Zuger Rentnerin ist das Aushängeschild der Coronamassnahmenkritiker
Vor Kurzem war sie noch eine unbekannte Personalberaterin im Ruhestand, heute gehört sie zu den bekanntesten Kritikerinnen von Coronamassnahmen: die Steinhauserin Marion Russek-Darphin. Im Vorfeld der Abstimmung vom 13. Juni ist sie in den Medien oft präsent.
Sie ist Copräsidentin des Vereins der Freunde der Verfassung, der erfolgreich das Referendum gegen die Gesetzgebung zur Bewältigung der Covid-19-Epidemie ergriffen hat. Sie tritt an vorderster Front bei nationalen Medienkonferenzen auf (das nächste Mal diesen Donnerstag in Bern) und ist an Coronademos anzutreffen, wo sie flammende Reden gegen die geltenden Einschränkungen hält. Auf den Zuger Strassen und Plätzen sieht man sie beim Unterschriftensammeln – ohne Maske, aber mit Dispens, versteht sich. Von Ruhestand kann bei Marion Russek-Darphin keine Rede sein.
Die 68-jährige Steinhauserin engagiert sich mit Herzblut gegen die offizielle Coronapolitik. An vielen Fronten opponiert sie dagegen, zum Beispiel gegen den ihrer Ansicht nach drohenden Impfzwang. «Viren sind Teil unserer Umgebung. Akzeptieren wir sie», schreibt sie in einem neueren Leserbrief. «In Anbetracht der Schäden, die die Massnahmen für die Gesamtbevölkerung verursachen, ist es an der Zeit, dass wir das Dogma ‹Gesundheit über alles› infrage stellen.»
Gegen behördliche Bevormundung
In erster Linie stört sie sich an der Einschränkung der Selbstbestimmung, die sie seit Beginn der Coronapandemie erlebt. «Ich habe mein ganzes Leben immer selber gemeistert», sagt Marion Russek-Darphin, «ich wehre mich dagegen, plötzlich bevormundet zu werden.» Als Geschäftsfrau ist sie zudem schockiert, mit «welcher Selbstverständlichkeit durch die Bundesratspolitik die Selbstständigerwerbenden an die Wand gefahren wurden und der Mittelstand geschwächt wurde». Aus ihrer Sicht wird die Verfassung, insbesondere das Gebot der Gewerbefreiheit, missachtet.
Zu ihrem Vorstandsamt bei den Verfassungsfreunden ist Marion Russek-Darphin nach eigenen Angaben wie die Jungfrau zum Kind gekommen. Auf einem coronakritischen Online-TV-Kanal habe sie einen Kommentar geschrieben. «Und fünf Minuten später kam ein Anruf, ob ich nicht aktiv mitmachen wolle», erzählt die Steinhauserin.
Das Engagement bei den Verfassungsfreunden fordert sie ziemlich heraus, ist zeitintensiv und sie muss dafür auch Kritik einstecken. Bereut hat sie es aber nicht und sie verdankt ihm eine nationalen Bekanntheit. Die politische Aktivistin betont, dass es im Verein nicht um emotionale Zugehörigkeit gehe, sondern um eine wichtige Sache. Auf den wachsenden Zuspruch für die Skeptikerbewegung ist sie stolz.
Bereits lokalpolitisch aktiv
Politisch aktiv geworden ist Marion Russek-Darphin das erste Mal auf gemeindlicher Ebene. In Steinhausen hat sie sich gegen den Bau des Zentrums «Dreiklang» mit Mehrzwecksaal gewehrt und an der Gemeindeversammlung dagegen das Wort ergriffen. Das Referendum gegen das Projekt, das von ihr federführend mitlanciert wurde, scheiterte 2013 an der Urne, allerdings nur knapp.
«Ich stosse mich in erster Linie daran, dass die Behörden kritische Stimmen von Anfang an nie angehört haben und dass kein echter Dialog stattgefunden hat.»
In der Stadt Zug war der Name der Familie Darphin schon vorher nicht ganz unbekannt. Der Grossvater kam im Ersten Weltkrieg als Internierter in die Schweiz und gründete in Zug eine Weinhandlung. Die Eltern führten das bekannte Hobbyhaus am Kolinplatz. Dieses war das erste Spielwarengeschäft in der Stadt und lange ein Mekka für Modelleisenbahnfreunde.
Familie in Südafrika gegründet
Nach der Kanti wurde es Marion Darphin in der Schweiz zu eng. Da Amerika wegen der Arbeitsbewilligung nicht infrage kam, wählte sie Südafrika. Dort lernte sie ihren späteren Ehemann kennen, mit dem sie zwei Kinder grosszog. Die politische Situation im Land hat sie wenig beschäftigt. «Ich habe dort gelernt, alle Menschen zu respektieren», sagt Marion Russek-Darphin im Gespräch. «Und mit allen zusammenzuarbeiten.» Dass ihre Rückkehr mit dem Ende der Apartheid zusammenfiel, sei Zufall und der Trennung von ihrem Mann geschuldet. Allerdings erwies sich auch die Sicherheitssituation in Südafrika als immer problematischer.
Zurück in der Schweiz, stieg sie in die Personalberatung und -vermittlung ein und baute sich so eine neue Existenz auf. Sie gründete Ende der 90er-Jahre eine eigene Firma, «mrd Personnel search», die sie bis 2019 führte. Hobbymässig interessierte sie sich immer für Architektur und Design. Noch heute baut sie Miniaturhäuser und Interieurs im Massstab 1:12.
Keine Fundamentalistin
Am Rednerpult bei der Coronademo in Zug (zentralplus berichtete) legte sich Marion Russek-Darphin ganz schön ins Zeug und zog vor dem euphorischen Publikum die passenden rhetorischen Register. Im persönlichen Gespräch wirkt sie überlegt und weder fundamentalistisch noch fanatisch. Sie bestreitet die Existenz des Virus nicht, hält es sogar für möglich, dass sie vor einem Jahr schon daran erkrankt ist.
Für ihre politischen Mitstreiter legt Marion Russek-Darphin die Hand ins Feuer. Im September hat sie zusammen mit anderen die Gruppe Zug-2020 gegründet, die heute fast 300 Mitglieder zählt. Eine Gefahr, dass diese Gruppierung von Extremisten mit fragwürdigen politischen Absichten unterwandert und missbraucht wird, sieht sie nicht. «Wir prüfen genau, wen wir bei uns mitmachen lassen und wer in unseren Onlinegruppen mitdiskutieren kann.»
Diskussion wichtiger als Abstimmungserfolg
Russek-Darphin ist sich bewusst, dass ihre Bewegung keine Patentrezepte gegen die aktuelle Krise bieten kann und selber auch «die Weisheit nicht mit Löffeln» gegessen hat. «Ich stosse mich in erster Linie daran, dass die Behörden kritische Stimmen von Anfang an nie angehört haben und dass kein echter Dialog stattgefunden hat.»
Deshalb ist für sie die Debatte im Vorfeld der kommenden Abstimmung fast wichtiger als das Ergebnis an der Urne. «Die gesellschaftlichen Grundsatzfragen und die Legitimität der Einschränkungen der persönlichen Freiheiten kamen bis jetzt in der Diskussion zu kurz.» Die Vollblutaktivistin wird sich bestimmt auch hier voll ins Zeug legen.
Ihre Prognose für die Abstimmung am 13. Juni? «Auch wenn ich auf der Strasse erfahren musste, dass viele gar nicht wissen, um was es bei der Covid-19-Vorlage geht – ich visualiere, dass das Gesetz versenkt wird», so Marion Russek-Darphin überzeugt. «Die, welche sich damit auseinandergesetzt haben, wissen, wie gefährlich es ist.»