten – also Behandlung, Testen, Impfen – und genügend Ressourcen für den Non-Covid-Bereich bereitzustellen.»

Das klingt schwarz auf weiss natürlich einfacher, als es in Realität sein dürfte. David Dürr von der Luzerner Diensstelle Gesundheit und Sport schreibt, dass der Kanton «in ständigem Austausch mit den Kliniken» stehe. «Unser gemeinsames Ziel ist immer, die Gesundheitsversorgung sicherzustellen.» Wie genau, das bleibt offen.

Verwendete Quellen
  • Telefonat und Chat mit Pflegefachperson
  • Schriftlicher Austausch mit Kommunikationsstelle des Luks
  • Statistik Spitalkapazitäten Schweiz
  • Schriftlicher Austausch mit Medienverantwortlichen von x28 AG, Zuger Kantonsspital, Kantonsspital Aarau, Unispital Zürich und Inselgruppe Bern
  • Schriftlicher Austausch mit Kommunikationsstelle der Luzerner Gesundheitsdirektion
  • Medienbericht «Aargauer Zeitung»
  • Medienbericht «Tages-Anzeiger»
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6 Kommentare
  • Profilfoto von Franz Schmidiger
    Franz Schmidiger, 09.10.2022, 13:31 Uhr

    Die kant. Amtsstellen werden immer selbstherrlicher. Sie krieren ihre eigene Vorschriften. Die Regierungsräte wären eigentlich ihre Chefs, diese sind aber heillos überfordert. Geben sich eher als gesetzgebende Behörde aus anstatt als die Ausführene und weisen den kantonsrat (gesetzgebende) eher in die Schranken. Viel Bürger und gewerbler sind unzufrieden.

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    • Profilfoto von Remo
      Remo, 09.10.2022, 16:31 Uhr

      Keine Ahnung was Sie uns sagen wollen und was das mit dem LUKS zu tun hat. Und zu Ihrer Info: Das LUKS ist keine «kant. Amtsstelle» sondern eine selbstständige gemeinnnützige Aktiengesellschaft!

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    Remo, 09.10.2022, 12:54 Uhr

    Das ist ja nun nichts neues und war schon in der Vergangenheit teilweise der Fall. Das LUKS kann das Fachpersonal auch nicht aus dem Hut zaubern. Weshalb man hier nun einen auf Panik machen muss erschliesst sich mir nicht. Wir sind doch hier nicht bei 20Minuten oder Blick.

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    Sasha Hugentobler, 09.10.2022, 12:36 Uhr

    Es will wohl niemand zum Imogen genötigt werden, deshalb läuft das, Personal davon. Kenne gleich mehrere, die dem Spital den Rücken gekehrt haben. Die Politik hat das super gemacht… Und jetzt kommen due ganzen Impfschäden and Licht und die brauchen Betreuung, da es oft schwerwiegende Nebenwirkungen sind!!!

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    • Profilfoto von Remo
      Remo, 09.10.2022, 18:08 Uhr

      Schwurbler sind in einem Spital tatsächlich fehl am Platz und die sollen gerne gehen.

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    P. Atient, 09.10.2022, 12:28 Uhr

    Kapazitäten zur Teilnahme an Studien sind offenbar vorhanden.

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