Anti-WEF-Demo

Zug in Angst: Viel Lärm um … nicht viel

Die Zürcher Linksaktivistin Andrea Stauffacher hält ihre Rede auf dem Bundesplatz Zug. (Bild: mbe.)

In Zug waren rund 200 Personen, Zuschauer eingeschlossen, am Samstag an der unbewilligten Kundgebung gegen das WEF. Ein Grossaufgebot von Polizisten aus Zug und Luzern kesselte die eigentlichen Demonstranten auf dem Bundesplatz ein. So sollten Gewalt und Sachbeschädigungen verhindert werden. Warum trotzdem viele Zuger den Polizeieinsatz «unverhältnismässig» fanden.

Es waren Szenen, wie sie Zug nicht jeden Tag erlebt (siehe Bildergalerie). Die angekündigte Kundgebung richtete sich gegen das World Economic Forum (WEF) in Davos. Ein anonymes «Anti-WEF-Bündnis» hatte seit Wochen zur Demo aufgerufen. Die Stadt Zug «mit all ihren Konzernen,  Briefkastenfirmen und Steuerflüchtlingen» sei der passende Ort für den Protest.

Die Demonstrantinnen und Demonstranten kritisierten nicht nur das WEF, sondern das kapitalistische System. «Während sich die Bonzen an diesem Event in Davos, geschützt von Militär und Polizei, treffen, gehen wir dorthin, wo das Kapital tagtäglich sitzt.» Und das sei eben Zug, wo diverse internationale Konzerne wie Glencore, Roche, Sika und Siemens ihren Sitz hätten. Der Rohstoffhandel von Glencore oder das Geschäft mit Medikamenten von Roche seien «verheerend für hunderte Millionen Menschen und die Umwelt».

«In eurer Stadt sitzen Konzerne, die töten, vertreiben und zerstören. Aber ihr sorgt euch um die ‹Gewalt› einer Demo?!»

Andrea Stauffacher, Linksaktivistin

Polizei in Kampfmonturen

Um 15 Uhr sollte die Kundgebung beginnen. Schon vorher herrschte eine gespenstische Spannung im Städtchen. Martialisch gekleidete Angehörige der Transportpolizei (früher Bahnpolizei) kontrollierten bereits im Bahnhof die tröpfchenweise eintreffenden Demonstranten. Ihr Auftrag sei es, die Geschäfte im Bahnhof und die Passanten zu schützen, erklärte ein Transportpolizist zentral+. Sie kontrollierten Taschen und Rucksäcke auf Waffen oder andere gefährliche Gegenstände. Währendessen standen an der Alpenstrasse und beim Bundesplatz überall Grüppchen von Menschen und warteten, was passieren würde. Sie wurden teilweise ebenfalls von Polizisten kontrolliert.

Stadtrat Urs Raschle, Departement Soziales, Umwelt und Sicherheit from zentralplus on Vimeo.

 

Die Demo begann etwas später als angekündigt. Andrea Stauffacher aus Zürich, Anführerin des «Revolutionären Aufbaus», hielt vor dem Coop am Bundesplatz mit dem Megaphon eine Rede. Die 66-jährige Stauffacher führte jeweils am 1. Mai in Zürich den «Schwarzen Block» an. Hinter ihr standen vor dem Coop Demonstranten mit Transparenten. «Zug um Zug zur sozialen Revolution», war zum Beispiel zu lesen. Oder: «In eurer Stadt sitzen Konzerne, die töten, vertreiben und zerstören. Aber ihr sorgt euch um die ‹Gewalt› einer Demo?!»

«In Zug sind wir uns das nicht gewohnt.»

Dolfi Müller, Stadtpräsident

Die Rede war sehr kurz und richtete sich auch gegen die Beschneidung der Meinungsäusserungsfreiheit. Stauffacher erhielt Applaus von den vielen Zuschauern – und einige Buhrufe. Daraufhin war die Aktion schon beendet. Die Polizei begann die Demonstranten einzukesseln, drängte die Zuschauer immer weiter zurück. Autos mit Absperrgittern fuhren vor und sperrten den Platz ab. Die Zuschauer, viele jüngere Leute, aber auch Passanten sowie Angestellte der Geschäfte am Bundesplatz blieben und schauten.

Hoffnung auf ruhige Demo

Verschiedene Zuger Politiker waren ebenfalls anwesend, der kantonale CVP-Sicherheitsdirektor Beat Villiger, CVP-Stadtrat Urs Raschle, der Zuger SP-Stadtpräsident Dolfi Müller und SVP-Gemeinderat Gregor Bruhin. Sie betonten, dass sie hofften, dass es keine Gewalt und Sachbeschädigungen gebe.

«Aber da hat es ja mehr Polizisten als Demonstranten. Es gibt eine Demo, und niemand geht hin.»

Ein Zuschauer 

Laut Urs Raschle hat man versucht, im Vorfeld die Organisatoren ausfindig zu machen und sie dazu zu bewegen, eine Bewilligung einzuholen. Das sei aber nicht möglich gewesen. Stadtpräsident Dolfi Müller stellt fest: «In Zug sind wir uns das nicht gewohnt.» Im Rahmen des Demonstrationsrechts habe er nichts gegen Kundgebungen, aber er lehnt Gewalt ab. «Demokraten üben keine Gewalt aus», sagt Müller.

Viele Zuschauer fanden, unabhängig von ihrer politischen Einstellung, der Polizeieinsatz sei unverhältnismässig. Ein Passant, der für einen multinationalen Konzern arbeitet, aber nicht mit Namen genannt werden wollte, sprach von einer «Machtdemonstration des Staates». Es sei ja nicht verboten, zu demonstrieren, solange man anständig bleibe und nichts kaputt mache. «Aber da hat es ja mehr Polizisten als Demonstranten. Es gibt eine Demo, und niemand geht hin.»

«Im rausgepützelten Zug darf es keine Meinungen geben, die nicht der Norm entsprechen.»
Patrick, 35

Patrick, 35, findet es tragisch, dass Meinungen unterdrückt würden. «Wenn eine Demonstration keine Bewilligung hat, schreiben die Zeitungen sofort von Chaoten und schüren Angst.» Die «Neue Zuger Zeitung» habe massiv Stimmung gemacht. «Im rausgepützelten Zug darf es keine Meinungen geben, die nicht der Norm entsprechen», fügt er hinzu.

Doch es gibt auch andere Meinungen. Eine Gruppe junger Männer, die nach eigenen Worten das Pickwick-Pub beim Bahnhof beschützten, erklärten zentral+, sie hätten «mit den Linken nichts am Hut». Sie ständen für den Mittelstand ein.

«Da sind Profis darunter. Die hätten mir sicher gesagt, ich solle mich verziehen.»

Dolfi Müller, Zuger Stadtpräsident

Der Stadtzuger Hans Hürlimann verurteilt die unbewilligte Demonstration. «Man sollte den Zuger Linken von SP und Grünen die Rechnung für den Sicherheitsaufwand der Geschäfte und für den Polizeieinsatz schicken.» Unter den Polizisten seien Familienväter, die auch gerne frei hätten. «Sie mussten jetzt für solche Tschumple geradestehen.»

Hürlimann und andere finden, Stadtpräsident Dolfi Müller hätte ja mit den Demonstranten reden und die Kundgebung auflösen können. zentral+ sprach Müller darauf an. «Da sind Profis darunter», sagt der SP-Stadtpräsident und lacht, «die hätten mir sicher gesagt, ich solle mich verziehen.»

Zwischen 16 und 17 Uhr wurden gewisse Leute verhaftet und abgeführt. Später fuhren weisse Polizei-Kastenwagen mit Luzerner Nummerschildern vor. Ein Wasserwerfer war ebenfalls vor Ort, kam aber nicht zum Einsatz. Der Strassenverkehr im Zentrum war während der Polizeiaktion gesperrt, gegen 17.30 Uhr war alles zu Ende.

Die Demonstration hatte Auswirkungen auf eine andere für Samstag geplante Veranstaltung auf dem Bundesplatz. Der Fackelumzug der Freiwilligen Feuerwehr Zug wurde abgesagt, wie die Stadt auf Twitter mitteilte.

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