Das sagen Webforen über den Zuger Fintech-Standort

Wie die Welt auf das Zuger Crypto Valley schaut

Die digitale Währung Bitcoin beruht auf der Blockchain-Technologie.

(Bild: Flickr)

Die Stadt Zug setzt seit dem ersten Juli auf Bitcoins. Und wie diese Woche bekannt wurde, wird sie dies auch weiterhin tun. Das positive Fazit zieht die Stadt auch wegen des überwiegend wohlwollenden internationalen Medienechos. Doch in den Kommentarspalten waren auch kritische Stimmen zu hören.

Die digitale Revolution verwirft jahrzehntelange Gewissheiten und stellt immer neue Bereiche der Gesellschaft komplett auf den Kopf. Die nächste Revolution wird über den Finanzsektor hereinbrechen: Geld ohne Banken. Und der Kanton Zug will dabei zum Schlachtfeld werden.

Nach einer Testphase, in der man in Zuger Ämtern mit Bitcoins bezahlen konnte, will die Stadt auch zukünftig beim digitalen Wandel dabei sein. Bitcoins werden weiterhin als Zahlungsmittel akzeptiert, in Erwägung ziehe der Stadtrat auch andere Bezahldienste wie Applepay oder Twint. «Wir wurden in diesem Jahr zu diversen Technologietreffen eingeladen und möchten im Jahr 2017 die aktuellen Entwicklungen ein wenig mit der ‹Zukunftsbrille› verfolgen», sagt Dolfi Müller, Stadtpräsident von Zug. Dazu gehört auch, dass man darüber nachdenkt, wie man die Blockchain-Technologie, auf der digitale Währungen wie Bitcoin beruhen, im Kanton Zug sonst noch anwenden könnte.

Blockchain-Testgebiet Schweiz

«Retten diese fünf Firmen den Finanzplatz Schweiz?», titelt der Blog bitcoinnews.ch und zählt fünf Zuger Firmen auf. Der Blogschreiber wird seine Frage wohl tendenziell mit «Ja» beantworten. Wobei sich andere nicht so sicher sind. Auf Bundesebene wurden zwei Motionen eingereicht, die eine Koordinationsstelle zur «Digitalisierung der Finanzbranche» forderten oder ein «Testgebiet, um die Blockchain-Technologie zu fördern». Der Bundesrat empfahl beide Motionen zur Ablehnung. Zug kümmert das aber nicht, fleissig weibelt es für das Blockchain-Paradies am See. Und es scheint zu klappen: Bereits insgesamt 18 Firmen haben sich im selbsternannten «Crypto Valley» niedergelassen.

Sie wissen nicht genau, was eine Blockchain ist? Etwas einfach gesagt ist sie das digitale Pendant zum Vertrauen, das wir Vermittlern wie Banken oder Staaten entgegenbringen. Mehr dazu in der Box am Ende des Artikels. Die Technologie macht solche Mittlerpositionen überflüssig. Damit findet ein alter Kampf in neuen Gewändern statt: eine anarchistische Idee gegen die herrschende Kaste.

Hier meldet sich Zug freiwillig als Schauplatz, denn in den einschlägigen Internetforen preist der Kanton unter dem Namen «Crypto Valley» die Vorteile, die solche Firmen in der Schweiz und speziell in Zug geniessen würden. Aber klappt das auch?

«Die Schweiz ist nicht Kalifornien»,stellt ein User klar.

«Die Schweiz ist nicht Kalifornien», stellt ein User klar.

Die strahlenden Farben, in denen die Zuger ihr Crypto Valley in Anlehnung an das kalifornische Silicon Valley verkaufen, rufen auch in der Bitcoin-Community Skepsis hervor. «Die Schweiz ist nicht Kalifornien», schreibt der User «Sky» als Kommentar unter einen Blogbeitrag von Coindesk.com. Klar sei die Schweiz vertraut mit Finanzgeschäften, das heisse aber nicht, dass man die verschiedenen Geschäftskulturen oder die unterschiedlichen gesetzlichen Rahmenbedingungen ignorieren könne. So unabhängig, wie viele meinen, seien die Schweizer Kantone dann doch nicht.

Andere fragen sich, wie riskant es ist, Geld in Blockchain-Firmen zu investieren. Ein User, der unter einem Artikel der österreichischen Zeitung «derstandart.at» kommentierte, meint, der «Blockchain-Hype ist eine riesige Blase». Er sehe kein einziges Blockchain-Unternehmen, das ansatzweise rentabel sei. «Es herrscht eine enorme Informationssymmetrie zwischen Gründern und Kapitalgebern, die es Ersteren erlaubt, Zweitere über den Tisch zu ziehen.»

«Die Bewegung bestand anfangs aus Anarcho-Kapitalisten, heute ist der Bereich von unmoralischen Spekulatoren beherrscht.»
User Alexandre D. A. Neto

Dass die Risikokapitalgeber ohne Rendite ausgehen könnten, könnte aber auch andere Gründe haben. Eine Technologie, die die heute profitablen Mittlerpositionen abschaffen will, also Banken oder Notare, kann per Definition keine Rendite für Einzelne abwerfen, setzt man das Konzept in seiner ursprünglichen Idee um. Kein Wunder, tüfteln alle grossen Finanzinstitute an eigenen Entwürfen zur digitalen Zukunft der Finanzbranche herum. Der User «Alexandre D. A. Neto» kritisiert diese Entwicklung, indem er an die Gründerideen erinnert: «Die Bewegung bestand anfangs aus Anarcho-Kapitalisten, heute ist der Bereich von unmoralischen Spekulatoren beherrscht.»

Der Teil mit den anarcho-kapitalistischen Ideen ist wohl auch der Aspekt, der am meisten Sorgen bereitet. Der Stadtpräsident von Zug, Dolfi Müller, denkt jedoch weiter: «Es ist klar, das die Blockchain-Technologie die Gefahr birgt, gewisse Jobs abzuschaffen. Es ist jedoch besser, bereitet man sich darauf vor, denn diese Entwicklung findet mit oder ohne uns statt.»

Die Reaktionen auf die betonte Offenheit von Zug gegenüber Finanztechnologie-Firmen waren überwiegend positiv. Nicht nur die vielen Berichte von Blogs und Foren, auch bereits ansässige Blockchain-Interessierte reagierten positiv. Lucas Betschart beispielsweise organisiert in Zug regelmässig Treffen für Experten im Bereich der Finanztechnologie. Einerseits, weil Zug einfach erreichbar sei. Anderseits, weil sich in Zug anscheinend so etwas wie eine Szene bildet. «Die internationalen Bitcoin-Firmen, die sich langsam ansiedeln, machen das Ganze sehr spannend», schreibt er. 

Was auch immer in der Schweiz bezüglich Vermögensverwaltung passieren wird, es werde Erdbeben nach sich ziehen.

Was auch immer in der Schweiz bezüglich Vermögensverwaltung passieren wird, es werde Erdbeben nach sich ziehen.

(Bild: Screenshot fintechna.com)

Das Schmelz-Tiegel-Argument darf man nicht vernachlässigen, Beweise in diese Richtung liefert der Blick ins Silicon Valley in Kalifornien. Wo viele kluge Köpfe zusammenstecken, da kommen auch die grossen Ideen her. Und wenn es um Finanzfragen geht, schaue die Welt sowieso darauf, was in den Schweizer Hochburgen passiert: Die Schweiz sei ein globaler Führer in Sachen Vermögensverwaltung, schreibt ein anonymer User in einem Crypto-Forum. «Was immer auch hier passiert, hat Gewicht, und was hier passiert, wird weltbewegend sein.»

Die einst anarchistische Vision von Geld ohne Banken oder Staat steht vor der Entscheidung: mit Banken in eine berechenbare Zukunft – oder ohne in die Revolution.

Was ist Blockchain?

Spätestens mit der digitalen Währung Bitcoin muss sich nun auch der Finanzsektor der Kampfansage der Bits und Bytes stellen, denn dank neuer Technologien könnten Banken, Notare und ähnliche Institute bald überflüssig sein. Einer der Brennpunkte dieser Finanzrevolution ist Zug. Unter dem Namen «Crypto Valley» locken Stadt und Kanton sogenannte Blockchain-Firmen an. Bitcoin? Blockchain? Crypto Valley? Alles schön der Reihe nach:

2008 beschrieb Satoshi Nakamoto ein digitale Währung, die ohne Banken auskommt: den Bitcoin. Dazu setzt er auf ein Netzwerk, das den Nutzern ermöglicht, Beträge direkt zu überweisen. Und zwar in der digitalen Währung Bitcoin. Der Wert der Bitcoins ergibt sich aus Angebot und Nachfrage, die maximale Geldmenge der sogenannten Cryptowährung ist auf 21 Millionen begrenzt. Dass Geld überhaupt einen Wert hat, ist aber nicht alleine auf das begrenzte Angebot zurückzuführen, sondern auch darauf, dass wir daran glauben, im Tausch für unser Geld etwas kaufen zu können. Für dieses Vertrauen sorgen normalerweise Banken und Staaten. Doch wie digitalisiert man Vertrauen, wenn man auf Banken und Staaten verzichten will? Hier kommt die Blockchain-Technologie ins Spiel.

Eine Blockchain ist grundsätzlich einfach eine Datenbank. Im Gegensatz zu herkömmlichen Datenbanken sind die Informationen jedoch nicht an einem Ort gespeichert, sondern auf viele Datenblocks verteilt. Die Datenblocks bilden eine Kette, indem sie den Wert des vorherigen Blocks vereinfacht übernehmen. Würde ein Block manipuliert, wäre er dadurch nicht mehr in der Kette und somit ungültig. Die Blockchain hält also immer das für wahr, was mit den Werten der längsten Kette übereinstimmt. Sie ist also nur dann manipulierbar, wenn jemand über die Hälfte der Datenblocks manipulieren würde.

Als einfache Erklärung benutzt ein User folgendes Bild: Stellen Sie sich eine Strasse mit vielen Leuten vor. Plötzlich fällt ein Klavier vom Himmel. Alle auf der Strasse haben es gesehen und würden übereinstimmend sagen, dass soeben ein Klavier vom Himmel fiel. Das ist die Blockchain, das ist digitalisiertes Vertrauen. Doch damit lassen sich noch ganz andere Dinge machen als bloss digitales Geld. Verträge könnten so ohne Notar beglaubigt werden, Rechtsansprüche in der Musikindustrie könnten automatisiert werden oder Staaten könnten Vorgänge, für die bisher Beamte zuständig waren, automatisieren und so vor Korruption schützen.

 

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