Bauernüberschuss im Entlebuch

Wo sind all die Frauen hin?

Anton versucht sein Glück bei «Bauer, ledig, sucht». (Bild: jav)

Warum melden sich seit zehn Staffeln so viele Männer bei «Bauer, ledig, sucht»? Natürlich nimmt der Betrieb eines Bauernhofs mehr Zeit in Anspruch als ein Bürojob und die Zeit für die Partnersuche leidet. Kommt hinzu, dass im Entlebuch weniger Frauen als Männer leben. Liegt hier der Hund begraben, beim harten Alltag auf dem Hof, oder bekommen es die Luzerner Bauern mit den Frauen einfach nicht auf die Reihe?

Erste, schüchterne Blicke, hemmungslose Zungenküsse und sogar Hochzeiten konnte man in den letzten neun Staffeln im Kuppel-Format von 3+ beobachten. Der Entlebucher Anton ist diesmal mit dabei. Doch weshalb finden so viele Landwirte nicht von sich aus eine Frau? Gibt es keine im ländlichen Luzern?

Für Anton sind die Dreharbeiten für die diesjährige «Bauer, ledig, sucht»-Staffel seit ein paar Tagen abgeschlossen. Auf seinem Cap klebt noch Abdeck-Klebeband vom Kameramann, um die Marke zu verdecken. Seine Rolle war die des Biosphären-Cowboys aus dem Entlebuch. Ob er für das Foto von zentral+ sein Line-Dance-Outfit anziehen solle, möchte er wissen. Das sei nämlich immer gewünscht worden.

Er habe leider nicht allzu lange Zeit, bedauert er, mit einem Blick auf den Tierfutter-Transporter, welcher gerade von seinem Vater vor dem Stall eingewiesen wird. «Es war eine stressige Zeit. Die ganze Organisation und das Vorbereiten.» Doch bereuen tut er nichts. «Man muss alles einmal probieren im Leben», findet Anton. Er rechne nun damit, dass er wegen seines Fernsehauftritts angesprochen werde: «Da wird dann sicher gefragt, ob ich Filmstar werden will, oder so», amüsiert er sich. Ob es bei ihm auch mit der Liebe geklappt hat, darf er nicht verraten. Das kann man sich jedoch in der neuen Staffel auf 3+, die am 24. Juli startet, anschauen.

Voll auf die Schnauze

Anton wurde von Freunden bei «Bauer, ledig, sucht» angemeldet. Er ist 47 Jahre alt und betreibt den Hof in Marbach gemeinsam mit seinen Eltern. Er nahm das Ganze am Anfang nicht wirklich ernst, freundete sich jedoch mit der Vorstellung an: «Mein Motto ist: Alles kann, nichts muss.»

Anton hatte vorher bereits erfolglos sein Glück versucht. «Ich hatte es zuerst über ein Partnervermittlungs-Institut versucht», erzählt er, «und bin damit so richtig auf die Schnauze geflogen. 2500 Franken musste ich im voraus bezahlen und habe anschliessend einen Katalog erhalten» entrüstet er sich. «Ich suche doch kein Möbelstück, ich suche eine Partnerin, Liebe.» Doch lange habe es dieses Institut nicht mehr gegeben. «Im nachhinein erhielt ich einen Brief, dass gegen die Firma wegen gewerbsmässigen Betrugs ermittelt wurde.»

«Es ist nicht die Lösung, eine Statistik als Grund für ein Problem aufzuführen.»
Anton, Landwirt

Ueli Straub von der landwirtschaftlichen Beratungszentrale AGRIDEA kennt das Problem. «Es bereichern sich teilweise fragwürdige Partnervermittlungen an der Situation der Bauern. Beispielsweise indem Sie in Katalogen Frauen aus Thailand oder der Ukraine anpreisen. Das ist eine sehr heikle Sache, für beide Seiten, Mann und Frau.» Anton habe diese Erfahrung damals sehr erschreckt: «Es ist schlimm, wie mit den Gefühlen von Menschen gespielt wird.»

Mehr Männer im Entlebuch

Doch weshalb finden Bauern wie Anton so schwer eine Frau auf dem üblichen Weg? Schaut man sich die Bevölkerungszahlen von LUSTAT im Entlebuch an, fällt ein Männerüberschuss auf. In sechs von neun Gemeinden sind die Frauen seit Jahrzehnten in der Unterzahl. In Doppelschwand kommen beispielsweise 390 Männer auf 349 Frauen. Auch eine Studie des Bundesamtes für Raumentwicklung zeigt einen Überschuss von Männern über 35 Jahren in ländlichen Gebieten auf.

Anton wundert sich nicht darüber, er habe sich mit solchen Zahlen jedoch noch nie befasst. «Es ist auch nicht die Lösung, eine Statistik als Grund für ein Problem aufzuführen.» Er sei selbst für sein Glück verantwortlich und: «Es ist noch nicht aller Tage Abend.»

Ueli Straub, Agronom und Zuständiger für Rechts- und Sozialfragen bei AGRIDEA, kann die Schwierigkeiten der ledigen Bauern bei der Suche nach der Liebe nachvollziehen. Beim bäuerlichen Sorgentelefon sei die Partnersuche auch immer wieder Thema. «Ab 35 tun sich Bauern oft schwer, eine Partnerin zu finden. Vielen fehlt durch die Arbeit auf dem Hof auch schlichtweg die Zeit, um auf Brautschau zu gehen.» Und sei die Zeit gefunden, dann fehle es doch oftmals an den richtigen Worten.

«Durch ihr Leben und die harte Arbeit auf dem Hof, meist bei den Eltern, lernen manche Bauern auch gar nicht charmant zu sein und schöne Worte zu finden. Damit wirken sie auf Frauen schnell maulfaul oder ruppig, was die Suche nach einer Partnerin natürlich nicht erleichtert», erklärt Straub.

Helfen oder beraten könne er dabei kaum. «Wir hören beim Sorgentelefon vor allem zu, zeigen Verständnis und ermutigen die Anrufer, den nächsten Schritt zu machen.» Zum Beispiel würdne sie weitere Anlaufstellen empfehlen: «Wir geben in einigen Fällen die Adresse einer kleinen Partnervermittlung weiter, welche wir als seriös einstufen.»

«Es ist nicht nur romantisch und Tierchen streicheln.»
Anton, Landwirt

Ambivalenter Ruf

Straub gibt auch zu bedenken, dass eine Frau mit einem Landwirt nicht einfach nur einen neuen Mann an ihrer Seite hat. «Man wird nicht nur die Frau eines Bauern, man wird Bäuerin, man zieht auf den Hof des Mannes.» Dazu kommen nicht selten Konflikte wegen der Wohnsituation. «Oft wohnt man mit den Schwiegereltern zusammen. Man heiratet das ganze Paket.» Ausserdem sei das Leben auf einem Hof kein Zuckerschlecken. Die Vorstellungen zum Bauernhofalltag nehme er sehr ambivalent war, so Straub. «Einerseits wird das Leben auf dem Bauernhof romantisiert und andererseits hat es auch einen schlechten Ruf.»

Anton hat diese romantischen Vorstellungen bei «Bauer,ledig, sucht» ebenfalls kennengelernt. «Es ist schade, dass sich Frauen bewerben, die von der Landwirtschaft keine Ahnung haben», bedauert er und empfiehlt: «Man sollte sich vorher informieren, wie das Leben auf einem Hof aussieht und sich mit der Vorstellung auseinandersetzen, so zu leben. Es ist nicht nur romantisch und Tierchen streicheln.»

 Hochschulabsolventinnen und Geschiedene ziehen in die Zentren

Und klappt es nicht mit der Beziehung, sind es oftmals die Frauen, die es aus den ländlichen Gebieten in die Zentren zieht. Viele Frauen würden nach einer Scheidung oder nach der Geburt eines unehelichen Kindes in die Stadt ziehen. Dabei könne es an einem oftmals konservativeren Umfeld auf dem Land liegen, aber auch an einem mehrheitlich schlechteren Angebot für die Kinderbetreuung. Bei der Frau eines Bauern komme noch eine zusätzliche Schwierigkeit hinzu, sagt Staub: «Bei einer Scheidung verliert sie nicht nur ihren Mann, sie verliert damit meist auch Wohnsitz und Job.»

«Bei einer Scheidung verliert die Bäuerin nicht nur ihren Mann, sie verliert damit meist auch Wohnsitz und Job.»
Ueli Straub, Zuständiger Rechts- und Sozialfragen AGRIDEA

Eine Analyse des Bundesamts für Statistik besagt, dass besonders auch Hochschulabsolventinnen öfters aus ihren Heimatgemeinden abwandern. Männliche Hochschulabsolventen kehren nach dem Studium eher und zurück und viele Männer ziehen auch währendessen gar nicht in die Stadt, heisst es in der Vertiefungsstudie.

Einwanderer erhöhen Männeranteil der Bevölkerung

Eigentlich gibt es mehr Frauen als Männer. In der Zentralschweiz jedoch leben seit einigen Jahren mehr Männer als Frauen. Und es sieht aus, als würde sich dieser Männerüberschuss weiter festigen. Dies soll vor allem am höheren Anteil an männlichen Einwanderern liegen, berichtete der «Tagesanzeiger». Teilweise sei die Zahl der männlichen Immigranten sogar bis zu 20 Prozent höher, was den Männeranteil der Bevölkerung ständig erhöht.

Ein weiterer Punkt ist, dass in der Bevölkerung ab 65 Jahren der Frauenanteil markant höher ist. Ab 85 Jahren sind ganze 64 Prozent der Schweizer weiblich. Dies bedeutet, dass es mehr ältere Frauen und mehr jüngere Männer gibt. Und daher muss die Zahl der Frauen im «heiratswilligen» Alter im Verlgeich zu den gleichaltrigen Männern noch kleiner sein.

Sozialwissenschaftlerin Andrea Niederhauser, die sich mit demographischem Wandel in ländlichen Gebieten auseinandersetzt, kann sich vorstellen, dass der Frauenmangel am Angebot der Arbeitsplätze im Dienstleistungssektor liegen könnte. «Der primäre und sekundären Sektor sind im Entlebuch wichtige Wirtschaftssektoren. Eine Hypothese wäre, dass in diesen beiden Sektoren der Männeranteil traditionell höher ist. Der tertiäre Sektor, der im Entlebuch weniger ausgeprägt ist, ist hingegen für Frauen von grösserer Bedeutung.» Es sei also möglich, dass Frauen aus beruflichen Gründen in andere Regionen abwandern.

Tendenziell könne man sicher sagen, dass sich vor allem das Angebot bei Infrastruktur, Dienstleistungen und öffentlichem Verkehr auf die Abwanderung aus ländlichen Gebieten auswirke.

«Aktuell ist zu beobachten, dass von Randregionen in zentralere Gebiete umgesiedelt wird. Das heisst von kleinen Dörfern in die ländlichen Zentren oder Städte», erklärt Niederhauser und gibt dabei zu bedenken: «Wenn man die Bevölkerungsentwicklung zurückverfolgt, fällt auf, dass das Geschlechterverhältnis im Entlebuch in vielen Gemeinden zu Beginn und Mitte des 20. Jahrhunderts unausgewogener war.»

Das heisst, es fehlen zwar Frauen im Entlebuch, doch es war auch schon mal schlimmer.

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1 Kommentar
  • Profilfoto von lifeful
    lifeful, 24.07.2014, 18:41 Uhr

    Es ist eben schwierig und gerade auch die Landflucht macht es oft schwer da einen Partner zu finden der sich auch wirkich im Betrieb integrieren möchte und sich das antut, es ist ja auch eine schwere Arbeit 24/7

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