Luzerns schrägstes Fussballturnier vor der Tür

Wir präsentieren: Die denkwürdigsten Momente aus 19 Jahren Kick’n’Rush

Mattia Vetter und der Kick’n’Rush-Pokal. Diesen gibt’s für das Team des Jahres, nicht für die sportliche Leistung.

(Bild: jwy)

Einfach ein Grümpelturnier, sagen Sie? Mitnichten! Das Kick’n’Rush ist das grösste nichtformelle Luzerner Kulturtreffen. Es ist Schweiss, Musik, Stolz und ein unersättlicher Fundus an denkwürdigen Geschichten und Anekdoten. Ein Rück- und Überblick vor der 19. Austragung am Wochenende.

Wenn am Wochenende bei Bruthitze wieder Musikerinnen, Künstler oder Schreiberlinge mit hochrotem Kopf und Bier in der Hand über den Fussballplatz stolzieren – ja dann ist Kick’n’Rush. Das alljährliche grosse Kulturtreffen auf und neben dem heiligen Rasen schafft es auffallend oft, während einer Hitzewelle stattzufinden (zentralplus berichtete).

Seit 1999 treten Teams aus allen Sparten – mal ambitionierter, mal ausgefallener, mal komplett dem Blödsinn verfallen – gegeneinander an. Letztes Jahr gewann das Team des Restaurants Storchen, zentralplus war sportlich kaum mehr als eine Randnotiz (zentralplus berichtete).

Aber es sind ohnehin nicht unbedingt die Sieger und Tore, die in fast 20 Jahren Kick’n’Rush in Erinnerung bleiben. Es sind die Menschen und Geschichten neben dem Platz und zwischen den Spielen sowie die herrlichen Ergüsse aus reichlich Stolz, Grössenwahn und Bier.

Mattia Vetter vom Kick’n’Rush-Vorstand (Funktion: «Chief in Secretary») sagt es so: «Ich sehe das Kick’n’Rush nicht als Sportanlass an, viel wichtiger ist das Rundherum.»

Mit acht Teams angefangen

Die Idee für das Turnier hatte 1998 Eric Amstutz, als er mit seinem Tim-Buktu-Team an einem Turnier der Grünen auf der Allmend antrat. «Das einzige Team, das ich kannte, war die Werbeagentur Velvet. Wir trafen im Final aufeinander, während zum ersten Mal richtig Stimmung aufkam», blickt Amstutz aka The Godfather zurück. Es war die Initialzündung für das alljährliche Kick’n’Rush.

Das läuft am Kick’n’Rush 2017

Das Turnier findet am Samstag und Sonntag, 8. und 9. Juli, auf dem Fussballfeld des FC Kickers statt. Im Treibhaus nebenan gibt’s zudem reichlich Verpflegung und ein Rahmenprogramm mit Bands und DJs. Einstimmen kann man sich schon am Freitagabend: Die Aufwärmparty läuft ab 21 Uhr in der Schüür.

1999 traten dann erstmals an einem Samstag auf dem Bramberg acht Teams gegeneinander an. Ein Jahr später waren es bereits 30 Teams an zwei Turniertagen, gespielt wurde auf der Allmend.

Jahr für Jahr näherte man sich dem an, was das Kick’n’Rush heute ist: Es wurde ambitionierter, aufwendiger und breiter abgestützt. Es gab einen ersten Vorstand – der Zeit voraus mit einem Frauenanteil von 80 Prozent! – und immer wieder wahnwitzige Aktionen wie etwa 2002 ein Panini-Sammelalbum mit einem Bild pro Mannschaft. «Das ganze Pfingstwochenende über haben wir Bildli in Päckchen gepackt und zugeklebt», erinnert sich Amstutz.

Kein Turnier ohne Hymne

Ein stolzes Turnier braucht eine angemessene Hymne – und die erste solche rief 2003 niemand Geringeren als Thomas Hösli auf den Plan. Er steuerte den Text bei, sein Duo-Partner Ricardo Regidor komponierte die Musik für «Always Kick’n’Rush». Die Teams entsendeten Spieler ins Tonstudio von Marco Jencarelli nach Kriens, um die Hymne à la «We are the World» einzusingen. Für Amstutz war es das bisherige Kick’n’Rush-Highlight schlechthin – auch, weil er im gleichen Jahr mit Interkosmos Tim Buktu das Turnier gewann.

Die Hymnen sind seither fester Bestandteil: Weitere Songs kamen in den Jahren von den Neutones, von Tobi Gmür, Sam Pirelli und Intoxica sowie den Moped Lads. Die fünf Kick’n’Rush-Songs erschienen 2013 auf einer Platte. Wäre es nicht Zeit für eine neue Hymne? Mattia Vetter schmunzelt und verweist auf nächstes Jahr, auf das 20-Jährige. «Da kommt etwas Grosses», sagt er, mehr will er noch nicht verraten.

«Forever Kick’n’Rush» von Tobi Gmür:

Auf der Webseite gibt’s die liebevoll à jour gehaltene Hallo of Fame mit bisherigen Siegern, Teams des Jahres und den schillerndsten Persönlichkeiten. Letzteres ist ein nicht zu unterschätzender Beitrag zum Gelingen des Turniers – und im Palmarès eines Luzerner Kulturmatadors ungleich wichtiger als der Turniersieg.

Man findet da etwa die Schwalben-Nina (Steinemann; Künstlerin) von 2010 oder die unvergleichlichen Punkrocker Chicken Nuggets (später The Bonkers) in verschiedensten Kostümen, eines ungeeigneter zum Kicken als das andere (siehe Bildgalerie am Textende). Es gibt den Kulturkopf Sam Pirelli in verschiedenen Kostümen 2013 oder die Band My Baby the Bomb in Baywatch-Montur.

«Die jüngere Generation kennt den Turniergedanken nicht. Noch nicht.»

Mattia Vetter, Vorstand Kick’n’Rush

Damit der für die Stimmung elementare Turniergedanke nicht verloren geht, sorgt das OK vor: «Der grösste Pokal geht ans Team des Jahres», sagt Mattia Vetter. Diesen gewinnt man nicht mit sportlicher Leistung, sondern mit dem Auftreten als Team. Zudem kann man für die Originalität neu Zusatzpunkte holen und übereifriger Ehrgeiz kann mit der rosa Karte geahndet werden. Wurde das Turnier also zu ehrgeizig? «Bei gewissen Mannschaften ja», sagt Mattia Vetter. Das sei auch darum so, weil jüngere Generationen nachrücken, die den Grundgedanken nicht kennen. «Noch nicht kennen», präzisiert er.

Immer wieder schafften sie es verdientermassen zum Team des Jahres: 2008 waren es The Bonkers (Ex-Chicken Nuggets).

Immer wieder schafften sie es verdientermassen zum Team des Jahres: 2008 waren es The Bonkers (Ex-Chicken Nuggets).

(Bild: zvg)

Gazetta, Revue und eine Bibel

Immer wieder brauchte und braucht das Kick’n’Rush neue Leute, die das Feuer am Lodern halten. 2004 etwa war das Turnier ernsthaft in Gefahr, die Luft beim Vorstand draussen. Bis Nicole Odermatt und Marco Liembd in die Bresche sprangen und mit Eric Amstutz das sechste Turnier innert weniger Wochen auf die Beine stellten – 45 Teams marschierten schliesslich auf der Allmend auf.

2004 war auch das Jahr, an dem die erste «Gazetta des Kick’n’Rush» erschien, seither gibt’s eine jährliche Turnierpublikation zwischen billigem Trash und blutigem Boulevard, heute heisst sie Kick’n’Rush-Revue. 2008 kam eine «Bibel» dazu. Das liebevolle Buch geht in zehn Geboten namhafter Schweizer Autoren von Sybille Berg bis Bänz Friedli der Frage nach: «Ist Fussball eine Religion?»

Impressionen vom Kick’n’Rush 2012:

 

Neue Köpfe tragen die Idee weiter

Seit 2005 findet das Turnier im Tribschenquartier auf dem Platz des FC Kickers statt. Die Lage gleich neben dem Kulturlokal Treibhaus ermöglichte es erst, das kulturelle Rahmenprogramm und die angemessene Verköstigung auf das heutige Niveau auszubauen.

Seit ein paar Jahren gibt es mit dem Indoors-Turnier in der Schüür auch eine Winterausgabe des Kick’n’Rush. Aktuell steckt ein neunköpfiger Vorstand hinter der Organisation, es kommen immer wieder neue dazu, andere hören auf. Aber auch viele ehemalige treibende Köpfe sind dem Turnier noch in der einen oder anderen Funktion verbunden – einmal Kick’n’Rush, immer Kick’n’Rush.

Das Turnier lebt von der Hingabe der Leute für die Idee – und man nimmt es jedes Jahr, wie’s kommt. «Wir sind nicht der organisierteste Verein», sagt Vetter mit einem Schmunzeln.

Bleiben, nicht duschen

Nun werden am Samstag und Sonntag 48 Teams gegeneinander antreten – in der gemischten Kick’n’Rush-Liga sowie in separaten Herren- und Damenligen. Das sind etwas weniger Teams als in den Vorjahren, aber man hatte sich mit rund 60 Teams auch schon übernommen.

Und wieder wird eine Bruthitze herrschen auf dem Kickers-Rasen, wie so oft in den vergangenen Jahren. Es gäbe zwar auf dem Papier eine Schlechtwettervariante auf dem Kunstrasen im Obergeissenstein mit Shuttle-Service zum Treibhaus. «Aber weil es noch nie dazu gekommen ist, wissen wir gar nicht, wie und ob das überhaupt funktionieren würde», sagt Vetter.

Einen Wunsch hat er noch: Dass die Teilnehmer nach den Spielen länger sitzen bleiben – das habe leider etwas abgenommen. «Früher sind die Teams am Morgen gekommen, haben gespielt und sind danach geblieben. Mittlerweile gehen viele nach Hause duschen», sagt er lachend. «Das hat es früher nicht gegeben.»

Ein paar Bilder aus 19 Jahren Kick’n’Rush in der Galerie:

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1 Kommentar
  • Profilfoto von vasco10
    vasco10, 10.07.2017, 13:43 Uhr

    Ach Gottchen, die Wahrheit ist das der Ursprung dieses legendären Turniers die Inter Amore Turniere vom FC Inter Altstadt Luzern auf dem Utenberg waren, dass die TimBuktus um Amstutz herum leider nie gewannen, sondern immer sang- und klanglos ausschieden. Auch die Gazzetta (della Spott), der Live-Speaker und tolle Musik rund ums Turnier kam aus unserer Feder! Also wie sangen die Prinzen einst so schön: «Es ist alles nur geklaut….!»

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