Zuger Bildungsdirektor beseitigt Bürokratie

Gestatten? Stephan Schleiss, der Verschrotter

Der Zuger Regierungsrat Stephan Schleiss in seinem Büro. Vor ihm der Ordner mit dem Entlastungsprogramm 2015–2018.

(Bild: mbe.)

Das Amt als Präsident einer kantonalen Ministerkonferenz begreift mancher Regierungsrat als willkommene Gelegenheit, sich auf nationalem Polit-Parkett zu zeigen. Nicht so Stephan Schleiss, der seit 2017 der Deutschschweizer Erziehungsdirektorenkonferenz vorsteht. Der Zuger SVP-Bildungsdirektor macht sich kurzerhand dran, sein Gremium abzuschaffen.

Beide sind (für Politiker) jung, dynamisch und smart – und beide wollen etwas bewegen: Matteo Renzi, vormaliger italienischer Premier, der sich vor wenigen Jahren mit viel Getöse dran gemacht hatte, die verkrusteten Strukturen des italienischen Staats aufzubrechen und sich deshalb selbst als Verschrotter, als «rottomatore» bezeichnete. Und Stephan Schleiss, Zuger Bildungsdirektor, der gerade dabei ist, in der Schweizer Schulpolitik ein Stück Bürokratie aus der Welt zu schaffen.

Von dem Vergleich mit Renzi «halte ich überhaupt nichts», sagt Schleiss gegenüber zentralplus. Aber das mag vielleicht auch dran liegen, dass der Florentiner Renzi Sozialdemokrat ist und gerne grosse Töne spuckt, während der Zuger Schleiss lieber als seriöser rechtsbürgerlicher Schaffer gesehen wird.

«Den Auftrag, die Strukturen der sprachregionalen Zusammenarbeit zu überprüfen, habe ich zeitgleich mit meiner Wahl als Auftrag der Plenarversammlung bekommen», sagt er zu seinen Plänen für die Deutschschweizer Erziehungsdirektorenkonferenz (D-EDK), die darauf abzielen, sie aufzulösen.

Zweifler folgt auf Befürworter

Die D-EDK ist eine Ministerkonferenz, die in der Vergangenheit vor allem einem Politiker zur Profilierung gedient hat: Christian Amsler, FDP-Regierungsrat aus Schaffhausen, von Haus aus Primarlehrer. Er gilt als Vater des «Lehrplans 21», der mittlerweile fast überall in der Schweiz eingeführt wurde.

Vier turbulente Jahre lang führte Amsler die D-EDK und stritt bei der Anzahl der Fremdsprachen in der Primarschule und den verschiedenen kantonalen Initiativen gegen eine neue Bildungspolitik an vorderster Front mit. 2016 musste er das Mandat wegen einer Amtszeitbeschränkung niederlegen – und Stephan Schleiss sprang ein.

«Ich habe mir das lange überlegt», sagt er, «und schliesslich angenommen, mit dem Ziel, Strukturen anzupassen.» Schleiss ist im Gegensatz zum Fremsprachenturbo und Harmonisierungseuphoriker Amsler ein Skeptiker und entschiedener Verteidiger der kantonalen Bildungshoheit. So führt der Kanton Zug unter Schleiss  den «Lehrplan 21» als zweitletzter in der Schweiz ein. Schleiss› Partei, die SVP, tritt traditionell gegen zu viel Vereinheitlichung an und wollte die D-EDK schon vor Jahren abgeschafft sehen.

Auflösung war immer der Plan

«Die D-EDK ist für den ‹Lehrplan 21› geschaffen worden», sagt Schleiss. «Jetzt, da er eingeführt wird, besteht keine Notwendigkeit mehr für dieses sprachregionale Gremium.» Schliesslich gäbe es weiter die gesamtschweizerische und die vier regionalen Erziehungsdirektorenkonferenzen (siehe Kasten).

Die Gebiete der vier regionalen Erziehungsdirektorenkonferenzen in der Schweiz.

Die Gebiete der vier regionalen Erziehungsdirektorenkonferenzen in der Schweiz.

(Bild: zvg)

Schleiss engagiert sich als Präsident der D-EDK auch stellvertretend für die Bildungsdirektorenkonferenz der Zentralschweiz (BKZ). Die Zentralschweiz hat ein besonderes Interesse an der D-EDK, denn diese unterhält ihre Stabstelle in Luzern. Die Behörde hatte vor einiger Zeit wegen all der Vorbereitungsarbeiten zum «Lehrplan 21» eine beachtliche Grösse, beschäftigt aber immer noch 13 Leute, die sich 8,4 Stellen teilen.

Ungewissheit für die 13 Angestellten in Luzern

«Die BKZ ist die grösste Kundin der Stabstelle», sagt Schleiss. Nicht zuletzt wegen ihr habe man ein Interesse, von der Zentralschweiz aus die Zukunft der D-EDK mitzubestimmen. Denn die Stabstelle soll weiter bestehen und mit ihrem Expertenwissen im Rahmen des gemeinsamen Lehrplans Dienstleistungen für die drei Deutschschweizer Bildungsregionen erbringen. «Ob sie allerdings weiter in Luzern bleibt, ist noch nicht entschieden», sagt Schleiss.

Ebenfalls noch nicht definitiv entschieden ist, wie die Liquidation der D-EDK vonstatten gehen soll. «Eine Arbeitsgruppe arbeitet daran», sagt Schleiss. Bis Juni 2018 will man einen Plan erarbeiten, wie die Plenarsitzungen der 21 Deutschschweizer Bildungsdirektoren überflüssig werden.

Zwei Wochen pro Jahr fürs Präsidium

Dies sei nicht auf seine persönliche Initiative oder jene der Zentralschweiz zurückzuführen, sagt Schleiss. «Der Leidensdruck in der Nordwestschweiz ist noch höher.» Denn die Bildungsregion Basel-Aargau-Solothurn hat zusätzliche Gremien zur Abstimmung der Bildungspolitik geschaffen, zu der sich die Vertreter jener Kantone  regelmässig treffen – was zusätzlich Zeit und Energie kostet.

«Wir Regierungsräte werden von Zuger Kantonsräten oft hart kritisiert für unsere Arbeit in kantonsübergreifenden Konferenzen, die in ihren Augen wenig einbringen», sagt Schleiss, der neben seinem Regeriungsratsjob pro Jahr 20 Halbtage als Präsident der D-EDK unterwegs ist. «Deshalb ist es auch wichtig, ein Gremium aufzulösen, wenn es nicht mehr gebraucht wird.»

So ist das Schulwesen in der Schweiz organisiert

Bildung fällt in der Schweiz vorab in die Hoheit der Kantone. Diese haben sich in der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) zusammengeschlossen, um ihre Bemühungen abzustimmen. Die EDK wiederum gliedert sich in vier Regionalkonferenzen – die der lateinischen Schweiz, der Ostschweiz, der Nordwestschweiz und der Zentralschweiz.

Weil in der Bundesverfassung seit 2006 die Harmonisierung der Schulbildung festgeschrieben wurde, die Kantone ihre Bildungshoheit jedoch nicht aufgeben wollten, haben jene 21 von ihnen, in denen Deutsch unterrichtet wird, den «Lehrplan 21» ausgearbeitet. Er legt Bildungsziele und Kompetenzen fest, die alle erreichen müssen – mit welchem Aufwand, bleibt im Detail den Kantonen überlassen. Stundentafeln und Ferienpläne bleiben unterschiedlich.

Um die Einführung des «Lehrplans 21» aufzugleisen und zu begleiten, haben sich die Nordwestschweizer, die Ostschweizer und die Zentralschweizer Regionalkonferenzen zur Deutschschweizer Erziehungsdirektorenkonferenz (D-EDK) zusammengeschlossen.

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1 Kommentar
  • Profilfoto von P. Aebersold
    P. Aebersold, 19.02.2018, 09:09 Uhr

    Das Schweizer Volk hat 2006 einer Harmonisierung der Volksschulziele, aber nicht einem Einheitslehrplan, zugestimmt. Beim Projekt Lehrplan 21 wurden die kantonalen Lehrpläne nicht harmonisiert, das heisst die Lehrpläne einander angepasst, sondern es wurde ein völlig fremdartiges Konzept von der OECD, die sogenannte „Kompetenzorientierung“ nach Weinert OECD 1999, übernommen. Der Geschäftsleiter der D-EDK argumentierte damals, es sei nicht wirtschaftlich, auf Lehrpläne einzelner Kantone ausgerichtete Lehrmittel zu entwickeln und er konnte 2006 die Erziehungsdirektoren der deutschsprachigen Kantone, ein nicht demokratisch legitimiertes Laiengremium, für ein „gemeinsames Werk“ überreden (BaZ 17.12.2013). Ab 2006 wurden von einer 6köpfigen Projektgruppe mit Kompetenz-, Gender- und Schulreformspezialisten die „Grundlagen für den Lehrplan 21“ erarbeitet, die 2010 von der D-EDK abgesegnet wurden. Erst 2010 wurden die 45 Lehrer und 45 PH-Dozenten in den Erarbeitungsprozess einbezogen und sie hatten aufgrund der ihnen vorgegebenen „Kompetenzorientierung“ die anfangs über 4000 Kompetenzstufen des Lehrplans 21 zu erarbeiten. «Die D-EDK ist für den ‹Lehrplan 21› geschaffen worden», sagt Schleiss Jetzt wo der Schaden aufgegleist und angerichtet ist, wollen sich die Verantwortlichen aus dem Staub machen?

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