Zuger Bauern kritisieren geplante Reussdamm-Sanierung
Der Kanton Zug beabsichtigt, den Reussdamm in Hünenberg instand zu stellen. Darüber wundert sich niemand – erst recht nicht nach der Hochwassergefahr im letzten Sommer. Doch es gibt Direktbetroffene, die mit den detaillierten Plänen überhaupt nicht einverstanden ist. zentralplus hat einen Gegner vor Ort besucht und den Kanton mit den Kritikpunkten konfrontiert.
Und plötzlich wurde aus der gemächlich dahinfliessenden Reuss ein reissender Fluss, in dem ganze Bäume mitgetrieben wurden, und der anfing, umliegende Wiesen und Wälder zu überschwemmen. Das Hochwasser vom letzten Juli hat den Zentralschweizern gezeigt, wie viel Kraft die Natur hat (zentralplus berichtete).
In Hünenberg war die Lage besonders prekär. Dort drohte der Damm aufgrund der hohen Wassermassen zu brechen. Noch heute, ein halbes Jahr später, sind Ad-hoc-Verbauungen am Reussufer zu sehen. Fast, wie wenn man der Sache nicht so recht trauen würde.
Unmittelbar besteht natürlich keine Gefahr. Dass man der Reuss jedoch tatsächlich nicht trauen kann, beweist nicht nur das jüngste, sondern auch ein Hochwasser aus dem Jahr 2005. Damals stieg der Wasserpegel innert 18 Stunden um 1,5 Meter. «Es erstaunt, dass man die Schwachstelle von damals noch nicht behoben hat», sagt Leo Luthiger, der in der Reussebene einen Landwirtschaftsbetrieb besitzt.
Denn seit Jahren bestehen seitens des Kantons Pläne, wie man die Reussebene besser vor drohenden Hochwassern schützen kann. Gleichzeitig sollen ökologische Defizite behoben werden.
Landwirte wehren sich gegen Projekt
Nicht alle sind begeistert von den Plänen. Unter den Kritikern finden sich einige Bauern aus der Umgebung. Wir treffen Leo Luthiger bei sich in der Reussebene. Der pensionierte Landwirt ist überzeugt: «Bezüglich Hochwasserschutz hat der Kanton kein Konzept.»
«Die Situation an der Reuss beobachte ich seit rund 50 Jahren und weiss mittlerweile sehr genau, welche Massnahmen effektiv sind.»
Leo Luthiger, Hünenberger Landwirt
Luthiger ist einer von mehreren Landwirten aus der Gegend, welche die Vorgehensweise des Kantons bemängeln. «Bezüglich des Unterhalts an der Reuss hat der Kanton kein Konzept.» Luthiger ist in Hünenberg als Sohn eines Bauern aufgewachsen. «Die Situation an der Reuss beobachte ich seit rund 50 Jahren und weiss mittlerweile sehr genau, welche Massnahmen effektiv sind und welche nicht.» Er lädt uns ein, uns selber ein Bild zu verschaffen.
Bauern bringen eigene Idee vor
Mit einem VW-Bus fahren wir über Landstrassen zu jenem Reuss-Abschnitt, wo die Lage im Sommer besonders ungemütlich wurde, südlich der Reussebene. Gegen Osten, in Richtung Rotkreuz, erhebt sich ein Hügelzug, der als natürlicher Hochwasserschutz dient. Dort beginnt der Damm, der sich kilometerlang der Reuss entlang in Richtung Norden zieht. Hier jedoch ist er noch deutlich tiefer als weiter vorne, in Richtung Zollhaus.
Zu wenig hoch, wie die Situation diesen Sommer bewies. Mit Plastik verkleidete Paletten wurden montiert, das Konstrukt wurde ausserdem durch Sandsäcke verstärkt. Noch immer steht es da und wartet auf die nächste Überschwemmung. Wenige hundert Meter entfernt drohte der Damm im Juli zu brechen und musste darum eiligst mit Bergen von Kies verstärkt werden. Diese wurden mittlerweile abgetragen. Der Grund für den Durchbuch aus Sicht des Landwirts: Fehlender Unterhalt, wodurch sich etwa auch Mäuse im Damm angesiedelt hätten, die den Bau marode machen würden.
Von dort aus fahren wir einige hundert Meter der Reuss entlang in Richtung Norden. Hier, wo sich die Reussebene zu erstrecken beginnt, hält Luthiger an: «Viele Landwirte aus der Umgebung hätten es begrüsst, wenn der Damm vom Hügelzug aus quer über dieses Feld bis zum Fluss geführt würde.» Mit dem Verlust des Feldstückes könnte sich die Korporation arrangieren, erklärt Luthiger.
Bis vor wenigen Jahren war er im Korporationsrat zuständig für die Anliegen der Landwirtschaft, wobei auch die Verlegung dieses Dammstücks thematisiert worden sei. Der Kanton sei jedoch dagegen gewesen. Der Grund? «Es heisst, der Damm träte hier zu stark in Erscheinung.»
Ein Damm durchs Naturschutzgebiet? Geht nicht, sagt der Kanton
Das ist nicht der alleinige Grund, wie wir vom Kanton erfahren. Baudirektor Florian Weber sagt dazu: «Der von den Grundeigentümern vorgeschlagene Dammverlauf wäre mitten durch das offen liegende kantonale Naturschutzgebiet Giessen verlaufen. Diese Zertrennung ist aus Gründen von Natur-, Landschafts- und Gewässerschutz nicht bewilligungsfähig.»
Luthiger kontert: «Würde man den Damm nach unseren Wünschen verlegen, könnte man 600 Meter des bestehenden Dammes rückbauen. Die Ufergegend würde dadurch eine ökologische Aufwertung erfahren.»
Flussabwärts, beim Beugerank, wo die Reuss eine Rechtskurve bildet, steht in der Nähe des Ufers ein Wäldchen. Geht es nach den Plänen des Kantons, wird der Damm, der heute direkt am Fluss durchführt, hinter den Wald verlegt. «Dadurch würde bestes Kulturland verschwendet», kritisiert Luthiger, dessen Land ebenfalls betroffen wäre. Und fragt rhetorisch: «Würde denn diese Verbauung nicht übermässig in Erscheinung treten?»
Darauf entgegnet der zuständige Regierungsrat Florian Weber: «Der Damm im Beugerank folgt dem Waldrand. Optisch fällt er ‒ wenn überhaupt ‒ nur wenig mehr als heute auf. Im Vergleich zu den oben- und untenliegenden Abschnitten fällt der Damm gerade im Beugerank am wenigsten auf.»
Ein weiterer Punkt beim Unterhalt stört Luthiger. Er zeigt auf einen Streifen aus Bäumen und Gewächsen, der zwischen Damm und Fluss wächst. «Als ich ein Kind war, war hier noch kein einziger Baum. Flussraumtechnisch dürften am Ufer keine Hochstämmer wachsen und es müsste regelmässig von Sand und Geröll befreit werden.»
Wird der Damm zu wenig unterhalten?
Wir verlassen das Auto und treten ans Ufer, auf dem sich eine Sandbank gebildet hat. Diese liegt mindestens 1,5 Meter über dem Flusspegel. «Vor sechs Jahren wurde der Sand an dieser Stelle abgetragen. Dies, damit das Wasser, wenn es besonders hoch ist, mehr Platz hat. Nur hinterlässt dieses jeweils so viel Geschiebe, dass die Stelle bereits völlig verlandet ist. Der Effekt ist sehr schnell verpufft», erklärt der Zuger Bauer. «Ich verstehe ja, dass man Renaturierungen machen will, damit die Biodiversität steigt. Doch müsste man dann auch für den Unterhalt sorgen.»
Was den Landwirt ärgert: «In den Plänen des Kantons ist häufig von der ökologischen Aufwertung die Rede. Die Ernährungssicherheit, sprich, der Erhalt von Kulturland, scheint den Behörden viel weniger wichtig zu sein, obwohl die Schweiz stark überbevölkert ist.»
Im Wald soll zudem ein Seitengerinne entstehen, wo das Wasser ab einer gewissen Flusshöhe durchfliessen kann. Luthiger glaubt aber nicht an den Nutzen. «In 50 Jahren wird dort so viel Geschiebe liegen, dass das Wasser gar nicht mehr da hin kommt.» Zur Veranschaulichung zeigt uns Luthiger ein bestehendes, kleineres Seitengerinne, das bereits über einen Meter hoch mit Geschiebe verstopft ist und kaum mehr als solches erkennbar ist.
«Teile des Ufers wurden zwar in den letzten Jahren unterhalten, doch wurden diese Massnahmen von Privaten oder von der Korporation getragen», kritisiert Luthiger.
Im Gegensatz zu Luthiger ist man beim Kanton der Ansicht, dass Renaturierungen sehr wohl etwas bringen würden. «Umgesetzte Beispiele entlang der Reuss zeigen, dass Renaturierungen und Aufweitungen als Schwemmholzrückhalt wirken und damit das Verklausungsrisiko, also das Risiko durch Ansammlung von Schwemmholz, insbesondere auch bei Brücken, minimieren», sagt Florian Weber.
«Die Renaturierung wirkt sich sogar positiv auf die Systemsicherheit aus.»
Regierungsrat Florian Weber
«Darum wirkt sich die Renaturierung sogar positiv auf die Systemsicherheit aus.» Ein Entfernen oder Freihalten von Bewuchs am Ufer und eine Aufrechterhaltung der Betonabpflästerung widerspreche den heutigen und vom Bund verlangten Anforderungen an ein Wasserbauprojekt.
Luthiger sagt: «Die übertriebenen ökologischen Begleitmassnahmen will der Kanton, um Subventionen vom Bund abzuholen. Nur handelt es sich dabei letztlich um nichts anderes als unsere Steuergelder.»
Beim Kanton reagiert man trocken: «Der Bund subventioniert und bewilligt nur Projekte, die die Anforderungen an das Gewässerschutzgesetz erfüllen. Der Kanton ist verpflichtet, das Bundesgesetz umzusetzen und erhält dafür auch entsprechende Subventionen.»
Können nur die Luzerner ein Hochwasser in Hünenberg verhindern?
Einen richtigen Hochwasserschutz könne man an der Reuss im Endeffekt sowieso nicht gewährleisten, ist sich der Bauer sicher. «Die einzige Lösung wäre es, den Vierwaldstättersee vorgängig vor Starkregenperioden abzusenken. Nur so kann die Reuss letztlich reguliert werden. Doch das sähe natürlich nicht besonders schön aus.»
Es gehe ihm mit seiner Kritik nicht darum, den Kanton in die Pfanne zu hauen, beteuert der 68-Jährige. «Doch fühlen wir uns nicht gehört. Zwar durften wir Landwirte aus der Umgebung vor einigen Jahren unsere Haltung vor dem Regierungsrat äussern und waren auch beim Bund. Unsere Inputs wurden jedoch nicht berücksichtigt.»
Zurzeit liegen die Pläne des Kantons beim Bund und der Gemeinde zur Vernehmlassung. Läuft alles wie geplant, soll die Reussdammsanierung 2024 realisiert werden.
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Hegard, 30.11.2021, 08:33 Uhr Ich finde der Bauer hat nach 50 J Erfahrungen sicher recht.
Die Korperatioen und Private sollten mehr in Pflicht genommen werden.
Wobei es braucht nicht viel Erfahrungen,um zu sehen, das erst wieder Massnahmen erfolgen wenn es 5 vor 12 ist.
Wenn Mann die Bilder der Überschwemmung von Luzern 1910/2005 und 2020 ansieht,gibt es kleine Unterschiede, und zwar schwarzweiss und Farbe oder Kleider.
Also kann Mann annehmen,sie warten bis zur nächsten Katastroffen.aber das ist man ja von der Politik gewöhnt.
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