Drei Zuger Gastronomen diskutieren

Wie Beizer auch in Zukunft ein Stück Heimat schaffen können

Das «Meating»-Team in einer Art von Abendmahl-Inszenierung. (Bild: AVP Media-Design)

In der Schweiz wird immer mehr für die Verpflegung ausser Haus ausgegeben – aber immer weniger in Restaurants. Wie kann man als Wirt die Gäste trotzdem bei Laune halten und Orte des geselligen Zusammenseins schaffen? Drei Zuger Gastronomen haben ihre eigenen Rezepte – auch wenn alle mit Glück zu tun haben.

Gaststätten bieten Heimat – und zwar nicht nur einem Schriftsteller wie dem Solothurner Peter Bichsel, der wohl einen beträchtlichen Teil seines Lebens in der Beiz verbracht hat. Doch die Gastronomie steht auch unter Druck und ist dem Wandel der Zeit unterworfen.

Grund genug für das Zuger Dokumentationszentrum Doku-Zug, das eben eine Ausstellung über «Heimat im Wandel» zeigt, auszuloten, was Wirtschaften für den sozialen Kitt in der Gesellschaft noch leisten können – und wie Gastronomen mit den schwierigen Bedingungen in der Branche klarkommen.

Viele werden Wirt, viele scheitern

Wie die aussehen, skizzierte der Moderatorin des Doku-Talks von Samstag, der Chamer Journalist Ignaz Staub: Seit Wegfall der Bedürfnisklausel in der Gastronomie vor rund 20 Jahren versuchen sich mehr Leute als Wirte – die Zahl der Lokale hat um einen Viertel zugenommen.

«Die Gastronomie ist viel ehrlicher geworden.»

Helena Todorovic, Bar- und Clubbetreiberin, Zug

Viele aber müssen auch wieder aufgeben, arbeiten defizitär oder müssen sich mit einer Verlagerung des potentiellen Umsatzes zu Schnellimbissen und Convenience-Food-Ständen abfinden. Laut einem Bericht der «NZZ am Sonntag» geben Schweizer für auswärtige Verpflegung so viel Geld aus wie noch nie – aber eben um einiges weniger in der traditionellen Gastronomie.

«Die Gäste wollen mehr»

Schon länger schlägt sich Helena Todorovic mit dem Wandel der Zeit herum. Sie hat seit den 1990er Jahren die Panorama-Schiff-Bar in der Zuger Altstadt gepachtet, seit 2005 führt sie den Topas Club in der Zuger Neustadt und 15 Jahre lang war sie auch Wirtin des gutbürgerlichen Restaurants Ebel in Inwil. Sie habe eigentlich kein Konzept gehabt, sondern viel ausprobiert, sagt sie. 

Benno Stäheli (links), Helena Todorovic, Ramon Nietlispach und Ignaz Staub.

Benno Stäheli (links), Helena Todorovic, Ramon Nietlispach und Ignaz Staub.

(Bild: mam)

«Die Gastronomie ist in dieser Zeit viel ehrlicher geworden», sagt sie. Die Gäste seien nicht mehr einfach mit dem Servierten zufrieden. «Sie wollen mehr», so Todorovic. Man wolle das Traditionelle, das Spezielle und auch den Gastgeber in Echt erleben. Sie selber sei so oft wie möglich in ihren Betrieben anwesend und habe sowohl im «Ebel», wie auch in der «Schiff-Bar» ein Stammpublikum gehabt.

Ansprechperson in vielen Lebenslagen

Es gebe viele Leute, die jeden Tag in der «Schiff-Bar» vorbeischauten. «Das sind nicht alles Alkoholiker, sondern die finden hier ihren gesellschaftlichen Austausch», sagt Todorovic. Sie seien auch fast Teil einer Familie geworden. «Doch als Gastgeberin in einer Bar ist man ohnehin eine Art Beraterin seiner Gäste».

«Ich verbringe meine Tage mit Freunden.»

Ramon Nietlispach, Restaurateur in Zug

Die persönliche Ansprache und der herzliche Umgang mit Gästen sind aber kein Erfolgsgarant. Im «Ebel», das gleichzeitig Dorfkneipe und Speiserestaurant ist, blieb der Stammtisch nach der Einführung des Rauchverbots leer, erzählt sie.

Aus des Stammtisches

Übrig geblieben seien nur die mittäglichen Essensgäste aus den internationalen Firmen. Das Restaurant hat Todorovic vor wenigen Jahren an einen Nachfolger weitergegeben, der die gleiche Philosophie verfolge. «Da fühlte ich mich wirklich erleichtert, denn für uns Gastronomen sind unsere Lokale auch immer ein bisschen wie Kinder.»

Tanznacht40 im Topas: ein Erfolgsgarant in nicht einfachen Zeit für die Clubs.

Topas: ein Club mit langer Tradition in Zug.

(Bild: zVg Topas)

«Gastronomie ist nur so lange schön, wie der, der sie betreibt, glücklich ist», sagt Ramon Nietlispach, ein Überflieger der Zuger Gastroszene. Er führt das Restaurant Meating in der Grafenau, das Café Glücklich beim Bahnhof Zug und übernimmt nun diesen Sommer auch die Wirtschaft in der ehemaligen Zuger Männerbadi am Siehbach.

Flache Hierarchien

Nietlispach sagt, er habe viel von Helena Todorovic gelernt, bei der er einst auch als Barman seine Laufbahn begonnen hatte. Die persönliche Ansprache der Gäste habe er beibehalten. «Stellen Sie sich vor, was das für ein gutes Gefühl ist: Sie kommen in ein Lokal und werden wiedererkannt. Hören: Ramon, schön dass Du da bist.» Durch diese persönliche Wertschätzung sei der Gast auch viel eher bereit einen Fehler im Service oder der Küche zu verzeihen.

«Wir haben nur kurze Zeit um unsern Kunden einen Moment von Glück zu schenken.»

Benno Stäheli, Gastro-Start-up-Unternehmer, Oberägeri

«Problematisch finde ich in unserer Branche auch Hierarchien», sagt er. Diese versuche er flach zu halten. Er habe keine Angestellte, nur Mitarbeiter. «Ich verbringe meine Tage mit Freunden.» Diese, so Nietlispach, versuche er dort einzusetzen, wo sie besondere Talente hätten. «Jeder kann irgendetwas am besten», sagt er.

Barista spricht den Kunden mit Namen an

Das persönliche Moment schafft auch Benno Stäheli beizubehalten, der in Rotkreuz mit seinem innovativen Kaffeemobil «Caffè per me» Pendler versorgte, bis ihn die Behörden wegen administrativen Hürden stoppten (zentralplus berichtete).

Zusammen mit Paul Blinkert verkaufte er Kaffee, Tee und Schokolade über eine App, die mit einem Distanzmesser arbeitet und dem Barista dann den Auftrag erteilt, wenn der Kunde noch 200 Meter vom Kaffeemobil entfernt ist. Eingeblendet wurde immer auch der Vorname des Kunden, der so das Getränk warm und ohne Warten in Empfang nehmen konnte.

Kurzer Kundenkontakt

«Wir haben nur kurze Zeit, um unsern Kunden einen Moment von Glück zu vermitteln», sagt Benno Stäheli. Deswegen sei auch ausgesuchte Qualität wichtig für sein Geschäft – beim Kaffee, der Milch aber auch beim Barista, der immer speziell ausgebildet sei. Stäheli arbeitet an einem Comeback seines Gastro-Start-ups. «Wir führen an verschiedenen Orten Gespräche und holen Bewilligungen ein.»

Benno Stäheli (links) und Paul Binkert (rechts) sind die Initianten von Caffè per Me.

Benno Stäheli (links) und Paul Binkert – die Initianten von Caffè per Me.

(Bild: zvg)

Caffè-per-me-Mobile solls denn auch nicht nur eins geben: «Ab vier Standorten ist es okay, ab 10 wird es interessant», sagt Stäheli, der eine Marketingfirma führt. Auch feste Cafeterias, die ein Take-Away-Fenster einrichten wollten, kämen in Betracht.

Was gut läuft, beibehalten

Schlussfrage: Was braucht Zug an zusätzlichen Gastronomie-Angeboten? «Eigentlich sind wir nicht schlecht aufgestellt», findet Helena Todorovic. Sie findet es wichtig, Bestehendes zu erhalten und rät: «Sachen, die gut funktionieren, sollte man immer beibehalten». Der Gast schätzt es, wenn Traditionen erhalten blieben. Daneben brauche es auch Anpassungen an Trends, im Barbereich etwa alkoholfreie Cocktails ode der vermehrte Einsatz von frischen Produkten.

Im Café Glücklich sitzen die Gäste auch Mitte September noch draussen.

Café Glücklich beim Bahnhof Zug.

(Bild: wia)

«Genau das wollen wir im Café Glücklich versuchen», sagt Ramon Nietlispach. Mit der Namenswahl habe man versucht, die Klientel des früheren Café Meier zu behalten. «Eine allzu hippe Bezeichnung hätte die wohl verschreckt», glaubt er.

Quantensprung ist absehbar

Dennoch sind gewichtige Veränderungen in Zugs Gastroszene zu sehen. Nicht wegen Gastro-Events wie dem Zugersee-Bierschiff oder dem Genussfilmfestival, die sich in den vergangenen Jahren etabliert haben. Angesprochen ist die neue Markthalle mit 16 Foodständen, die im Sommer auf 7600 Quadratmetern auf dem Siemens-Areal eröffnet wird. Zwar nur einstweilen als Zwischennutzung. «Aber dreieinhalb Jahre sind gar nicht so kurz», findet Ramon Nietlispach.

Man werde die Konkurrenz wohl im Restaurant Meating zumindest am Anfang zu spüren bekommen. «Aber ich freue mich auf das neue Angebot wie ein kleines Kind», sagt Nietlispach. Dieses werde die ganze Stadt beleben. Auch Helena Todorovic stimmt zu: «Es wird mehr Gäste in der Zuger Gastronomie geben, nicht weniger.» Und vielleicht blieben so auch mehr Leute länger in Zug, anstatt das Nachtleben und die Kulinarik in Luzern, Zürich oder anderswo zu geniessen.

Benno Stäheli (links), Helena Todorovic, Ramon Nietlispach.

Gastronomen in Zug: Benno Stäheli (links), Helena Todorovic, Ramon Nietlispach.

(Bild: mam)

 

 

 

 

 

 

 

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