«Ich weiss, dass ich nichts weiss»

Wie eine Luzernerin mit Podcasts die Welt erklären will

Mit ihrem Podcast möchte Lia von Moos ihre Hörer dazu anregen, sich Gedanken über die Gesellschaft zu machen. (Bild: asc)

Hinter dem Mikrofon hat die 23-jährige Luzernerin Lia von Moos ihre Berufung gefunden. In ihrem Podcast dreht sich alles ums Thema Wissen.

Es riecht nach Waschmittel. Das Summen der im Erdgeschoss einquartierten Textil- und Teppichreinigung dominiert die Geräuschkulisse im Treppenhaus. Dieses befindet sich in einem Gebäude des Krienser Industriegebiets. Ein Stockwerk höher ist es deutlich stiller. Der Geruch nach Waschmittel weicht hier schleichend demjenigen von kaltem Rauch.

Lia von Moos weist den Weg – durch Stapel von Kisten und ungenutzten Möbeln – am Studio eines Rappers vorbei, hin zu ihrem kleinen Reich. Hier herrscht Ordnung und man fühlt sich ein wenig wie in Grosis gemütlicher Stube – nur, dass kein Tee getrunken wird. Die 23-jährige Luzernerin hat über der Wäscherei ihr Studio eingerichtet und produziert hier seit Oktober 2024 ihren Podcast.

Podcast soll wissenschaftliches Wissen einfach verständlich machen

Dieser trägt den Namen «Ich weiss, dass ich nichts weiss» und soll Wissen vermitteln. Wissenschaftliche Literatur sei oftmals kompliziert und viele Personen fänden keinen Zugang dazu oder hätten keine Zeit sich diesen zu erschaffen, erzählt von Moos.

Deswegen lege die Luzernerin Wert darauf, dass ihre Podcast-Folgen kurz – maximal eine halbe Stunde – und einfach zu verstehen seien. Vorwissen benötige man keines, um sich den Podcast anzuhören. Trotz der einfachen Sprache habe sie jedoch stets den Anspruch, wissenschaftlich korrekt und differenziert zu bleiben, sagt die 23-Jährige.

Sie wolle Interessierte für eine halbe Stunde aus ihrem Alltag reissen und dazu anspornen, sich Gedanken über unsere Gesellschaft zu machen – anhand von wissenschaftlichen Themen. Der Podcast sei einer von vielen Wegen, dies zu tun – niederschwellig und kostenlos.

Über der Wäscherei hat sich die Podcasterin ihr Studio eingerichtet. (Bild: asc)

Bei schweizerdeutschen Podcasts ergab sich eine «Marktlücke»

«Ich sah da eine Marktlücke», erklärt von Moos. Insbesondere, da es noch nicht viele schweizerdeutsche Podcasts gebe. Sie habe nach einem deutschsprachigen Podcast gesucht, der sich auf akademisches Wissen stütze, aber nicht übermässig lang oder kompliziert sei.

Fündig sei sie nicht geworden. «Nach einigen schlaflosen Nächten, in denen die Gedanken kreisten, habe ich mir ein Herz gefasst.» Sie entschied sich kurzerhand dazu, den gewünschten Podcast selber zu realisieren.

Sobald die Entscheidung stand, habe ihr der Name direkt auf der Zunge gelegen. Auch Ideen für verschiedene Folgen habe sie bereits präsent gehabt. Dies kommt nicht von ungefähr: «Seit meinem ersten Semester an der Uni wusste ich, dass ich eines Tages dieses Wissen einer breiten Öffentlichkeit zugängig machen will.»

Denn die Texte, die von Moos in ihrem Studium der Kulturwissenschaften las, seien nicht nur spannend, sondern können einem auch im Alltag und bei persönlichen Problemen weiter helfen. Das Studium an der Universität Luzern habe ihr die Augen geöffnet und es ihr erlaubt, die Welt besser zu verstehen.

«Ich liebe Mikrofone»

Nur fehlte ihr zu Beginn noch das richtige Gefäss. Ein Podcast war nämlich nicht die erste Idee der 23-Jährigen. Erste Versuche unternahm sie mit Dokumentarfilmen.

Dies habe sich aber nicht richtig angefühlt, erzählt von Moos: «Hinter der Kamera zu stehen war mir zu passiv.» Sich direkt vor die Kamera zu stellen, sei ihr dann aber auch zu aktiv gewesen. Ein Podcast habe sich dann als perfekter Mittelweg zwischen passiv und aktiv entpuppt.

Rückblickend könne man ihre Tätigkeit am Mikrofon fast schon als Berufung erkennen, witzelt die Podcasterin. Bereits als Kind habe sie ihren Vater zu einer Pressekonferenz im Hotel Schweizerhof begleitet. Auf einem eigenhändig aufgenommenen Video des Events bekundete die damals 8-Jährige bereits ihre Passion. Sie moderierte das Geschehen: «Da vorne steht ein Mikrofon. Ich liebe Mikrofone», sagte sie schon damals in die Kamera.

Wissensvermittlerin mit der Kernkompetenz Sprechen

Dass sie gerne spricht, habe sich wie ein roter Faden durch ihr Leben gezogen. Die Luzernerin bezeichnet das Sprechen indessen als ihre Kernkompetenz. In der Podcastproduktion gehöre das zu ihren Stärken, es fühle sich alles sehr intuitiv an.

Deswegen sei sie wohl auch mit dem Dokumentarfilm nicht glücklich geworden. Dieser lasse zu viel Interpretationsspielraum offen und das Medium der Sprache gefalle ihr einfach zu gut – beim Filme schneiden falle dieses nicht so schwer ins Gewicht.

Auch wenn von Moos mit dem Podcast nun eine aktivere Rolle einnehme, gehe es ihr nicht um sie oder ihre Person. Vielmehr handeln die Folgen von Dingen, die andere bereits erzählt haben. «Ich sehe mich als Vermittlerin und diese Vermittlerrolle geniesse ich sehr», stellt sie klar.

Als Podcasterin muss man in den sozialen Medien aktiv sein

Trotzdem komme die 23-Jährige nicht daran vorbei, sich bei der Vermarktung ihres Podcasts etwas mehr in den Vordergrund zu begeben. In den sozialen Medien agiere sie zwangsmässig als Influencerin. «Ich muss das machen, um mein Publikum zu erweitern», erzählt die Podcasterin.

Sie produziert solche Beiträge im Kurzvideoformat, um mehr Personen auf ihren Podcast aufmerksam zu machen:

Das «Influencer-Dasein» sei für ihren Geschmack zu stressig und zu persönlich. Ihre Zuhörerzahlen steigen derweil stetig und liegen bei durschnittlich etwa 120 Zuhörern pro Folge. Die erfolgreichsten Wissenspodcasts im deutschsprachigen Raum stammen meist von etablierten Radiostadionen und erreichen Hunderttausende von Personen mit jeder Folge.

Der Podcast ist ein «Herzensprojekt» der Luzernerin

Doch was bedeutet für von Moos Erfolg? Welches Ziel strebt sie mit ihrem Podcast an? Zurzeit sehe sie das mit dem Erfolg noch gelassen: «Es ist mein Herzensprojekt.» Sie habe zwischen ihrem Bachelor und Master etwas tun wollen, dass sich gut anfühlt.

Viele Studenten würden in dieser Zeit etwas «für sich» unternehmen, bevor sie definitiv in die Arbeitswelt einsteigen. «Manche gehen reisen, ich entschied mich für den Podcast.» Zurzeit liege ihr Fokus deswegen nicht darauf, mit ihrer Tätigkeit irgendwann Geld zu verdienen.

Die Podcastmacherei sei für die Luzernerin ein grosses Experiment. Ob sie ein Publikum finde und wie gross dieses sei, wisse sie schlichtweg nicht. Eine der Tücken, wenn man versucht, eine Nische zu füllen.

Von Moos träumt davon, dereinst mit ihrem Podcast Geld zu verdienen

Natürlich träume sie auch davon, eines Tages ihre Brötchen mit dem Podcast zu verdienen. Der Weg dahin sei aber äusserst anspruchsvoll.

Dies sei im Endeffekt nur durch Schalten von Werbung für Sponsoren oder mit bezahlten Inhalten möglich. Mit ihrem jetzigen Format und der Sprachwahl Schweizerdeutsch schränke sie sich dahingehend massiv ein. Es war ihr ein Anliegen, den Podcast in ihrer Muttersprache aufzuziehen – so fühle sie sich wohler.

Eine Folge alle zwei Wochen ist doppelter Arbeitsaufwand eines Studiums

Seit Oktober 2024 produziere die 23-jährige Luzernerin fleissig Folgen. Zu Beginn habe sie versucht, alle zwei Wochen eine Folge zu veröffentlichen. Schnell merkte sie jedoch, wie viel Arbeit dies bedeute: «Ich mache alles alleine: Recherche, Scripten, Aufnehmen, Schneiden Marketing und Corporate Design.»

So sieht der Alltag der 23-jährigen Luzernerin zurzeit aus. Produziert sie Beiträge für die sozialen Medien, sind die Scheinwerfer auf sie gerichtet. (Bild: zvg)

Gleichzeitig arbeite sie noch in einem Café. Der Aufwand für eine Folge alle zwei Wochen sei in etwa doppelt so gross wie der Gesamtaufwand, den ihr Studium in zwei Wochen abgeworfen habe. Für von Moos unverhältnismässig.

Akademisch fundiertes Arbeiten und wissenschaftliche Korrektheit würden halt ihre Zeit brauchen. So habe sie sich dazu entschieden, alle drei bis vier Wochen eine Folge zu veröffentlichen.

Zurzeit hören der Luzernerin zwischen 100 und 150 Personen zu

Mittlerweile stehen die ersten fünf Folgen hörbereit online. Das lässt bereits eine kleine Zwischenbilanz zu. Der Podcast stosse bei Bekannten auf Interesse. Ihre Hörerschaft ziehe sich quer durch die Gesellschaftsschichten: Studentinnen, Arbeiter, jüngere Personen und ältere Personen.

Fremde Personen zu erreichen, erlebe die Luzernerin als grösste Schwierigkeit. Sie mache zwar aktiv Werbung in den sozialen Medien, doch die dort angesprochenen Personen würden nicht wissen, wer sie sei. Deswegen sei das Vertrauen der potenziellen Hörerschaft, dass es sich lohne ihr zuzuhören, nicht gegeben.

Nichtsdestotrotz sei von Moos mit den Zahlen sehr zufrieden – auch wenn Vergleichsgrössen fehlen, mit denen sie sich messen könnte. Sie erreiche momentan mit jeder Folge zwischen 100 und 150 Personen. «Für mich ist das der Wahnsinn», kommentiert die Podcasterin. Eine konkrete zahlenmässige Zielsetzung habe sie jedoch nicht. Sie freue sich über jede einzelne Person, die ihr zuhört.

Die akademische Sprache aufzubrechen ist eine Herausforderung

Das vorhandene Interesse motiviere sie beim aufwendigen Produktionsprozess der einzelnen Folgen. Hierbei ziehe sie viel Inspiration aus ihren Studiumsnotizen. Zudem würden jeweils zusätzliche Recherchen und Lektüre anfallen. Sobald die Literaturliste für eine Folge steht, probiere sie, die relevanten Werke mit einem roten Faden zu versehen, sodass der Zuhörer stringent durch die Folge geführt werde.

Den roten Faden nicht zu verlieren sei mit Abstand die anspruchsvollste Aufgabe in der Produktion. Zudem sei es stets notwendig, die akademische Sprache aufzubrechen und so einfach wie möglich umzuschreiben. Das sei herausfordernd.

Nicht immer ernte sie für ihre Arbeit Lorbeeren – online habe es auch schon Kritik gegeben. Der Podcast sei zu gesellschaftskritisch, hiess es da etwa. Sie halte jedoch keine Brandreden, entgegnet von Moos. Sie probiere, objektiv zu bleiben und alle wissenschaftlich relevanten Facetten der behandelten Themen aufzuzeigen.

Die Kritik komme oftmals von Personen, die sich den Podcast gar nicht anhören. Die Kritiker beziehen sich dann auf kurze Ausschnitte aus ihren Beiträgen in den sozialen Medien. Diese seien halt provokant, um Personen dazu zu bewegen, sich den Podcast anzuhören.

Verwendete Quellen
  • Persönliches Gespräch vor Ort mit Lia von Moos, Podcasterin
  • Instagram-Beitrag von «ichweiss.dassichnichtsweiss»
0 Kommentare
Aktuelle Artikel
Apple Store IconGoogle Play Store Icon