Als Garten in Luzern noch bezahlbar war

Wohnen wie anno dazumal

Idylle pur: Städtisches Wohnen im Grünen. Ein Ölgemälde von Otto Spreng mit Blick auf die Westseite der Dorfsiedlung Geissenstein. (Bild: zvg)

Der Familienwohntraum in den 1910ern: Ein Einfamilienhaus in der Stadt mit grossem Garten. Was heute wohl unbezahlbar wäre, schoss damals regelrecht aus dem Boden. Seither sind viele solcher Häuser grossen Überbauungen gewichen. Nicht so am Höhenweg 4 – dort wird das Rad der Zeit zurückgedreht.

Auf den ersten Blick eine idyllische Wohnsiedlung und auf den zweiten sogar von nationalem Interesse. Am Höhenweg 4 wird diesen Sommer ein Einfamilienhaus der Wohngenossenschaft Geissenstein renoviert. Es steht unter Denkmalschutz, denn es ist Teil des historischen «Eisenbahnerdörflis». Dieses entstand Anfang des 20. Jahrhunderts und erfüllte damals ein grosses Bedürfnis. Doch zuerst ein Blick zurück an den Anfang des 20. Jahrhunderts:

Bevölkerungswachstum und industrieller Aufschwung prägen das Geschehen. Die Arbeiterschaft wohnt in Wohnblocks, die eher als Baracken bezeichnet werden müssen. Platzmangel ist vorprogrammiert und Familien wohnen in sehr engen Verhältnissen. Dementsprechend wächst die Nachfrage nach städtischem Wohnen. Und irgendwo schwirrt der Traum des Einfamilienhaus mit grossem Garten in den Köpfen der Menschen herum.

Damals: Spottpreis für Bauland

Im Mai 1910 wurde die Eisenbahner Baugenossenschaft (EBG) gegründet. Ziel war, die allgemeine Wohnungsnot zu bekämpfen und gesunde und billige Wohnungen für das Bahnpersonal anbieten zu können. Finanzierungshilfe erhielt die EBG weitestgehend von der SBB. 1910 erwarben die Genossenschaftsgründer die Liegenschaft Obergeissenstein im Umfang von rund 83’000m2 Land und 19’000 m2 Wald für 175’000 Franken. Dazu ein Biedermeier-Herrschaftshaus mit dazugehörigem Bauernhaus – inklusive Scheune.

Die erste Etappe der Bebauung am Geissenstein wurde von 1911 bis 1914 in Angriff genommen. Teil der Gesamtanlage war ein kleines, zu dieser Zeit typisches Einfamilienhaus am Höhenweg 4. Seine Architektur folgte den Formen des sogenannten Heimatstils, einer zeittypischen Strömung. Und als Reaktion auf die steinerne Stadt Luzern entstand rund um das Einfamilienhaus ein Garten – wie es sich für den Traum im Grünen gehörte.

Eine Modellzeichnung des Hauses am Höhenweg 4 der Architekten aus der ersten Bauphase von 1911-1914 (Bild: Denkmalpflege Kanton Luzern).

Eine Modellzeichnung des Hauses am Höhenweg 4 der Architekten aus der ersten Bauphase von 1911-1914 (Bild: Denkmalpflege Kanton Luzern).

Hundert Jahre zurück

Gemeinsam mit der kantonalen Denkmalpflege bringt die EBG einen Hauch 10er-Jahre Flair in das Quartier zurück. So wie damals als Neubau soll es aussehen, die teils angepassten Formen werden neu gestaltet und den zeitgemässen Wohnbedürfnissen angepasst. Die letzte, sanfte Renovation fand 1980 statt. Nun steht das Gebäude unter kantonalem Denkmalschutz.

«Das Eisenbahnerdörfli am Geissenstein ist von grossem Interesse», sagt Gebietsdenkmalpfleger Marcus Casutt von der Denkmalpflege des Kantons Luzerns. Es gehe nicht nur um den Höhenweg 4 – der Gesamtzusammenhang müsse betrachtet werden. Bereits in den 1910er-Jahren wurde als Selbsthilfeprojekt des Bahnpersonals angemessener Wohnraum für die Genossenschafter geschaffen. «Der Wohnungsmix aus Mehrfamilienreihenhäusern und Einfamilienhäusern war damals neu.» Die Idee der Gartenstadt, wo die Bewohner nah an der Natur und teilweise sogar zu Selbstversorger wurden, stiess auf grosses Interesse.

Beliebte Wohnobjekte für das Bahnpersonal. Die Siedlung am Geissenstein mit Garten (Bild: Denkmalpflege Kanton Luzern).

Beliebte Wohnobjekte für das Bahnpersonal. Die Siedlung am Geissenstein mit Garten (Bild: Denkmalpflege Kanton Luzern).

Bad und Küche bereits vorhanden

Ein ganzes Jahrhundert stehen diese Häuser nun. Doch Casutt von der Denkmalpflege weiss, dass die Einfamilienhäuser von damals bereits einen gewissen Standard aufwiesen: Badzimmer, Toiletten, Küche. «Klar, diese Häuser sind keine Villen für die oberen 10’000, aber dennoch stellten die einfachen fünf Zimmer zu dieser Zeit einen überdurchschnittlichen Komfort dar», beschreibt Casutt.

Doch was genau wird an den damaligen Neubau erinnern? Von aussen wird vor allem der veränderte Verputz sichtbar sein, erklärt Casutt. Der glatte, gelbe, im Laufe der Zeit aufgetragene Verputz muss dem Originalverputz weichen. Dieser wird rauer sein und in Grau, erklärt Casutt.

Restauration und moderne Errungenschaften

Das Gebiet Geissenstein steht seit zwei Jahren unter Denkmalschutz « Die Zusammenarbeit zwischen der Wohngenossenschaft EBG und der Denkmalpflege ist ausgezeichnet seither», betont Casutt. Grundsätzlich entstehen durch die denkmalpflegerische Begleitung nicht automatisch höhere Kosten. «Bei einer Genossenschaft ist es wichtig, dass der Wohnraum über längere Zeit kostengünstig angeboten werden kann.»

Im Zuge der Restaurierung werden nicht alle erbrachten baulichen Massnahmen rückgängig gemacht. Die 1980 ersetzten Fenster werden bleiben. Auch die Wärmedämmung wird verbessert, insbesondere im Keller- und Dachbereich wird sie den heutigen Standards angepasst. Auf den Originalbau würden im Innern insbesondere die schmalen Gänge und teils kleinen Räume schliessen lassen.

So sieht das Gebäude momentan aus. Der gelbe Verputz muss dem grauen Originalverputz weichen (Bild: Denkmalpflege Kanton Luzern)..

So sieht das Gebäude momentan aus. Der gelbe Verputz muss dem grauen Originalverputz weichen (Bild: Denkmalpflege Kanton Luzern)..

Sanierung im Rahmen des Mieterwechsels

Beim Projekt am Höhenweg 4 wird zum ersten Mal bei einer Sanierung dem Denkmalschutz Rechnung getragen. Der Entscheid des Umbaus liegt bei der EBG und war geplant. Im Rahmen eines Mieterwechsels ergab sich nun die Gelegenheit, dieses Objekt umzubauen.

Die EBG hat inzwischen selbst historische Bedeutung erlangt. Seit 1910 verfolgt sie ihren Zweck und hat Wohnbauten erbaut, vermietet und unterhalten. Der historisch bedeutendste Teil der Siedlung wurde unter kantonalen Denkmalschutz gestellt. Die Eisenbahnersiedlung mit rund 80 Häusern ist eine schweizweit bedeutende Genossenschaftssiedlung mit einer bis heute aktiven Genossenschaft, deren letzte Neubauten 2013 eben erst erstellt wurden.

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