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Die Kündigungswelle der Kesb Zug hat Folgen, wie ein Blick in deren Jahresbericht zeigt. Zwei von fünf Abklärungen zu Kesb-Massnahmen für Erwachsene dauern länger als drei Monate.
Die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden (Kesb) laufen auf dem Zahnfleisch. Die Fälle – gerade im Erwachsenenschutz – nehmen immer mehr zu (zentralplus berichtete). Gleichzeitig ist die Arbeitsbelastung hoch: 2021 musste eine Zuger Berufsbeiständin mehr als 80 Menschen in schwierigen Lebenssituationen betreuen. Empfohlen sind maximal 70 im Erwachsenenschutz und 60 im Kindesschutz.
Auch die Arbeit selbst ist alles andere als einfach: Die Kesb kommt grundsätzlich dann zum Zug, wenn’s knallt. Im Erwachsenenschutz etwa dann, wenn eine Person nicht mehr selbst für sich sorgen kann und von Bekannten nicht oder ungenügend unterstützt wird. So beispielsweise bei einer geistigen Behinderung oder einer psychischen Störung, wie im Merkblatt der Konferenz für Kindes- und Erwachsenenschutz (Kokes) steht.
Kinder mussten zum Teil über ein halbes Jahr auf Massnahmen warten
Die Kesb kann in solchen Situationen eine Beistandschaft anordnen, die je nach Fall verschiedene Kompetenzen hat. Zum Beispiel können Beistände für die Finanzen von Betroffenen zuständig sein, die dann nicht mehr frei über ihr Geld verfügen können (zentralplus berichtete). Da es sich um einschneidende Eingriffe in die persönliche Freiheit der Betroffenen handelt, bedarf es deshalb sorgfältiger Abklärungen.
Doch gerade dort hapert’s derzeit in Zug, wie der Jahresbericht 2022 der Kesb zeigt. Eines der definierten Ziele der Kesb besagt, dass ein Grossteil der Abklärungen innert nützlicher Frist erfolgt. Dieses Ziel ist 2022 deutlich verfehlt worden. Gut bei einem Viertel der Meldungen im Kindesschutz waren die Abklärungen nach fünf Monaten noch nicht erledigt. Sprich: Gut ein Viertel der Kinder, die zum Teil dringend Hilfe benötigen, warteten über ein halbes Jahr auf Massnahmen.
«Für Personen, die sich in einer Kesb-Abklärung befinden und auf einen Entscheid warten, kann die damit einhergehende Ungewissheit eine emotionale Belastung darstellen.»
Daniel Wallimann, Teamleiter Kescha, Anlaufstelle Kindes- und Erwachsenenschutz
Beim Erwachsenenschutz dauerten die Abklärungen in zwei von fünf Fällen länger als drei Monate.
Betroffene können unter langen Wartezeiten leiden
Solche langen Wartezeiten für Abklärungen haben Folgen, wie die Anlaufstelle Kindes- und Erwachsenenschutz Kescha auf Anfrage schreibt. «Für Personen, die sich in einer Kesb-Abklärung befinden und auf einen Entscheid warten, kann die damit einhergehende Ungewissheit eine emotionale Belastung darstellen», so Kescha-Teamleiter Daniel Wallimann. «Diese kann sich allenfalls negativ auf die Gesamtsituation im familiären Umfeld auswirken.»
Eine möglichst zeitnahe Bearbeitung von Fällen sei deshalb im Interesse der Betroffenen. Jedoch fügt Wallimann auch an, dass die Kesb-Stellen für fundierte und umsichtige Entscheide ausreichend Zeit benötigen. Dass die Zuger Kesb 2022 deutlich mehr Zeit benötigte, begründet sie im Jahresbericht wie folgt: «Nicht besetzte Stellen im Abklärungsdienst und in der Behörde verhinderten die Erreichung des Leistungsziels.»
Nachwehen von Kündigungswelle
Wie im Vorwort des Jahresberichts steht, hat es 2022 «eine grössere Personalfluktuation» gegeben. Auf Nachfrage möchte der Kesb-Präsident Mario Häfliger sich nicht zum Jahresbericht äussern, bevor dieser im Kantonsrat diskutiert worden ist. Jedoch dürften diese Abgänge unter anderem mit dem internen Konflikt vom Sommer 2022 zusammenhängen. In einem anonymen Schreiben haben Zuger Kesb-Mitarbeiterinnen Missstände angeprangert, die massgeblich auf eine Abteilungsleiterin zurückzuführen seien (zentralplus berichtete). Einige Tage später wurde sie freigestellt, woraufhin sie auf Ende Juli kündigte.
Weitere Mitarbeiter fielen krankheitsbedingt und wegen Pensionierung aus, wie dem Jahresbericht zu entnehmen ist. Nicht alle Stellen konnten jedoch «lückenlos wiederbesetzt» werden, auch des Fachkräftemangels wegen. Um die Aufgaben der Kesb trotzdem «effizient» und «effektiv» durchführen zu können, hat das Amt im Herbst 2022 einen Organisationsentwicklungsprozess gestartet, der auch 2023 noch fortgesetzt werde.
Was dieser Prozess bringt, wird sich also im Laufe des Jahres 2023 zeigen. Zuerst wird sich jedoch die Politik mit der Belastung der Kesb befassen. Am Donnerstag hat der Kantonsrat die Kommissionen für den Kesb-Bericht bestellt.
Wie arbeitet die Kesb und wie ist die Qualität der Entscheide? Dieses Thema stellt zentralplus in den Fokus einer Artikelserie.
- Jahresbericht 2022 der Zuger Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (ab Seite 125)
- Schriftlicher Austausch mit Daniel Wallimann, Teamleiter Kescha
- Schriftlicher Austausch mit Mario Häfliger, Kesb-Präsident
- Medienarchiv von zentralplus
- Merkblatt der Konferenz für Kindes- und Erwachsenenschutz