Wertvoller «Mitarbeiter» der Luzerner Polizei

Zu Besuch bei Polizeihund Mitch – von niedlich zu beissfreudig in zehn Sekunden

Hundeführer Wenzel Britschgi mit seinem Hund Mitch. (Bild: wia)

Bei der Luzerner Polizei steht ein besonderer «Mitarbeiter» im Einsatz. Einer, ohne den schon so mancher Einbrecher erfolgreich getürmt wäre. Einer, der verfressen, verspielt und etwas weinerlich ist. Störend sind diese Eigenschaften nicht – im Gegenteil: Sie machen Polizeihund Mitch nur noch arbeitswilliger.

«Polizeihund Mitch erschnüffelt Kleiderdieb», «Mitch schnappt sich Einbrecher», «Luzerner Polizeihund findet gestohlenes Iphone», «Polizeihunde-Duo schnappt Gangster-Trio». Immer wieder taucht in Luzerner Polizeimeldungen derselbe Name auf: Mitch. Ein Deutscher Schäfer, der einen besonders guten Riecher für Bösewichte zu haben scheint.

Wir wollen den achtjährigen Mitch kennenlernen. Und nicht nur ihn, sondern auch seinen «Rudelführer», den Polizisten Wenzel Britschgi. Er hat Mitch seit fünfeinhalb Jahren in seiner Obhut, trainiert ihn und lebt mit dem Tier zusammen. Dass ein Hund-Mensch-Team derart gut funktioniert, dass man gemeinsam Einbrecher jagen kann, ist nämlich überhaupt nicht selbstverständlich.

Ein anfangs aufmüpfiger Hund

«Mitch war anfangs kein einfacher Hund. Insbesondere, da ich ihn erst mit zweieinhalb Jahren von einer Arbeitskollegin übernommen habe und somit nicht wusste, was er zuvor alles erlebt hatte. Normalerweise erhält man den späteren Polizeihund bereits im Welpenalter», erzählt der Hundeführer bei einem Besuch der Luzerner Polizei. Ein Mann, der selbst ohne Hund an seiner Seite auffällt. Britschgi ist gross und athletisch, hat ein unaufgeregtes, einnehmendes Wesen.

Ein weiterer Knackpunkt: «Mitch befand sich damals mitten in den Flegeljahren.» Hunde in den Flegeljahren? Der Hundeführer erklärt: «Mitch hat in dieser Zeit alle Forderungen in Frage gestellt und war aufmüpfig. Wie auch wir Menschen haben Hunde bessere und schlechtere Zeiten.»

«Die Hunde werden explizit für solche Arbeiten gezüchtet und verfügen bereits über eine gewisse Veranlagung.»

Thomas Galli, Leiter Diensthundewesen

Herausfordernde Zeiten auch für den Hundeführer. Eigentlich nämlich ist die Hierarchie klar, damit ein Arbeitsteam funktionieren kann. «Ich bin der Rudelführer, der Hund ist mein Rudel. Gehorcht der Hund, wird das mit Essen oder Spielen belohnt.» Nachdem Britschgi den Schäfer erhielt, ging es im ersten halben Jahr primär darum, «sich zu finden».

Die Arbeit mit dem Hund, die vielen Trainings und Ausbildungen passieren grösstenteils in Britschgis Freizeit. «Im Kanton Luzern ist es so, dass Hundeführer die üblichen Polizeiaufgaben an der Front übernehmen und den Hund währenddessen einfach bei sich haben. Dazu kommen Spezialeinsätze.»

Ein schussscheuer Hund? Untauglich

Im fluffigen Alter von zehn Wochen beginnt ein Welpe die Ausbildung zum Polizeihund, diese dauert rund zwei Jahre. Thomas Galli, Leiter Diensthundewesen bei der Luzerner Polizei, erklärt: «Nach 16 bis 24 Monaten muss er einen Eignungstest absolvieren, um zu eruieren, ob der Hund die nötigen Fähigkeiten mitbringt, um ihn zum Polizeihund auszubilden. Der Test dient als Weichensteller. Wenn das Tier beispielsweise schussscheu ist, eignet es sich nicht.»

Doch wie lässt sich bei einem zehn Wochen alten Hund erahnen, ob er sich dereinst zur Einbrecherjagd oder zum Sprengstoff-Erschnüffeln eignen wird? Galli erklärt: «Unsere Hunde stammen aus Zuchtstätten, die aus Leistungslinien entstehen. Die Hunde, die dort geboren werden, werden explizit für solche Arbeiten gezüchtet und verfügen bereits über eine gewisse Veranlagung.» Mitch beispielsweise heisst mit vollem Namen «Mitch von der Gletscherhöhle» – die Gletscherhöhle bezeichnet die entsprechende Zuchtstätte im thurgauischen Pfyn.

Bis ans Lebensende bleibt Mitch bei seinem Herr

Was nach der Übernahme des Welpen passiert, liegt primär in der Verantwortung des Hundehalters. «Alle Polizeiführer leben mit ihren Hunden in einem Haushalt, sind also quasi 24 Stunden am Tag mit ihnen zusammen. Entsprechend gross ist auch die Bindung zum Hund», erzählt Britschgi. Das sei eine Grundvoraussetzung, um ein gutes Team zu sein. «Ich muss die Eigenschaften meines Hundes kennen.» Auch ein «pensionierter» Hund lebt bis zu seinem Lebensende bei seinem bisherigen Halter.

Wenn man Britschgi nach seinem grössten Erfolg fragt, den er mit Mitch erlebt habe, sagt er ohne Umschweife: «Februar 2019». Mit Stolz in der Stimme erzählt der Hundeführer: «Damals wurden wir nach einem Einbruch nach Horw gerufen. Wir trafen drei Minuten nach der ersten Patrouille ein, die den Einbrecher hatte wegrennen sehen.» Wohin der Einbrecher in dieser regnerischen Winternacht geflüchtet sei, habe die Patrouille jedoch nicht erkannt. «Als wir eintrafen, ging ich mit Mitch der Hauptstrasse entlang, bis er die Fährte aufnahm.»

«Ohne Hund hätten wir keine Chance gehabt.»

Wenzel Britschgi, Hundeführer bei der Luzerner Polizei

Dann ging's los, der Nase nach: «Eine Stunde lang folgten wir ihm über Stock und Stein und durchs Gebüsch. Nicht ein einziges Mal sah ich den Einbrecher.» Nach einer Stunde wurde Britschgi abgelöst. «Für einen Hund ist diese Arbeit enorm anstrengend, häufig bekommt er dadurch leichtes Fieber. Also übernahm ein Kollege von mir für eine weitere Stunde», erzählt er.

Nach dieser Stunde löste ihn Britschgi wieder ab. «Nach ungefähr zwei Stunden konnten wir den Einbrecher in einem Gebüsch stellen. Da verspürte ich eine riesige Befriedigung. Darüber, dass sich all die investierten Trainingsstunden gelohnt haben und wir uns diesen Erfolg hart erarbeitet haben.» Er ergänzt: «Ohne Hund hätten wir keine Chance gehabt.»

Winseln als Ventil

Es wird Zeit, diesen Wunderhund kennenzulernen und in Aktion zu sehen. Ab in den Stadthauspark, wo Britschgis Hund Mitch in der offenen Hundebox ungeduldig wartet. Ungeduldig winselt der bärige Schäferhund, er hält es kaum aus. Doch bevor Britschgi das Kommando gibt, muss Mitch liegenbleiben. Das klappt etwa 20 Sekunden lang gut. Dann hüpft der Hund laut winselnd aus dem Wagen und wird prompt mit eiserner Konsequenz zurückgeschickt. Der Hund zieht sich – laut jammernd – zurück und wartet brav.

Mitch wartet, bis er arbeiten darf. (Bild: wia)

«Dieses Winseln ist typisch für Mitch und quasi ein Ventil seiner Aufregung, sprich, seiner Arbeitswilligkeit», erklärt Britschgi. Er macht das Zeichen, der Hund hüpft aus dem Auto, unter des Herrchens Beine durch, wo er gespannt sitzen bleibt, Blick nach oben zu Britschgi.

Bevor der Hund auf der Stadthauswiese freigelassen wird, vergewissern sich die Polizisten, dass die Übung mit der Stadt abgesprochen wurde. Auf der Wiese herrscht nämlich Leinenpflicht. Die Stadt ist einverstanden. Die Polizisten wollen sich schliesslich auch an die Regeln halten.

«Hunde sind Opportunisten. Sie folgen nur dann, wenn sie wissen, dass es sich für sie lohnt.»

Los geht’s: Der Schutzhund absolviert verschiedene Gehorsamsübungen mit seinem zweibeinigen Partner, jedes Mal wenn Mitch etwas gut gemacht hat, wird er überschwänglich gelobt und darf kurz mit seinem Rudelführer spielen. «Es ist viel leichter, einen Hund zu trainieren, der verfressen und verspielt ist. Hunde sind Opportunisten. Sie folgen nur dann, wenn sie wissen, dass es sich für sie lohnt», sagt Britschgi. «Zum Glück ist Mitch sowohl verfressen als auch verspielt.»

Angriff? Nicht doch. Mitch wartet aufs nächste Kommando. (Bild: wia)

Es folgen Suchspiele, in denen Mitch Gegenstände erschnüffelt, die Britschgi im Gras verstreut hat. Eine Übung, die im Ernstfall sehr hilfreich werden kann, etwa bei der Beweissicherung.

Sehr liebevoll geht der Hundeführer mit dem Tier um, das doch immerhin sein Arbeitsinstrument ist. Die Beziehung zwischen den beiden wirkt harmonisch. Von Aufmüpfigkeit keine Spur.

Halt, Polizei, stehenbleiben!

Dann geht’s ans Eingemachte. Mitch soll auf «Einbrecher» Galli los gehen, der sich in eine Türzarge in 80 Meter Entfernung stellt. Nachdem der Polizist den Einbrecher mit einem lauten «Halt, Polizei, stahbliibe oder ich schicke de Hund!» verwarnt hat, lässt er diesen los. Mitch sprintet zum mutmasslichen Delinquenten, bleibt vor Galli stehen, verbellt ihn arg. Sobald Galli die verschränkten Arme entfaltet und ein langes, robustes Kissen zum Vorschein bringt, beisst der Hund zu. Die sekundenschnelle Verwandlung vom braven, winselnden Tier zum effizienten Diensthund ist verblüffend.

Das Verhalten, das sich kein privater Halter von seinem Hund wünscht, ist beim Polizeihund nötig. «Mitch weiss sehr genau, wann er sich wie verhalten muss. Meine Polizeiuniform verknüpft er sofort mit Ausbildung. Auch nutzen wir, je nach Einsatz, unterschiedliche Utensilien wie eine bestimmte Leine oder ein breiteres Halsband. Dadurch weiss der Hund sofort, was zu tun ist.»

Handkehrum sei Mitch sehr gut im Umgang mit Kindern. «Beim Ferienpass zeigen wir ähnliche Übungen vor, danach dürfen die Kinder den Hund streicheln.» Britschgi ergänzt: «Das würde nicht mit jedem Polizeihund gehen.»

Wer nicht mehr rennen mag, der schnüffelt

Ein Polizeihund ist bis zu zehn Jahre lang im Dienst, je nachdem, was die Gesundheit erlaubt. «Wenn man merkt, dass der Hund nicht mehr besonders schnell ist, kann man sich beispielsweise stärker auf Fährtenarbeit konzentrieren», erklärt Wenzel Britschgi.

Mitch ist nun acht Jahre alt. Noch bleiben ihm voraussichtlich einige Jahre im Dienst. «Doch für mich wird im kommenden Frühling schon zum Thema, ob ich einen jungen Hund nachnehme.» Vielen reiche es nach einem Polizeihund, denn der Zeitaufwand ist beträchtlich.

Neben dem üblichen Aufwand, den man als normaler Hundehalter mit Spazieren hat, widmet sich Britschgi täglich zwei bis drei Stunden dem Hundetraining. Für den Moment jedoch ist genug trainiert. Mitch ist deutlich entspannter und zieht sich ohne Murren in seine Box zurück.

Das aufgeregte Winseln ist verstummt. Zeit für ein Nickerchen.

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