Zurlaubenhof in Zug

Wird diese Zuger Perle überbaut?

Die Grünfläche um den Zurlaubenhof soll überbaut werden.

(Bild: Flying Camera)

Auf dem Umschwung des Zurlaubenhofs ist ein Überbauungsprojekt in Planung. Doch: Gemäss dem Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz kommt sowohl der Häusergruppe, als auch der Umgebung der je höchste Schutzstatus zu.

«Ich bin im September beim Zurlaubenhof vorbeigelaufen und habe mich unglaublich gefreut, dass dieses Stück Identität noch in dieser Form in Zug erhalten geblieben ist», sagt Patrick Schoeck vom Schweizer Heimatschutz. Zu diesem wunderbaren Ensemble gehöre ja nicht nur der Hof, sondern besonders auch die intakte Umgebung mit den Hochstammbäume. «Eine Beeinträchtigung des Gesamteindrucks müsste sehr, sehr gut begründet sein.»

In der Tat: Dem Zuger Zurlaubenhof mit seinen herrschaftlichen Bauten aus dem 17. bis 19. Jahrhundert und seiner historischen Gartenanlage kommt zeit- und kunstgeschichtlich eine spezielle Bedeutung zu. Im Standardwerk «Die Kunstdenkmäler des Kantons Zug» sind eindrückliche 18 Seiten diesem historischen Zeitzeugen gewidmet. Das allein mag schon etwas über die Bedeutung dieses Anwesens auszusagen. Der Zurlaubenhof und seine Umgebung sind denn auch im Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS) enthalten.

In einem amtlichen Dokument vom August 1970 wird der Zurlaubenhof vom Zuger Stadtrat gar als einer «der schönsten Herrensitze der Innerschweiz» bezeichnet. Im Zusammenhang mit einem Renovationsbeitrag schrieb die damalige Stadtregierung: «Zum ganzen Gebäudekomplex gehört auch die Umgebung, gehört die Landreserve, die das Ganze erst zur vollen Wirkung bringt. Die Frage, ob mit dem teilweisen Verkauf des Umgeländes die nötigen Finanzmittel für die Restauration aufgebracht werden könnten, ist deshalb nicht opportun.»

Überbauung statt Landwirtschaft

Nun aber möchte die Besitzerfamilie Bossard auf dem heute landwirtschaftlich genutzten Umschwung des Zurlaubenhofs bis zu 70 Wohnungen erstellen. Dafür veranlasste sie in einem ersten Schritt eine Testplanung und führte anschliessend ein Wettbewerbsverfahren durch, welches das Zürcher Architektenteam von Roger Boltshauser gewann.

«Braucht es zur Sicherung eines Bauernguts tatsächlich die Rendite von 35 bis 70 Wohnungen an bester Lage?»
Patrick Schoeck, Schweizer Heimatschutz

Die Familie Bossard begründet die geplante Überbauung damit, dass so die Zukunft der «Zuger Perle Zurlaubenhof» gesichert werden könne. Auf ihrem Projektflyer schreibt sie, dass nur so viele Wohnungen erstellt würden, wie für die Finanzierung des Unterhalts der historischen Bauten notwendig sei. Zur Frage, wie diese Aussage für die Öffentlichkeit überprüft werden könne, erklärt Martin Bossard von der Besitzerfamilie: «Der Hof befindet sich in privatem Eigentum. Die Familie Bossard hat nicht die Absicht, ihre privaten finanziellen Verhältnisse zu veröffentlichen.» Patrick Schoeck vom Schweizer Heimatschutz fragt sich indessen: «Braucht es zur Sicherung eines Bauernguts tatsächlich die Rendite von 35 bis 70 Wohnungen an bester Lage?»

«Lasst unsere Kinder entscheiden»

Höchster Schutzstatus gemäss ISOS

Sowohl der Gebäudegruppe als auch der Umgebungszone des Zurlaubenhofs kommt gemäss ISOS der je höchstmögliche Schutzstatus zu. Für die Umgebungszone bedeutet dies unter anderem, dass diese in ihrer Beschaffenheit als Kulturland oder Freifläche zu erhalten ist. Gemäss ISOS ist eine solche Zone deshalb kein Baugebiet. Nun aber gehört der Zurlaubenhof gemäss der geltenden Zonenordnung der Stadt Zug zur Bauzone (Bauzone mit speziellen Vorschriften). Eingriffe in Ortsbilder von nationaler Bedeutung seien bei kantonalen oder kommunalen Aufgaben nicht von vornherein ausgeschlossen, erklärt Oliver Martin, Sektionschef beim Bundesamt für Kultur (BAK). Es obliege der Gemeinde, beziehungsweise dem Kanton, eine Interessenabwägung vorzunehmen.

Die Familie Bossard sei sich der historischen Bedeutung des Zurlaubenhofs durchaus bewusst, erklärt Martin Bossard: «Deshalb haben wir in enger Zusammenarbeit mit dem Amt für Städtebau der Stadt Zug und der kantonalen Denkmalpflege eine Testplanung erstellt und anschliessend einen Projektwettbewerb durchgeführt, bei welchem die Anforderungen des Ortsbildschutzes und der Denkmalpflege stets mit hoher Priorität berücksichtigt wurden.»

Das ausgeschriebene Raumprogramm liege deutlich unter der möglichen, maximalen gesetzlichen Ausnützungsziffer. Patrick Schoeck vom Schweizer Heimatschutz lobt, dass zur Entwicklung des Gebietes ein komplexer Planungsprozess angestossen wurde und erfahrene Büros an der Testplanung teilnahmen. Faktisch werde damit aber erklärt: Der Zurlaubenhof wird nicht integral erhalten. Schoeck gibt deshalb zu bedenken: «In Zug wird verdichtet gebaut wie kaum anderswo in der Schweiz. Es würde Stadt und Kanton deshalb gut anstehen, den Finger auf ein derart wertvolles und weitgehend unberührtes Stück Zuger Identität zu legen und zu erklären: Lasst unsere Kinder darüber entscheiden, ob hier überhaupt gebaut werden soll. Das wäre ein schönes und würdiges Erbe.»

Zuger Heimatschutz fordert Redimensionierung

Für Patrick Schoeck ist klar, dass der Charakter und die Funktionsweise dieses Zentralschweizer Herrensitzes ohne Umschwung nur noch in Bruchstücken nachvollziehbar sein werde. Das vom Bundesrat verabschiedete ISOS-Inventar halte denn auch klar und deutlich den integralen Erhalt des gesamten Hofes samt seiner Umgebung als Schutzziel fest. Nach Ansicht von Patrick Schoeck werden die Stadt und der Kanton eine fundierte Interessenabwägung vornehmen müssen: «In der einen Hand liegt ein integral erhaltenes Denkmal von nationaler Bedeutung, in der anderen der Wunsch, Renditeliegenschaften zu erstellen. Egal wie der Entscheid letztlich ausfällt: Die Argumente müssen wasserdicht sein und der Öffentlichkeit eingehend dargelegt werden.»

Die Zuger Sektion des Heimatschutzes zeigte sich im November in einer Stellungnahme zufrieden mit dem Ergebnis des Projektwettbewerbes. Sie schlägt aber vor, auf die vorgesehene dritte Bauetappe im Südwesten des Areals zu verzichten und das Gesamtprojekt so zu redimensionieren.

Behörden in der Pflicht

In einem Leserbrief vom vergangenen Oktober hat sich der Zuger Heinz Gross gegen das Überbauungsprojekt Zurlaubenhof gewandt. Gross gehörte zu jenen Einsprechern, die sich vor einiger Zeit erfolgreich gegen den Bebauungsplan Salesianum wehrten. In seinem Beitrag schreibt er unter anderem, dass Bauten wie jene des Zurlaubenhofs nur dann zur Geltung kämen, wenn jeweils auch der Umschwung erhalten bleibe. Sinngemäss bedauert er, dass man es bei der letzten Ortsplanungsrevision nicht gewagt hatte, dieses Areal auszuzonen.

Gross geht nun davon aus, dass im Fall Zurlaubenhof dereinst die Gerichte entscheiden werden. Dabei werde die Interessenabwägung wohl eine zentrale Rolle spielen.

Beim Zurlaubenhof soll eine neue Überbauung von bis zu 70 Wohnungen entstehen.

Beim Zurlaubenhof soll eine neue Überbauung von bis zu 70 Wohnungen entstehen.

(Bild: Visualisierung Boltshauser Architekten)

Wären ideelle Vereinigungen einspracheberechtigt?

Interessant ist die Frage, ob in einem Fall wie dem vorliegenden auch ideelle Vereinigungen beschwerdeberechtigt sind. Weil die Raumplanung in die Zuständigkeit der Kantone fällt, müssten diese Vereinigungen sich auf kantonales Recht stützen können, erklärt Bernhard Waldmann, Professor für öffentliches Recht an der Universität Freiburg. Das Zuger Denkmalschutzgesetz sieht ein entsprechendes Beschwerderecht gegen Unterschutzstellungsverfügungen des Regierungsrates oder der Direktion des Inneren vor. Ob auch andere Akte angefochten werden können, ist zurzeit im Kanton Zug noch nicht behördlich oder richterlich geklärt worden. Für Meinrad Huser vom Zuger Heimatschutz ist klar: «Wir müssen immer dann einsprache- oder beschwerdelegitimiert sein, wenn wir Interessen des Heimatschutzes vertreten».

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1 Kommentar
  • Profilfoto von franz
    franz, 07.01.2015, 16:20 Uhr

    Es muesste doch klar sein, dass ein solches Anwesen nicht ueberbaut werden darf. Bitte auszonen!
    franz

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