Zug hat 30 neue Notzimmer – und ein erstes Problem damit
Vor Kurzem hat die Stadt Zug im Göbli 30 neue Notzimmer eröffnet. Das passt offenbar nicht allen. Eine Person musste mittels gerichtlichem Entscheid aus ihrem bestehenden Zimmer ausgewiesen werden.
Der Eintrag, der vor Kurzem im Zuger Amtsblatt publiziert wurde, macht stutzig. Eine Privatperson wird von einem Gericht gezwungen, das städtische Notzimmer, in dem sie lebt, zu räumen und den Schlüssel abzugeben. Ansonsten droht ihr eine Busse.
Notzimmer sind genau für das da, was ihr Name besagt: Um Leuten ein Dach über dem Kopf zu bieten, die sich in einer Notsituation befinden. Auf Anfrage von zentralplus, wer denn konkret Anspruch habe auf die Notzimmer, heisst es seitens der Stadt: «Jede Situation wird durch den Sozialdienst der Stadt Zug spezifisch geprüft, sodass dann die Zuweisung erfolgen kann.»
Eine Selbstanmeldung sei nicht möglich. Grundsätzlich gelte, dass Personen in der Stadt Zug angemeldet sein müssen, dass ihnen ein Obdach fehlt respektive, dass eine Bedürftigkeit festgestellt werden kann und ein Wohnungsverlust ohne zeitgerechte Anschlusslösung vorliegt.
Wer nicht freiwillig umzieht, wird umgezogen
Auf den vorliegenden Fall angesprochen, äussert sich die Stadt Zug wie folgt: «Allgemein können wir mitteilen, dass in diesem Fall eine Person ein Einzelzimmer in einer 4-Zimmer-Notwohnung bewohnt, welches sie für einen Umzug in ein Notzimmer im Haus Göbli nicht verlassen will.» Ein Umzug in ein Einzelzimmer im Haus Göbli sei nötig, damit die Notwohnung als Ganzes wieder für die Einquartierung von Familien genutzt werden kann. «Im Haus Göbli gibt es freie Einzelzimmer und eine Begleitung vor Ort ist gewährleistet», so die Behörden weiter. Dort sind aktuell 20 der 30 Zimmer belegt. Neben den Notzimmern verfügt die Stadt Zug an anderen Standorten über acht Notwohnungen für Familien. Von diesen wiederum sind sieben belegt.
Grundsätzlich hält die Stadt fest, dass sich die angespannte Wohnungssituation in der Stadt Zug auch in der Nachfrage nach Notwohnungen niederschlage. Dies insbesondere bei Personen mit besonderen Bedürfnissen.
Im Haus Göbli ist Leben eingekehrt
Ein kurzer Augenschein zeigt denn auch, dass bereits Leben in das neugebaute Haus Göbli eingekehrt ist. Ein paar Bewohner trinken auf den Bänken des überdachten Platzes ihren Mittagskaffee. Auch eine Mitarbeiterin der Heilsarmee ist erkennbar. Mit dem Betrieb der Zuger Notzimmer und -Wohnungen hat die Organisation Neuland betreten. Dies nicht nur geografisch: Die Heilsarmee ist abgesehen vom Baarer Brocki im Kanton Zug noch kaum sichtbar.
Simon Bucher, Medienverantwortlicher der Stiftung Heilsarmee Schweiz, sagt: «Wir waren bisher eher in anderen Wohnsettings tätig. So betreiben wir etwa Passantenheime. Für uns ist es neu, dass die Platzierung der Bewohnenden ausschliesslich über den städtischen Sozialdienst erfolgt.»
Bucher weiter: «Doch auch der Betrieb des Hauses Göbli entspricht unserem bisherigen Engagement. Schon lange arbeiten wir mit Menschen in Notsituationen und Obdachlosen.»
Wie viel Betreuung ist genug?
Im März 2024 zogen die ersten Bewohner ein. Im Juni wurde das Haus Göbli offiziell eröffnet. «Grundsätzlich sind unsere Erfahrungen bisher sehr positiv. Insbesondere die Zusammenarbeit mit der Stadt empfinden wir als wohlwollend und konstruktiv», sagt Bucher und ergänzt: «Noch müssen wir etwas herausfinden, wie die unterschiedlichen Bedürfnisse aussehen und inwiefern eine Betreuung gewünscht ist.»
«Es ist uns wichtig, dass eine Ansprechperson da ist.»
Simon Bucher, Mediensprecher Heilsarmee Schweiz
Man wolle gegenüber den Bewohnern nicht aufdringlich erscheinen. «Bisher half die Heilsarmee bei einfachen Dingen wie etwa beim Kochen, Putzen oder Wäsche waschen. Es ist uns wichtig, dass eine Ansprechperson da ist.»
Doch auch bei der Suche nach einem Job oder einer neuen Wohnmöglichkeit hilft die Organisation mit. «Es ist in unserem Interesse, dass die Leute Tritt fassen im Leben. Ausserdem ist angedacht, dass die Bewohnerinnen maximal ein Jahr in einem Notzimmer wohnen.»
Künftig dürften die Notzimmer farbiger werden
Wie steht es um Kinderkrankheiten am neuen Betriebsstandort? Dazu sagt der Medienverantwortliche Simon Bucher: «Wir haben im Juni Gespräche geführt mit den Bewohnern über ihre bisherigen Erfahrungen. Tatsächlich gibt es ein paar Themen, aus denen wir Lehren ziehen müssen, was bei einem Vorhaben wie diesem ganz normal ist.»
Dabei gehe es etwa um die bereits erwähnte Frage, wie viel Betreuung im Haus Göbli erwünscht respektive nötig sei. «Die Antwort darauf ist sehr individuell. Einige möchten gar keinen Austausch und brauchen ihr Zimmer primär als Rückzugsort, andere wünschen sich einen regelmässigen Austausch.» Diesen wolle die Heilsarmee so niederschwellig und individuell wie möglich anbieten.
Auch bei der Gestaltung der Räume gebe es noch Potenzial. «Wir werden diesbezüglich wohl gewisse Dinge anpassen, respektive die Zimmer etwas wohnlicher gestalten.» Dies beispielsweise, indem man an den Wänden oder mit Dekoelementen etwas Farbe hineinbringe. «Doch letztlich ist es den Bewohnenden überlassen, wie sie ihre Zimmer gestalten.»
Dies mit gewissen Einschränkungen, versteht sich: «Die Leute können beispielsweise Fotos und Geräte wie Fernseher selbst mitbringen, doch wenn jemand ein eigenes, grosses Sofa in sein überschaubares Zimmer stellen will, und dieses dadurch kaum mehr zugänglich ist, ist das nicht ideal», sagt Bucher.
- Amtsblatt-Eintrag zum gerichtlichen Entscheid gegen Notzimmerbewohnerin
- Schriftlicher Austausch mit der Stadt Zug
- Telefonischer Austausch mit der Stiftung Heilsarmee Schweiz
- Augenschein