ETH-Projektleiter über Transportmittel der Zukunft

Wie ein Chamer den Tesla-Boss beeindrucken will

Der 23-jährige ETH-Student Luca Di Tizio aus Cham und die Transportkapsel «Escher.»

(Bild: lob / Montage: lob)

Sich in einer Kapsel durch eine Vakuumröhre schiessen und die Strecke Zürich–Berlin in 35 Minuten zurücklegen? Von diesem Szenario ist der Chamer ETH-Student Luca Di Tizio überzeugt. Ende August reist der Projektleiter mit seinem Team in die USA, um den bisher einzigen Schweizer Prototypen im Wettbewerb zu testen.

In 20 Jahren könnten viele gewöhnliche ÖV-Transportmittel passé sein. Stattdessen werden wir uns in ökologisch betriebenen Hochgeschwindigkeitskapseln fortbewegen. Was sich ziemlich futuristisch anhört, wird von einer Gruppe ETH-Studenten gerade ausgetüftelt. Mit Erfolg: Sie gehören zu den 27 Teams aus 1200 Bewerbern, die ihren Prototypen in Amerika testen dürfen. Am sogenannten Hyperloop-Wettbewerb, lanciert von der Firma SpaceX – hinter der niemand Geringerer steht als Tesla-Gründer Elon Musk. Im Team ganz vorne mit dabei: Der 23-jährige Luca Di Tizio. Wir haben uns von ihm das Transportmittel der Zukunft erklären lassen.

zentralplus: Luca Di Tizio, ganz vereinfacht – wie soll das neue Transportsystem funktionieren?

Luca Di Tizio: Man vergleicht es oft mit einer Art menschlicher Rohrpost, was es aber eigentlich nicht ist. Das Ganze kann man sich als kleinen Hochgeschwindigkeitszug vorstellen, der mit Magneten durch eine Vakuumröhre schwebt und ökologisch mit komprimierter Luft angetrieben wird. Und so sehr schnell fährt: Wir gehen davon aus, dass so ein «Pod» eine Geschwindigkeit von 1’200 km/h erreichen kann.

Damit Sie vom ganzen Projekt eine Vorstellung bekommen, hier das Video der ETH Zürich:

zentralplus: Wie ist man unter den Studenten auf die Idee für diese Art Kapsel – respektive diesen Pod – gekommen?

Zur Person

Luca Di Tizio steht kurz vor seinem Bachelor-Abschluss in Maschinenbau. Vor dem Studium an der ETH Zürich besuchte er die Kantonsschule in Zug – mit dem Schwerpunkt Wirtschaft und Recht. Wie das zusammengeht? «Ich war schulisch sehr vielseitig interessiert.» Auf die Studienrichtung fiel seine Wahl, weil sie viele Möglichkeiten eröffnet. «Richtung Medizintechnik, Industrie oder Digitalisierung zum Beispiel», erklärt er. Seit letzten Dezember arbeitet Di Tizio im Verein von Swissloop. In seiner Freizeit ist der 23-jährige ein passionierter Leichtathlet.

Di Tizio: Wir wussten, dass es diesen Hyperloop-Wettbewerb gibt und kein ETH-Team dafür aufgestellt war. Angefangen hat es mal locker, über WhatsApp-Gruppen und E-Mails. Schnell ist es dann konkreter geworden. Am Ende ist unser Projekt aber nicht nur auf den mehrjährigen Wettbewerb ausgelegt, sondern es soll eines Tages auch umgesetzt werden.

zentralplus: Was waren Ihre Aufgaben?

Di Tizio: Ich bin der CEO beziehungsweise der Projektleiter von Swissloop. Und habe durchs Band sehr viel gemacht. Konzipierung, Koordination, Einhaltung der Arbeitszeiten – manchmal auch ein bisschen «Mädchen für alles», wie Teile abholen.

zentralplus: Dass die Hyperloop-Kapsel als neues Fortbewegungsmittel kommt, steht für Sie fest?

Di Tizio: Technologisch wird es garantiert umsetzbar sein. Die Frage ist, ob es sich durchsetzen kann – der Knackpunkt hierbei sind Politik und Finanzen. So, wie das Projekt angedacht ist, müsste man die Bahnhöfe überirdisch bauen. Dies ist günstiger, und man könnte Solartechnik nutzen, um die Anlage zu betreiben.

So könnte eine Swissloop-Station in Zukunft aussehen.

So könnte eine Swissloop-Station in Zukunft aussehen.

(Bild: zvg)

zentralplus: Und mit unterirdischen Röhren?

Di Tizio: Würde das Ganze schlicht nicht funktionieren. Die Strecken wären zwischen Minimum 100 und maximal 1000 Kilometern. In ganz Europa Tunnels dieser Länge für die Röhren zu bauen, wäre ein Jahrhundertprojekt. Und deshalb auch gar nicht finanzierbar.

zentralplus: Über die Ästhetik müsste man bei überirdischen Röhren vielleicht reden. Womit überzeugt die Idee ganz klar?

Di Tizio: Die Ökobilanz der Idee ist phänomenal, da nicht nur die Kapsel, sondern auch die Anlage – mit Solarpanels – umweltfreundlich betrieben werden kann. Oft sind wir mit Kommentaren konfrontiert wie: «Wieso muss es überhaupt so schnell gehen?» Aber ganz ehrlich, ich habe noch niemanden getroffen, der gerne drei Stunden in einem stickigen, vollen Zug steckt. Also wieso sollte man es sich nicht überlegen, auf ein ökologischeres, sichereres und schnelleres Transportsystem zu wechseln?

Schnappschuss aus der Bauzeit: So sieht es im Inneren von «Escher» aus.

Schnappschuss aus der Bauzeit: So sieht es im Inneren von «Escher» aus.

(Bild: zvg)

zentralplus: Zum Beispiel, weil die Beschleunigung eine Belastung sein könnte?

Di Tizio: Nein, gar nicht. Die Pods kann man sich als Pendant zum Flugzeug vorstellen – der Körper spürt nur die Beschleunigung am Anfang. Ausserdem sind die Strecken so ausgelegt, dass «gemütlich» beschleunigt werden kann und man auch bei Highspeed nichts davon merkt. Zum Vergleich: Auf einer Achterbahn wirken zum Teil 2,5 G (also 2,5-mal das eigene Gewicht, Anm. d. Red.) auf den Körper, bei einer Reise mit der Hyperloop-Kapsel ca. die Hälfte, also 1,15 G.

zentralplus: Wie viele Menschen passen in den fertigen Pod?

Di Tizio: Zwischen 14 und 20 Leute. Das von uns gebaute Modell ist natürlich kleiner. Das fertige Transportmittel hätte eine normale Höhe von 2,3 Metern. Im Minutentakt würden die Pods dann einfahren, um die Menschen transportieren zu können.

zentralplus: Zurück zum Prototypen: An den Wettbewerb reisen alle Teams mit einer eigenen Kapsel im Gepäck an – die schnellste gewinnt dieses Jahr. Was zeichnet eure aus?

Di Tizio: Wir haben einen Antrieb mit komprimierter Luft (s. voriges Bild). Wahrscheinlich dürfen, beziehungsweise werden, wir diesen als Einzige benutzen. Die Tests mit so einem Antrieb sind sehr teuer. Dank vieler Sponsoren konnten wir das ausgiebig tun. Wir gehen davon aus, dass dies bei den meisten anderen Kandidaten nicht der Fall war.

Das ganze Swissloop-Team mit ihrem «Pod».

Das ganze Swissloop-Team mit ihrem «Pod».

(Bild: zvg)

zentralplus: Was erhofft ihr euch am Wettbewerb?

Di Tizio: Wir wollen zu den 5–6 Teams gehören, die alles testen dürfen. Dafür, dass du am Wettbewerb an diesem Tag die Höchstleistung bringen kannst, braucht es natürlich Glück. Wenn alles klappt, ist aber vielleicht auch der Sprung aufs Podest möglich.

zentralplus: Das war sicher eine Menge Arbeit. Habt ihr dafür eigentlich Credits an der ETH bekommen?

Di Tizio: Nein, nächstes Jahr wird es für das kommende Team dann welche geben. Sie werden es uns danken, weil wir die Vorreiter waren (lacht). Wir haben also alle freiwillig und ohne Credits am Projekt gearbeitet, dabei aber von der Erfahrung sicherlich profitiert.

Für das 21-köpfige Swissloop-Team geht die Reise ab Mitte August los, am 24. August werden sie vollzählig in Los Angeles ankommen. Zum Wettbewerb geht es vorerst noch ganz normal per Auto, Bahn und Flugzeug.

Hier gibt es von SpaceX erste Aufnahmen von Hyperloop-Fahrten zu sehen:

Deine Ideefür das Community-Voting

Die Redaktion sichtet die Ideen regelmässig und erstellt daraus monatliche Votings. Mehr zu unseren Regeln, wenn du dich an unseren Redaktionstisch setzt.

Deine Meinung ist gefragt
Deine E-Mailadresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert. Bitte beachte unsere Netiquette.
Zeichenanzahl: 0 / 1500.


0 Kommentare
    Apple Store IconGoogle Play Store Icon