Zuger Hundeschule sucht verzweifelt nach Trainingsraum
Die Arbeit von Sozial- und Therapiehunden wirkt simpel, ist aber für Halterin und Tier anspruchsvoll. (Bild: zvg Hundeschule Wolfsrudel)
Seit Monaten sucht die Hundeschule Wolfsrudel nach Trainingsräumen, um Sozial- und Therapiehunde auszubilden. Es hagelt Absagen. Und dies, obwohl die Betroffenen überzeugt sind, der Gesellschaft Gutes zu tun.
Beat Eichenberger ist ernüchtert. Seit vielen Monaten versucht er vergeblich, für sein Unternehmen einen zahlbaren, grösseren Raum in der Region Ennetsee zu mieten. Gewerberäume gibt es zwar einige, darunter auch preiswerte. «Doch immer, wenn ich erwähne, dass wir den Raum für die Arbeit mit Hunden brauchen, kommt die Absage prompt.»
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Eichenberger ist der Geschäftsführer der Hundeschule Wolfsrudel in Hünenberg. Dort werden nicht nur «gewöhnliche» Hunde für den Alltag sozialisiert und erzogen. Die Hundeschule bietet auch Kurse für Sozial- und Therapiehunde an. Für die Ausbildung, welche Theorie- und Praxisblöcke beinhaltet, braucht es geeignete Räumlichkeiten.
«Trotz aller Bemühungen ist unsere Suche bislang erfolglos geblieben. Es ist wirklich frustrierend: Da arbeiten wir in einem Bereich, der so viel Positives bewirkt, und trotzdem fehlt uns die Unterstützung – vor allem, wenn es um Räumlichkeiten geht», äussert sich Eichenberger gegenüber zentralplus. Auch die Suche nach Spendengeldern, um einen etwas teureren Raum mieten zu können, verlaufe harzig.
Eine Herzensangelegenheit für Eichenberger
Dass das Social-Dog-Projekt für ihn eine Herzensangelegenheit ist, ist nicht zu überhören. Doch was heisst das konkret? Der Hundetrainer erklärt: «Wir besuchen mit den Hunden etwa regelmässig Alterszentren und sonstige Institutionen. Es ist wunderschön zu sehen, was der Kontakt mit Tieren bei den Bewohnerinnen auslösen kann.»
Eichenberger führt aus: «Gerade Menschen mit Demenz sprechen sehr gut auf diese Besuche an. Letzthin waren wir in einem Zürcher Alterszentrum zu Gast. Ein 80-jähriger, stark dementer Herr hatte so viel Freude, dass er am Schluss zusammen mit dem Hund auf dem Boden sass und diesen streichelte. Beide strahlten eine grosse Zufriedenheit aus.» Es sind solche Momente, die für ihn unbezahlbar sind. «Man wird beinah süchtig nach dem Gefühl, an diesen Orten etwas Sinnvolles zu leisten.»
Ein weiteres Erlebnis, das Eichenberger geblieben ist: «Wir arbeiten auch mit kognitiv Beeinträchtigten. Im Rahmen eines Besuchs in einer Institution begann ein Bewohner, Hundeguetsli im Schnüffelteppich zu verstecken.» Und weiter: «Das Personal schaute verwirrt. Denn offenbar hatte die Person sonst Mühe, überhaupt etwas in die Hand zu nehmen.»
Eine Arbeit, die auch ein «normaler» Hund machen kann
Für den Hundetrainer ist klar, dass diese Einsätze, die jeweils von Freiwilligen gemacht werden, erhalten und gefördert werden sollen. «Man kann mit Hunden viel machen. Es gibt die, die gut sind in der Nasenarbeit, andere sind für den Hundesport geeignet. Die Ausbildung zum Sozial- und Therapiehund kann auch interessant sein für ‹normale› Hunde.» Jedenfalls solche, die emotional stabil und nicht ängstlich sind und den Kontakt zu Menschen mögen.
Obwohl der Einsatz eines Sozialhundes zunächst simpel klingt, sei die Ausbildung nicht ohne. «Bei uns dauert sie mindestens ein Jahr. Dabei lernt man beispielsweise die Gesprächsführung mit Klienten. Man muss nicht nur ein guter Hundeführer sein, sondern muss auch wissen, wie man die Menschen zur Interaktion motiviert.» Will heissen: Das Hund-Mensch-Team muss wissen, wie man Vertrauen zum Gegenüber aufbaut.
«Weiter lernen die Kursteilnehmerinnen, wie man die Körpersprache und das Ausdrucksverhalten des Tiers richtig zu verstehen lernt. Ein Schwanzwedeln kann verschiedene Sachen bedeuten», sagt Eichenberger. «Auch müssen die Halter merken, wann ihr Hund müde oder überfordert ist, und sie dann schützen. Für Hunde ist es beispielsweise nicht angenehm, von 15 Leuten gleichzeitig gestreichelt zu werden. Man muss lernen, diese Situationen zu meistern.» Weiter werden die Teilnehmerinnen auch zu übertragbaren Krankheiten, sogenannten Zoonosen, unterrichtet, oder aber über psychiatrische Erkrankungen, welchen sie bei Besuchen begegnen können.
Keine «Gschpürschmi-Fühlschmi»-Sache
Dass die Arbeit mit Sozial- und Therapiehunden keine «Gschpürschmi-Fühlschmi»-Sache ist, sieht Dr. med. Patricia Englisch-Weinhofer tagtäglich. Die Psychiaterin arbeitet in ihrer Praxis im Zürcherischen Feldbach unter anderem mit schwer traumatisierten Menschen. Zu ihrer Praxis gehören nicht nur zwei Chihuahuas, sondern auch zwei Katzen. Und die werden auch aktiv in die Therapie einbezogen. Jedenfalls, wenn das die Tiere und die Patienten wollen.
«Es gibt verschiedene Studien, die belegen, dass die tierbegleitete Therapie Sinn macht. Doch allem voran sehe ich das in meinem Alltag», sagt sie und führt aus: «Nehmen wir als Beispiel eine Person mit einer Depression. Das Streicheln eines Tiers kann Ruhe und Nähe bringen. Depressive Menschen sind oft einsam. Die Körperwärme und die Zuwendung kann ihnen guttun. Doch können die Patientinnen am Bild des Hundes auch etwas über sich lernen.»
Will heissen? «Ich frage dann zum Beispiel: Was denken Sie, würde dem Hund jetzt guttun? Die Antwort lautet vielleicht: ein Spaziergang. Dann frage ich, ob das etwas wäre, was auch dem Patienten guttäte.» Oft falle es Menschen mit einer psychischen Erkrankung schwer, etwas bei sich selber zu erkennen. «Diesen Punkt gegen aussen zu lenken, in diesem Fall auf ein Tier, kann helfen. Man spricht dabei von Triangulation.»
Der Chihuahua kommt, wenn Tränen fliessen
Englisch-Weinhofer erzählt: «In meiner Praxis gibt es zwei Räume. Die Türe dazwischen ist meist offen, sodass die Tiere sich auch in den anderen Raum verziehen dürfen. Das Credo ist, dass man den Tieren nichts antrainiert.» Sie erklärt weiter: «Mein älterer Hund, Yoda, kommt jeweils in den Raum, wenn sich die Stimmung in Richtung Weinen verändert.» Der Hund ersuche dann bei seiner Halterin mittels Augenkontakt ein Zeichen, ob er beim Patienten aufs Sofa darf. «Und wenn dieser möchte – das ist meist der Fall – legt er sich dort auf den Schoss. Er kuschelt sich jeweils mit dem Gesicht zur Träne hin, sodass er sie auffangen kann.»
Auch bei der Arbeit mit Schwertraumatisierten könne der Kontakt mit den Tieren helfen. «Während der Traumaexploration kann es sein, dass Patientinnen dissoziieren, also ins Trauma fallen. Die Berührung eines Hundes kann das Hirn so stimulieren, dass die Person im Hier und Jetzt bleibt. Sie können über ihr Trauma sprechen, ohne hineinzufallen.» Oft sei es eine von Englisch-Weinhofers Katzen, die sich während der Explorationen zum Patienten lege.
Zwischen den Sitzungen oder auch währenddessen, legen sich die Tiere oft hin und schlafen. «Es ermüdet sie sehr. Aus diesem Grund mache ich regelmässig aktive Pausen, in denen ich mit den Hunden spazieren gehe. Dabei dürfen sie schnüffeln, so viel sie wollen. Oder ich übe mit ihnen etwas, was sie kognitiv ganz anders fordert.» Jede Sitzung ende zudem mit einem Spasselement, um die Tiere auf eine andere emotionale Ebene zu holen.
Englisch-Weinhofer ist Teil des Social-Dog-Teams der Hundeschule Wolfsrudel und macht regelmässige freiwillige Einsätze in Altersheimen. Sie erzählt von ähnlichen Erfahrungen wie ihr Kollege Beat Eichenberger. «In einer Aktivierungsgruppe, die ich regelmässig besuche, ist auch eine jüngere Person mit spastischen Fingern dabei. Es fällt ihr schwer, allein die Hand zu öffnen. Sie schafft es jedoch sogar, den Hund zu streicheln.» Anderen älteren Bewohnern gelinge es auch, einen Futterbeutel mit einem Reissverschluss zu öffnen, ein Guetsli herauszunehmen und es dem Hund zu geben. «Für mich würde sie das nie machen, für den Hund hingegen schon», sagt Englisch-Weinhofer.
«Es geht bei diesen Einsätzen um viel mehr als nur darum, Spass zu haben. Es steckt sehr viel Wissen und Engagement dahinter», sagt die Psychiaterin, die selber den Unterrichtsblock zu psychischen Erkrankungen beim Projekt Social Dog leitet. «Darum ist es wichtig, dass die Ausbildung zum Social Dog fundiert ist.»
Kleine Hunde mit Schäferhundseele
Ach, übrigens: Warum eigentlich gerade Chihuahuas? Englisch-Weinhofer schmunzelt und sagt: «Ich bin mit einem deutschen Schäferhund aufgewachsen. Es war mein eigener Hund und wir hatten ein sehr inniges Verhältnis zueinander. Ich war oft krank, und wenn ich weinte, hat er mir die Tränen abgeleckt. Auch hat er mich vor meinen viel älteren Brüdern beschützt, wenn sie mich ärgerten.»
In ihrer heutigen Situation sei ein so grosser Hund jedoch nicht praktisch. «Meine Eltern leben in Österreich und um sie regelmässig zu sehen, muss ich fliegen.» Deshalb wollte sie einen möglichst kleinen Hund, den man mit in die Kabine nehmen kann. «Ausserdem sagt man, Chihuahuas seien innerlich wie Schäferhunde. Daher passt das.»
Journalistin und langjährige Autorin bei zentralplus. Schreibt über politische Querelen, aufregende Bauprojekte und gesellschaftlich Bewegendes. Am liebsten jedoch schreibt sie über Menschen. Und natürlich Hunde.