Zuger Salesianums-Schäumchen und Kloster-Kräpfli

Wir backen alte Zuger Guetslisorten – und erschaffen Albträume in Beige

Was aus Grossmutters Backstube kommt, kann nicht falsch sein. Glauben jedenfalls zwei Mitglieder unserer Redaktion. Und sie fordern sich selbst mit alten Zuger Guetslirezepten heraus. Glorioser als mit den Kloster-Kräpfli und Salesianums-Schäumchen sind die beiden noch nie gescheitert.

Man tut ja immer so, als wäre man total traditionell, wir backen Weihnachtsguetsli, super, und kauft dann einen Chocolate-Chip-Cookie-Teig in der Migros, den man in Windeseile zu mässig schmeckenden Keksen verarbeitet. Das machen wir nicht, oh nein. Wir greifen auf Altbewährtes zurück. Viel Altbewährteres noch als Zimtsterne und Spitzbuben. Wir backen aus dem alten Zuger Kochbuch, aus dem wir an einem mutigen Tag bereits einmal ein Hirn-Rezept getestet haben (zentralplus berichtete).

Nun bedienen wir die Vegetarier und Zuckerfreunde. Und zwar mit Kloster-Kräpfli und Salesianums-Schäumchen. Guetslisorten aus nächster Umgebung also. Klingt fantastisch? Wir finden’s heraus. Möchten aber vorwegnehmen: Der Satz «Der Teig wird nicht fest, Sch…» spielt im Szenario eine nicht unwichtige Rolle.

Angst, zu vertrocknen

Wir beginnen mit dem vermeintlich Harmlosen. Salesianums-Schäumchen. Eiweiss, geriebene Mandeln, Zucker, geriebene Zitronenzeste. «Was kann da schon schiefgehen?», denken wir und legen beherzt los. Das Eiweiss steif zu schlagen, gelingt uns mit Bravour. Hätten wir das – es ist ja ein altes Rezept – von Hand tun sollen? So weit kommt’s noch. Wir gönnen uns den Mixer. Mandeln und Zucker abwägen, vermengen. Alles klar. Und dann die Zitrone. Flauschig sieht das aus. Doch haben wir eine dunkle Vorahnung, dass diese Schäumchen im Ofen zu trockenen Platten verkommen. Eine nicht unbegründete Angst.

Und dann kommt auch die erste konkrete Stolperfalle. Im Rezept steht nämlich nirgends geschrieben, bei welcher Hitze und vor allem wie lange man diese Merängge backen soll. Auf einem neumodischen Meringues-Rezept heisst es 100 Grad. Das adaptieren wir. Wie im Rezept empfohlen, variieren wir die Hälfte der Masse mit Zimt und verteilen sie auf dem Blech. Dieses kommt in den Ofen – für wie lange, weiss kein Mensch.

Zitronig, zimtig, süss

40 Minuten später finden wir, es reicht. Und nehmen die mittlerweile tatsächlich sehr flachen Kekse aus dem Ofen. Und vermuten, dass wir’s – zumindest optisch – vermasselt haben. Wissen wir aber nicht mit Bestimmtheit, denn im Zuger Kochbuch gibt’s notabene keine Bilder. Vielleicht zum Glück. Der Geschmackstest verrät: zitronig, zimtig, süss. Und ziemlich gummig. Ein flacher Traum in Beige. Schlecht sind sie jedoch nicht.

Item. Ausgebacken haben wir noch lange nicht. Denn derzeit kämpft sich mein Kollege nämlich durch den Kräpfliteig. Denn der will und will nicht fest werden.

Giftige Gefahr

Dabei war auch bei den Klosterkräpfli die Ausgangslage einfach. Eier und Zucker vermischen und schaumig rühren, dann ein wenig Honig und Butter zugeben. Den Wunsch, das Ganze mit ein wenig Zimt, Kirsch oder Kardamom aufzupeppen und interessant zu machen, stoppt meine Kollegin: «Das ist verboten. Halt dich ans Zuger Originalrezept.»

 

Also weiter im Rezepttext. Jetzt sollen wir Mehl und Triebsalz unterrühren, bis das Ganze fest wird. Problem eins: Was ist Triebsalz? Eine Internetrecherche enthüllt, dass es sich um sogenanntes Hirschhornsalz handelt, welches in Apotheken erhältlich ist, wovon jedoch nicht zu viel eingesetzt werden sollte. Klingt irgendwie gefährlich und giftig – ebenso wie das Surrogat Natron. Also greifen wir ersatzweise zu Backpulver, das praktischerweise im Küchenschrank vorrätig ist.

Suppe statt Guetsliteig

Problem zwei: Wie viel Mehl braucht es, bis der Teig fertig wird? Das steht nicht im Rezept. Wir schütten und schütten und schütten Mehl in den Topf und dennoch gleicht das Gemisch mehr einer Suppe als einem Guetsliteig. Wann wird die Masse endlich fest? Nach einem ganzen Kilo Mehl und etlichen Flüchen ist es so weit. Der Topf mit Teig ist jetzt randvoll – mit dieser Kräpfliladung können wir gewiss sämtliche Klöster im Zuger Bergland versorgen. 

Flugs machen wir uns nun an die Füllung für die Krapfen: gemahlene Haselnuss, Zucker, Milch und geriebenes Brot. Das duftende, frische Brot mit einer Reibe zu zerkleinern, ist eine interessante, weil neue Erfahrung. Eine Naschprobe ergibt: Die Füllung schmeckt erstaunlich lecker und nussbetont. Dennoch besteht ein krasses Missverhältnis zwischen der wenigen Füllmasse und dem vielen Teig.

Hilfe – das sind Monsterkrapfen

Jetzt wird der Teig rezeptgetreu bleistiftdick ausgewallt und in die Krapfenform gepresst. Aber halt: Wie sieht eine Krapfenform überhaupt aus? Wir gingen davon aus, dass ein Krapfen viereckig oder rautenförmig sein sollte, aber vor hundert Jahren sah man das offenbar anders. Wie ein experimenteller Archäologe, der sich aufs Feld der Kochkunst verirrt hat, machen wir eine Literaturrecherche und entdecken auf dem Netz ein Bild mit Kuchenformen um 1900. Die Krapfenformen gleichen dem, womit wir heutzutage Cupcakes backen. 

Als greifen wir zur Cupcakeform und bereiten darin unsere Kräpfli zu. Wobei die mit ihrem dicken Teig extrem gross werden. So gross, dass ein Krapfen eine vollwertige Mahlzeit für einen schwer arbeitenden Holzfäller abgeben könnte. Deshalb taufen wir die Klosterkräpfli in Menzinger Monsterkrapfen um.

Nach einer Nacht Antrocknen und anschliessendem Ausbacken testen wir das Ergebnis. Mit dem vielen Backpulver, das wir beimischen mussten, erinnert das gigantische Guetsli mehr an einen Kuchen – aber an einen schmackhaften. Der Monsterkrapfen ist angenehm am Gaumen, nicht allzu süss, auch wenn er mit der Füllung kein besonderer Augenschmaus ist – sondern ein unförmiger Albtraum in Beige. 

Skandal! Wir setzen uns übers Rezept hinweg

Praktischerweise haben wir uns über die Anweisung hinweggesetzt und ein wenig Teig beiseitegeschafft. Den rollen wir dünner aus, als es das Rezept verlangte, füllen ihn mit selbst gemachter Preiselbeermarmelade und formen daraus etwas, was wir für einen Krapfen halten, das aber vermutlich als Panzerotto durchgehen würde. Dennoch: Das Resultat schmeckt himmlisch – lang lebe die neu interpretierte alte Guetslikunst!

Gleiches lässt sich auch von den Salesianums-Schäumchen sagen. Die unansehnlich beigen Fladen munden hervorragend. Und überraschenderweise auch recht saftig. Die Angst, an alten Guetslisorten zu ersticken, hat dazu geführt, dass wir die Salesianums-Schäumchen zu wenig heiss und zu wenig lang ausgebackt haben und sie noch nachtrocknen können. Oder eben auch nicht mehr – denn sie sind allzu schnell in unseren Mägen verschwunden.

Hier finden Sie weitere Bilder unseres Guetsliabenteuers:

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