Ein Orden regelt seinen Nachlass

Was geschieht mit den Sozialwohnungen, wenn die Barmherzigen Brüder verschwinden?

Sie machen, was sie noch können: Der jüngste Barmherzige Bruder Timotheus Sonnenschein (rechts) und der Geschäftsleiter des Ordens, Hans Küng. (Bild: fam)

150 Jahre lang haben die Barmherzigen Brüder in der Schweiz Kranke gepflegt und Pflegeheime geführt. Jetzt gibt es fast keine Brüder mehr. Die letzten sechs leben im Steinhof in Luzern. Und wenn die Brüder in Zukunft verschwinden, dann hinterlassen sie einiges: Herzblut, viel Arbeit, aber auch viel Land, unter anderem ganze Überbauungen mit sozialen Wohnungen in Oberwil. Wie sieht deren Zukunft aus? Der jüngste Bruder, Timotheus Sonnenschein, hat noch einige Pläne.

Bruder Timotheus Sonnenschein kommt mit rotem Kopf ins Zimmer: Die Sommerhitze hat auch ihn in seiner schwarzen Soutane erwischt. Zum Glück ist der Orden der barmherzigen Brüder nicht asketisch ausgerichtet – der Kühlschrank im Schloss Steinhof hält Kirschen-Eis bereit. Timotheus ist der jüngste der letzten barmherzigen Brüder von Maria Hilf, mit ihm leben noch fünf weitere im barocken Schloss Steinhof.

«Dass wir überhaupt im Schloss leben, das passt ja eigentlich gar nicht», sagt er, das ging aber nicht anders: Der Steinhof ist der letzte Rückzugsort der Barmherzigen Brüder in der Schweiz, das Pflegeheim in St. Gallen wurde verkauft, die Psychiatrische Klinik Zugersee in Oberwil steht ebenfalls zum Verkauf. Die Brüder sind schlicht zu wenige geworden, um ihre Pflegeheime weiter zu unterhalten.

Was passiert mit den Sozialwohnungen, wenn die Brüder nicht mehr sind?

«Wir müssen das realistisch sehen», sagt Bruder Timotheus: «Wir machen noch, was wir können, aber die Barmherzigen Brüder wird es in einiger Zukunft in der Schweiz nicht mehr geben.» Und wenn sie gehen, dann hinterlassen sie viel: Jahrelange Pflegearbeit, viel Herzblut, aber auch viel Land. Grosse Liegenschaften in Oberwil bei Zug etwa, auf denen die Brüder Mietwohnungen im sozialen Wohnungsbau anbieten, im Fuchsloch, und bald im Neubauprojekt auf der Mülimatt-Wiese unterhalb der Klinik Zugersee. Und in diesen sozialen Wohnungen macht man sich auch Gedanken: Wie geht es weiter, wenn die Brüder nicht mehr sind?

«Machen, was wir können» bedeutet in diesem Fall, alles so einzurichten, dass die Ideen der Brüder auch weiterbestehen, wenn es sie nicht mehr gibt. «Früher hatten wir kein Geld, aber dafür die Brüder, die den Menschen mit ihrer Arbeit geholfen haben. Heute haben wir keine Brüder mehr, aber dafür Geld, mit dem wir helfen können», sagt Timotheus, «und wir wollen, dass dieses Geld auch der lokalen Bevölkerung wieder zugute kommt: Sie hat uns in den 150 Jahren immer wieder stark unterstützt.»

«Der Orden hat sich entschieden dass er den Zuger Mittelstand unterstützen will»

Wenn also die barmherzigen Brüder in Zukunft verschwinden, soll das nicht das Ende der sozialen Wohnungen in Oberwil sein, im Gegenteil. «Wir bauen ja gerade noch mehr», sagt Timotheus. Einen Teil der geplanten Überbauung im Mülimatt will der Orden zwar verkaufen, aber zu einem Preis, den sich der Zuger Mittelstand auch leisten könne. «Der Orden hat sich entschieden dass er den Mittelstand unterstützen will, der sich in Zug ja kein Eigentum mehr leisten kann», sagt Hans Küng, er ist Treuhänder und Geschäftsführer des Ordens und hat das Projekt Überbauung Mülimatt aufgegleist. «Wir werden uns noch gut überlegen müssen, wie wir überprüfen können, dass jemand tatsächlich auf vergünstigte Wohnung angewiesen ist. Aber da gibt es schon Erfahrungen. Und wir haben ein Rückkaufrecht, um Spekulation zu verhindern.»

Was der Mittelstand genau sei, darüber sei sich der Orden noch nicht ganz klar. «Wichtig ist aber für uns, dass wir der lokalen Bevölkerung etwas geben können», sagt Timotheus, und ist sich der Kontroverse bewusst: «Klar, man könnte auch sagen: In Brasilien oder Malaysia sind die Leute richtig arm, wir könnten mit dem Geld da besser helfen.» Der Orden wolle aber seine Unterstützung je nach Land, in dem er tätig sei, anpassen: «Wir wollen uns spezifisch auf das Land ausrichten, in dem wir arbeiten. Und die Bevölkerung in Zug und in Luzern hat uns immer wieder geholfen, mit Legaten oder sonst mit Unterstützung. Es ist den Brüdern ja auch nicht immer finanziell gut gegangen.» Die Renovation und der Umbau des Steinhofes in Luzern etwa hätte ohne Hilfe der Bevölkerung nicht gemeistert werden können. «Da wollen wir etwas zurückgeben.»

 «Die Aufgabe der Brüder ist erledigt»

Aber was passiert konkret mit den Mietwohnungen, wenn die Bruderschaft verschwinden sollte? «Die Bruderschaft ist als Verein aufgebaut», sagt Timotheus, «und dem Verein gehören auch die Liegenschaften. Dem Verein können auch Leute ausserhalb des Ordens angehören, und so kann er mit seinem Zweck und seiner Ausrichtung auch weiterbestehen, wenn es die Brüder in der Schweiz nicht mehr gibt.»

Mit dem Verkauf der Klinik in Oberwil gibt die Bruderschaft einen weiteren Teil ihres Ordenslebens auf, ein weiteres Stück des jahrelangen Lebensraums des Ordens bricht weg: «Viele Brüder haben ihr Leben da verschlissen, haben hart für dieses Haus gearbeitet. Das ist schon schwierig, so etwas aufzugeben. Aber wir üben uns schon länger im Loslassen», sagt Timotheus. In St. Gallen habe das gut geklappt, sagt Küng, da würde auch jetzt das Pflegeheim der Brüder in ihrem Sinne weitergeführt. «Und es ist halt die Realität. Ich glaube», sagt Timotheus, «das ist ein Stück weit auch richtig so: Als der Orden gegründet wurde, da war das eine Notwendigkeit. Es gab kein soziales Netz, das die Armen aufgefangen hat, die Pflege von armen Patienten durch uns Laienbrüder war notwendig. Heute ist das ganz anders, das übernehmen andere Gesellschaften. Insofern glaube ich, ist das auch ein Zeichen: Wenn kein Nachwuchs mehr kommt, dann ist die Aufgabe der Brüder erledigt.»

«Es wäre ja dumm, Land zu haben und nichts zu machen»

Das sei auch nicht traurig: «Die Brüder haben 150 Jahre lang auf dieser Welt einiges geleistet. Wenn das dann vorbei sein soll, dann schmälert das diese Leistung nicht.» Die Brüder sind alt geworden, haben nicht mehr die Energie, zusammen grosse Projekte zu stemmen. «Wir haben uns zum Beispiel überlegt, ein Projekt zu erarbeiten, das den sozialen Zusammenhalt in der Überbauung fördert», so Timotheus, aber das ginge nicht mehr: «Wir hätten das ja dann auch eine Zeit lang tragen müssen. Aber dafür fehlen uns schlicht die Ressourcen.»

Die älteren Brüder wollten oder könnten sich nicht mehr in solchen Projekten einbringen, sagt Timotheus. «Das ist auch ihr gutes Recht: Sie dürfen sich zurückziehen und alt werden. Aber das macht es für den Orden auch schwierig: Wir können nicht mehr alle zusammen entscheiden.» Trotzdem geht der Orden mit dem Neubau auf der Mülimatt-Wiese noch einmal an die Grenzen. Dafür allerdings hat man Profis an Bord. «Wir haben lange Erfahrung in der Zusammenarbeit mit externen Profis, das klappt gut. Und es wäre ja dumm, Land zu haben, und nichts damit zu machen. Und dumm sein darf man auch im Kloster nicht.»

 

 

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