Hohe Dunkelziffer an aggressiven Hunden

Zahl der Hundebeissattacken hat in Zug stark zugenommen

Ein Miniature Bull Terrier hat am Samstag ein Kind gebissen und verletzt. (Bild: Adobe Stock/Alexandra)

Nach einer Beissattacke eines Bullterriers gegen ein Kind hat Zug das Tier einschläfern lassen. Ein Blick auf die Zahlen zeigt: Beissattacken nehmen im Kanton zu.

Jetzt ist klar, was mit dem Miniature Bull Terrier passiert ist, der am vergangenen Samstag in Neuheim ein Kind spitalreif gebissen hat. Eine Risikoeinschätzung des Kantons hat ergeben, dass von dem Tier ein «hochgradig erhöhtes Risiko» ausgehe, teilt der Kanton mit. Nach Abklärung mit dem Hundebesitzer hat Zug das Tier daher einschläfern lassen (zentralplus berichtete).

Der Hund war vergangenes Wochenende auf zwei Buben im Alter von neun und zehn Jahren zugerannt und hatte sich auf den Jüngeren gestürzt. Dann biss der Bullterrier den Knaben erst in die Genitalien und anschliessend mehrmals ins Gesicht. Erst eine 60-jährige Frau, in deren Obhut sich der Hund befand, konnte das Tier von dem verletzten Kind herunterziehen. Daraufhin musste die Rega den Bub ins Spital fliegen (zentralplus berichtete).

So funktioniert eine Risikoanalyse

Nach dem Vorfall informierte die Zuger Polizei den Veterinärdienst des Kantons, der unverzüglich Abklärungen einleitete. Rainer Nussbaumer, der Kantonstierarzt, erklärt gegenüber zentralplus, was sein Amt bei einer solchen Risikoanalyse untersucht.

«Es gibt verschiedene Aspekte des Vorfalls, die wir uns anschauen. Zum Beispiel, ob es bereits frühere Vorfälle gab.»

Rainer Nussbaumer, Kantonstierarzt

«Es gibt verschiedene Aspekte des Vorfalls, die wir uns anschauen», meint Nussbaumer. So etwa: Wer ist das Opfer? Und wo wurde es verletzt? War die Aggression defensiv oder proaktiv? Und war die Tat vorhersehbar? Wie tief war der Biss, und wie viele Bisse gab es? Und zuletzt: «Gab es bereits frühere Vorfälle?»

Beim vorliegenden Fall sei der Miniature Bull Terrier den Behörden nicht bekannt gewesen. Es sei sein erster Beissvorfall gewesen, erklärt Nussbaumer. Trotzdem habe die Risikoanalyse ergeben, dass der Hund eingeschläfert werden müsse. Denn es sei nicht auszuschliessen, dass sich ein solcher Vorfall wiederhole, schreibt der Veterinärdienst in einer Mitteilung. Seit 2018 ist es der zweite Hund, der im Kanton Zug eingeschläfert wird (zentralplus berichtete).

Risikoanalysen sind keine Seltenheit

Solche Risikoanalysen unternimmt der Veterinärdienst bei jedem Beissvorfall, bei dem es zu schweren Verletzungen gekommen ist. Etwa jede zehnte Beissattacke sei derart schwerwiegend wie im Fall Neuheim, meint der Kantonstierarzt. Allein im vergangenen Jahr gab es im Kanton Zug 127 Zwischenfälle mit Hunden. Dabei wurden 65 Erwachsene verletzt, 18 Kinder und 42 andere Hunde.

Anzahl Meldungen über Vorfälle mit Hunden2010201120122013201420152016201720182019202020212022
Total617558618379100107109106104136127
Verletzte Erwachsene23251515293735493955486665
Verletzte Kinder55687611510591018
Verletzte Hunde25362826362741444740445442
Verletzte Tiere1313211121100
Auffällige Hunde768998128115262
Zwischenfälle mit Hunden im Kanton Zug

Darüber hinaus zeigen die Statistiken des Kantons, dass die Anzahl an Zwischenfällen mit Hunden und die Anzahl an verletzten Personen in den vergangenen zehn Jahren kontinuierlich gestiegen ist. Doch das hat nicht zwangsläufig mit der Gefährlichkeit der Hunde zu tun. Denn Hunde werden immer beliebter. Mehr als dreimal so viele Menschen kauften sich 2021 einen Hund (18'181) als noch im Jahr 2019 (5'554) (zentralplus berichtete).

«Es gibt eine hohe Dunkelziffer bei diesen Meldungen.»

Rainer Nussbaumer

Ebenfalls fällt auf, dass der Kanton sogenannte auffällige Hunde in der Statistik zu den Beissvorfällen auflistet. «Menschen, die von Hunden bedroht wurden, melden den Vorfall der Polizei», erklärt Rainer Nussbaumer. Diese würde dann einen Rapport schreiben und dem Veterinärdienst weiterleiten. Wenn eine Gefahr für die Allgemeinheit bestände, könne dieser Massnahmen anordnen, wie zum Beispiel eine Leinenpflicht oder einen Hundekurs.

In Zug gibt es keine Listenhunde

Sogar eine Meldepflicht besteht im Kanton, etwa wenn ein Hund Menschen oder Tiere erheblich verletzt oder ein übermässiges Aggressionsverhalten zeigt. Doch nicht immer wird die Polizei über aggressives Verhalten von Hunden informiert. «Es gibt eine hohe Dunkelziffer bei diesen Meldungen», schätzt Rainer Nussbaumer.

Andere Kantone, wie etwa Glarus, Aargau und Genf, führen zudem Listen mit verbotenen Rassen. Auch die Rasse Bullterrier befindet sich auf einigen dieser Listen. Doch der Kanton Zug und die Zentralschweiz kennen keine Listenhunde, die per Gesetz als potenziell gefährlich eingestuft werden.

«Das Einführen von Hundelisten wäre eine politische Entscheidung.»

Rainer Nussbaumer

Gegner der Listenhunde argumentieren, jede Rasse könne in Beissvorfälle verwickelt werden. Und eine Liste könnte Halter solcher Hunde in die Illegalität abdrängen. Der Zuger Kantonstierarzt Rainer Nussbaumer will sich dazu nicht äussern. «Das Einführen von Hundelisten wäre eine politische Entscheidung.»

Vielmehr befürwortet er eine Ausbildungspflicht für Ersthundealter. Denn mit vorausschauendem Handeln der Hundehalterinnen – etwa durch das Anleinen in unübersichtlichen Situationen – könne Angriffen vorgebeugt werden.

Verwendete Quellen
  • Medienmitteilung der Gesundheitsdirektion des Kantons Zug
  • Schriftlicher Austausch mit Rainer Nussbaumer, Kantonstierarzt
  • Website des Veterinärwesens
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3 Kommentare
  • Profilfoto von schaltjahr
    schaltjahr, 28.05.2023, 11:34 Uhr

    Der Kanton Zug täte gut daran seine Gesetze und Verordnungen im Bereich Sicherheit und Justiz zu Hinterfragen und wenn nötig Anzupassen. Der letzte Sicherheitsdirektor war ja sicher nicht ganz Unabhängig und hat sein Ressort in der vergangenen Jahren nicht mehr in Interesse der Volkes, und Unabhängig, geführt.

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  • Profilfoto von Roli Greter
    Roli Greter, 25.05.2023, 22:38 Uhr

    Der Zuger Regierungsrat könnte analog zum Kanton Luzern eine obligatorische Hundeausbildung bestimmen. Viele Hundebesitzer scheren sich einen Dreck um die Erziehung und rassengerechte Haltung und werfen ein schlechtes Licht auf umsichtige Hundehalter.

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    • Profilfoto von John
      John, 26.05.2023, 11:36 Uhr

      Solche Hunde braucht kein Mensch. Sie gehören verboten.

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