Gefahrenquelle Wasser

Wenn der Schwimmspass zum Überlebenskampf wird

Ein Sprung ins kühle Nass steht derzeit hoch im Kurs.

(Bild: Emanuel Ammon/AURA)

Jedes Jahr verunglücken in der Schweiz durchschnittlich 50 Personen tödlich beim Baden. Erst gestern Dienstag ist wieder ein 43-Jähriger im Rotsee ertrunken. Die meisten Unfälle geschehen aus Übermut und Selbstüberschätzung und liessen sich mit etwas mehr Respekt vor dem Wasser vermeiden. Besonders dramatisch ist es, wenn Kinder verunfallen.

Bei den heissen Temperaturen suchen viele Menschen Abkühlung in Seen, Flüssen oder öffentlichen Schwimmbädern. Wie eine Studie der Schweizerischen Lebensrettungs-Gesellschaft (SLRG) zeigt, nutzen 65 Prozent aller Zentralschweizer die örtlichen See- und Flussbäder – mehr als in allen anderen Regionen des Landes.

Tödlicher Unfall am Rotsee

Aber nebst der Erfrischung und dem Spass, die das kühle Nass mit sich bringt, birgt es auch viele Gefahren. Jedes Jahr verunfallen rund 10’000 Menschen in Schweizer Gewässern und Schwimmbädern, durchschnittlich 50 davon tödlich. Erst gestern Dienstag ist ein 43-jähriger Mann im Rotsee ertrunken. Er war mit einem Arbeitsboot unterwegs. Das ist bereits der vierte Todesfall auf einem Zentralschweizer Gewässer innert eines Monats. Schweizweit verloren in diesem Jahr bisher 19 Menschen ihr Leben im Wasser – 14 Männer, drei Frauen und zwei Kinder.

Auffällig ist, dass 80 Prozent der Unfälle Männern passieren. Sind Frauen also die besseren Schwimmer? Prisca Wolfensberger, SLRG-Mediensprecherin sagt: «Nicht unbedingt, aber sie sind vorsichtiger. Vor allem junge Männer im Alter von 15 bis 24 Jahren sind viel risiko- und entdeckungsfreudiger, manchmal auch übermütig, oder sie überschätzen ihre Schwimmfähigkeiten und Kräfte.»

Auch Alkohol spiele immer wieder eine Rolle bei Unfällen, sagt die SLRG-Mediensprecherin. «Wer alkoholisiert ins Wasser steigt, setzt sich immer einem erhöhten Unfallrisiko aus.» Die meisten Badeunfälle sind vermeidbar, wenn man sich an die sechs Baderegeln der SLRG hält.

Zentralschweiz: Die meisten Unfälle in Hallenbädern

Wer in einem See verunglückt, hat oft die Distanz der Schwimmstrecke falsch eingeschätzt und ist zu weit rausgeschwommen, so dass die Kraft nicht mehr ausreicht, ans Ufer zurückzukommen. Zudem ist die Rettung in den tiefen und trüben Gewässern viel schwieriger als in einem klaren Schwimmbecken.

Ausgerechnet die Zentralschweiz fällt diesbezüglich aus dem Rahmen: Gemäss der SLRG-Studie passieren die häufigsten Unfälle hier nicht in offenen Gewässern, sondern in Hallenbädern. Daniel Menna, Mediensprecher der Beratungsstelle für Unfallverhütung (bfu) findet den Grund im Kanton Schwyz: «Mit dem Alpamare in Pfäffikon sowie dem Swiss Holiday Park in Morschach bietet der Kanton Schwyz zwei hochfrequentierte Erlebnisbäder mit überregionaler Bedeutung. Diese Statistik betrifft folglich weniger die Zentralschweizer, als die Schweizer allgemein sowie Touristen.» Zudem seien dies eher Unfälle ausserhalb des Wasserbeckens, so Menna. Vor allem durch Stürze verursachte Brüche, Verstauchungen oder Kopfverletzungen sind häufig. Ertrinkungsunfälle sind die Ausnahme.

Kinder ertrinken lautlos

Und dennoch kommt es auch in Hallenbädern immer wieder zu Zwischenfällen im Wasser. Besonders dramatisch wird es, wenn ein Kind involviert ist. So geschehen im Juni diesen Jahres im Swiss Holiday Park in Morschach, als ein vierjähriger Junge regungslos in einem Whirlpool schwamm. Auch wenn ihn die Aufsichtsperson nur kurz aus den Augen gelassen hat, zeigt dies, wie schnell etwas passieren kann. Dank sofortiger Reanimation konnte das Leben des Knaben gerettet werden.

Das lautlose Ertrinken ist eine verkannte Gefahr, sagt Johannes Mayr, Kinderarzt am Universitäts-Kinderspital Basel. «Wenn Wasser in den Rachen und den Kehlkopf eines Kindes gelangt, verschliessen sich diese reflexartig. Deshalb ist es dem Kind weder möglich zu atmen, noch zu schreien. Durch den Schock, fällt es in eine Starre und geht innert kürzester Zeit unter wie ein Stein.» Nur 20 Sekunden kann es dauern, bis ein Kind unter der Wasseroberfläche verschwunden ist, drei bis fünf Minuten bis es ertrunken ist.

Woran Eltern erst gar nicht zu denken wagen, ist dennoch immer wieder traurige Realität. Durchschnittlich ertrinken vier Kinder jährlich in Schweizer Gewässern, Swimmingpools oder Biotopen.

Schwimmflügel schützen nicht vor dem Ertrinken

Unter Aufsicht ist jedoch nicht bloss die Anwesenheit der Eltern gemeint, die aus der Entfernung sporadische Kontrollblicke zu ihren Schützlingen werfen. Viele Eltern denken, dass ihr Kind mit Schwimmflügeln vor den Gefahren des Wassers geschützt ist. Ein Trugschluss, wie Jürg Hammer, ebenfalls Kinderarzt am Basler Uni-Kinderspital warnt: «Schwimmflügel sind nur Schwimmhilfen, die aber nicht vor dem Ertrinken schützen. Wenn ein Kind mit dem Gesicht nur fünf Zentimeter unter Wasser liegt, ist es schon gefährlich.»

Der Einsatz von Schwimmflügel macht vor allem dann Sinn, wenn ein Erwachsener auf mehrere Kinder in Wassernähe aufzupassen hat und nicht alle gleichzeitig im Auge behalten kann, sagt Prisca Wolfensberger. «Falls ein Kind ins Wasser fallen sollte, verhindern die Flügel sofortiges Untergehen.» Am Wasser sind die Schwimmhilfen an den Armen also sinnvoll, im Wasser selbst jedoch nur bedingt. Vollständige Sicherheit geben sie nicht. «Für das Erlernen des Schwimmens sind Schwimmflügel – besonders für Kleinkinder – eher hinderlich», so Wolfensberger, «das Kennenlernen des Elements Wasser ist durch den Auftrieb der Flügel unnatürlich und gibt dem Kind ein falsches Erlebnis von Wasser.» Besser sei die direkte Begleitung eines Erwachsenen, mit dem das Kind das Wasser authentisch erfahren kann.

Obligatorische Umzäunung von Pools und Biotopen gefordert

Nebst der besseren Aufsicht und Aufmerksamkeit durch Erwachsene, fordern die SLRG wie auch die Kinderärzte Mayr und Hammer ein Gesetz, das die Sicherung von privaten Swimmingpools, Schwimmteichen und Biotopen zur Pflicht macht. Konkret würde das bedeuten, dass die privaten Gewässer eingezäunt werden müssten. «Es geht dabei vor allem um Pool- und Teichbesitzer, die keine Kinder haben und nicht daran denken, dass ihr Gewässer für andere eine Gefahrenquelle sein kann», sagt SLRG-Sprecherin Prisca Wolfensberger. «Die Sicherung würde helfen, dass beispielsweise Nachbarskinder nicht unbemerkt ins Wasser fallen können.»

Einen wichtigen Schritt habe die Politik mit dem als obligatorisch vorgesehenen Schwimmunterricht im Lehrplan 21 bereits gemacht. Das Ziel dabei soll sein, dass Kinder am Ende der Primarschule 50 Meter schwimmen können, nach der Sekundarstufe 100 Meter. «Die SLRG ist sehr erfreut darüber und ist überzeugt, dass viele Badeunfälle dadurch vermieden werden», so Wolfensberger.

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Marie-Françoise Arouet
    Marie-Françoise Arouet, 17.07.2013, 20:01 Uhr

    Geil, echt jetzt. Notwendige Alternativinformation vom Feinsten. Dagegen ist der Lagerdraht des Käseblattes stilistischer Müll und inhaltlicher Dünnpfiff.
    Weiter so, Zentral+! Der Ertrinkungstod droht so bereits im Juli, nicht erst im August.

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