Gesellschaft
Jolanda Spiess-Hegglin zieht Urteil weiter

Zuger Buchverbot wird ein Fall fürs Bundesgericht

Über die Vorkommnisse an der Landammannfeier wurde viel geschrieben – mehrfach wurden die Persönlichkeitsrechte der Beteiligten verletzt. (Bild: Collage zentralplus)

Jolanda Spiess-Hegglin will verhindern, dass die Journalistin Michèle Binswanger ein Buch über die Zuger Landammannfeier 2014 veröffentlicht – und damit ihre Persönlichkeitsrechte verletzt. Sie zieht deswegen vor Bundesgericht.

Das Zuger Obergericht hat entschieden, dass die Zürcher Journalistin Michèle Binswanger ein Buch über die Zuger Landammannfeier 2014 und deren politische und mediale Auswirkungen schreiben darf (zentralplus berichtete). Die ehemalige Zuger Kantonsrätin Jolanda Spiess-Hegglin hatte sich dagegen gewehrt. Nun hat sie entschieden, den Entscheid beim Bundesgericht anzufechten, wie sie gegenüber zentralplus bestätigt.

Wie stehen ihre Chancen, sich dort Gehör zu verschaffen? Das kommt darauf an, wen man fragt. Der Fall ist schon seit längerem ein medienrechtlicher Zankapfel (zentralplus berichtete). In der Medialex, einer Zeitschrift für Medienrecht, wird das Urteil des Zuger Obergerichts nun ausführlich besprochen. Und zwar von der Fribourger Professorin Christiana Fountoulakis.

«Dass eine von der Gesuchstellerin und Berufungsbeklagten in Aussicht gestellte Beschwerde ans Bundesgericht Erfolg haben könnte, ist unwahrscheinlich», so die Einschätzung der Professorin. Das Urteil des Obergerichts Zug sei überzeugend.

Das Buch ist noch nicht geschrieben – sagt die Journalistin

Um ein Buchverbot zu erreichen, müsste Jolanda Spiess-Hegglin im juristischen Sinne «glaubhaft» machen, dass darin ihre Persönlichkeitsrechte verletzt werden. Nur: Das Buch ist gemäss Michèle Binswanger noch gar nicht geschrieben. Spiess-Hegglin bestreitet dies und verweist dafür auf mehrere Quellen, die sie jedoch teils nicht benennt.

Die ehemalige Kantonsrätin argumentiert zudem damit, dass die Journalistin von der Staatsanwaltschaft Basel wegen Verleumdung per Strafbefehl zu einer Geldstrafe verurteilt worden war (zentralplus berichtete). Dies, weil Binswanger mit ihrem Tweet «wider besseren Wissens» die Unwahrheit über Spiess-Hegglin verbreitet hatte.

Allerdings hat Michèle Binswanger den Strafbefehl angefochten. Der Entscheid ist also nicht rechtskräftig. Und selbst wenn er es wäre: Aus Sicht des Obergerichts wäre das kein Beweis dafür, dass Binswanger in ihrem Buch ähnliche Äusserungen wiederholt. Sie arbeite seit über zwanzig Jahren als Journalistin und sei nie wegen Persönlichkeitsverletzungen in Zusammenhang mit ihrer Arbeit vom Presserat gerügt worden.

«Das Urteil ist ein Lehrstück dafür, dass das im Rahmen vorsorglicher Massnahmen herabgesetzte Beweismass des Glaubhaftmachens nicht bedeutet, dass pauschale Behauptungen als Beweis- bzw. Glaubhaftmachungsmittel ausreichen», schreibt die Fribourger Professorin Christiana Fountoulakis in ihrer Urteilsbesprechung.

Veröffentlichung ist noch nicht beschlossene Sache

Dass das Buch dereinst veröffentlicht werden kann, ist damit aus Sicht von Fountoulakis aber nicht klar. Es handle sich vorerst lediglich um gescheiterte vorsorgliche Massnahmen. Spiess-Hegglin habe jederzeit die Möglichkeit, bei veränderten Umständen ein neues Gesuch um vorsorgliche Massnahmen einzureichen.

Dies beispielsweise, wenn aufgrund des vollendeten Manuskripts glaubhaft gemacht werden kann, dass die Persönlichkeitsrechte von Jolanda Spiess-Hegglin verletzt werden. «Zum jetzigen Zeitpunkt hingegen rechtfertigen sich vorsorgliche Massnahmen, wie sie vorliegend beantragt wurden, nicht», so findet Fountoulakis.

Spricht Uneinsichtigkeit für Wiederholungsgefahr?

Wer zwei Juristinnen fragt, bekommt drei Meinungen zu hören, so heisst es. Deshalb wundert es nicht, dass es Medienanwälte gibt, die eine andere Auffassung vertreten. So zum Beispiel der Jurist Martin Steiger, der als Beirat für den Verein Netzcourage tätig ist, den Jolanda Spiess-Hegglin gegründet hat.

Er kann nicht nachvollziehen, dass Zuger Obergericht betreffend die Verleumdung keine Wiederholungsgefahr sah. Das Gericht habe gewusst, dass sich Michèle Binswanger deshalb nach Ansicht der Staatsanwaltschaft Basel strafbar gemacht hat. Und auch, dass sie gegen den entsprechenden Strafbefehl Einsprache erhoben hatte, «das heisst, den strafbaren und persönlichkeitsverletzenden Charakter bestreitet», so Steiger. «Insofern wäre aus meiner Sicht jederzeit wieder mit einer entsprechenden Äusserung zu rechnen.»

Das Zuger Obergericht hatte zudem argumentiert, dass sich Jolanda Spiess-Hegglin nicht darauf berufen könne, dass ihre Privatsphäre verletzt werde. Und zwar, weil sie selber in den letzten Jahren teilweise öffentlich über die Geschehnisse an der Landammannfeier sprach. Dieses Argument überzeugt Medienanwalt Martin Steiger – im Gegensatz zur Professorin aus Fribourg – nicht.

«Das Urteil erweckt bei mir den Eindruck, betroffene Personen dürften sich – wenn überhaupt – nur still und leise gegen persönlichkeitsverletzende und anderweitig widerrechtliche Medienberichterstattung zur Wehr setzen», schreibt er auf Anfrage von zentralplus. «Wer, genauso wie die gegnerischen Medien, öffentlich kommuniziert oder sich für andere betroffene Personen engagiert, verwirke sein Recht, kein Gegenstand der Berichterstattung zu sein.»

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