Luzerner René Wagner kämpft um Titel «Mister Right»

Was ein Homosexueller über die gängigsten Klischees denkt

René Wagner outete sich selbst vor zehn Jahren. Nun kämpft er um den Titel «Mister Right». (Bild: ida)

Schwule lassen an den Wochenenden die Sau raus und brauchen im Bad länger als Frauen: Solche Klischees sind auch im 21. Jahrhundert noch weitverbreitet. Doch was ist dran? Wir haben René Wagner gefragt. Der Luzerner kämpft derzeit um den Titel «Mister Right».

Das Gesicht von René Wagner wird von einem blond-rot leuchtenden Schnauz geziert. Den hat er sich extra wachsen lassen. Jeden November, seit fünf Jahren. Dabei trägt er doch sonst einen Bart. «Ich mag den Schnauz eigentlich auch gar nicht so an mir», sagt er. Und lacht dabei. «Aber ich werde häufig auf ihn darauf angesprochen.»

Erklärung: Im Text folgen fünf Klischees über Homosexuelle, bei denen du dein Empfinden abgeben kannst. Wenn du dich entschieden hast, siehst du, was René Wagner zu diesem Klischee sagt.

Denn wird René Wagner auf seinen markanten Schnauz angesprochen, hat er sein Ziel erreicht. Im sogenannten «Movember» rasieren sich Männer am 1. November glatt – und lassen sich bis zum Ende des Monats einen Schnauz wachsen. Werden sie darauf angesprochen, sprechen sie die Kampagne an, sprechen über Hoden- und Prostatakrebs. Und sie reden darüber, wie wichtig es sei, sich regelmässig beim Urologen untersuchen zu lassen. Denn die meisten Hodenkrebs-Diagnosen werden im Alter zwischen 20 und 40 Jahren gestellt (zentralplus berichtete).

Der 30-Jährige kämpft derzeit als Kandidat beim «Swiss Men's Award» um den Titel «Mister Right». Bei diesem geht es nicht mehr nur um Schönheit, sondern um das Gesamtpaket mit Charakter und Persönlichkeit. Kommenden März findet das Finale statt. Diese Bühne will René Wagner nutzen, um sich für die Akzeptanz der gleichgeschlechtlichen Liebe einzusetzen.

Vor zehn Jahren geoutet

René Wagner ist selber homosexuell. Vor über zehn Jahren hat er sich geoutet. «Ich hatte Mühe mit dem Outing, hatte Angst vor den Reaktionen.» Seiner besten Freundin habe er sich zuerst anvertraut. Um es dann Schritt für Schritt seinen Eltern, Grosseltern und dem Kollegenkreis zu sagen.

René Wagner hatte noch mehr Respekt vor seinem Outing, weil er im Nicht-einmal-3'000-Seelen-Dorf Grosswangen aufwuchs. Dazu ermutigt hat ihn schliesslich ein Onkel, der selbst homosexuell sei.

Hier gibt's Treffpunkte für Homosexuelle in Luzern

Manchmal tut es gut, sich in einem sicheren Raum unter Gleichgesinnten zu treffen. In Luzern gibt es für Jugendliche beispielsweise die Milchbar – ein Treffpunkt für homo- und bisexuelle Jugendliche, Transgender und «für alle dazwischen und ausserhalb» (zentralplus berichtete). Treffpunkt ist im Treibhaus. An jedem zweiten Mittwoch ab 19 Uhr. Das nächste Mal am 4. Dezember.

Im Neubad gibt es jeden Dienstag ab 20 Uhr einen Treffpunkt für Queers und Freunde – das Queerbad. Wer gerne feiert und dabei Gleichgesinnte kennenlernt, ist gut an der Frigay im El Cartel aufgehoben.

«Ich sah, wie meine Eltern ihn akzeptieren. Und dachte, dass sie auch mich akzeptieren werden, so wie ich bin und wie ich liebe. So war es auch.» Und das habe ihm Mut gemacht und Bestätigung gegeben. Auch helfe es, unter «Gleichgesinnten» zu sein, sich auszutauschen. Gerade, wenn man noch ein «Neuankömmling» sei und sich noch nicht geoutet habe (siehe Box).

Im Kollegenkreis fielen primitive Aussagen

Anders haben einige aus seinem Kollegenkreis reagiert. «Teilweise reagierten sie völlig abstossend, primitive Worte sind gefallen.» Oder Aussagen, dass er ja auf jeden Mann stehen würde – auch auf sie. Und auch das sei ein böses Vorurteil.

René Wagner habe sich zurückgezogen, aus Kollegen wurden ehemalige Kollegen. Zweifel kamen auf, ob er das Richtige getan habe. Er zog in die Stadt – wo er auf mehr Akzeptanz stiess. «Dennoch versuchte ich zu Beginn, auf Abstand mit den Leuten zu gehen und mich weiterhin zurückzuziehen.»

Wenn René Wagner spricht, spürt man, wie ihn die Aussagen damals getroffen haben. Und wie er nun daran gewachsen ist: «Heute denke ich: ‹Nehmt mich wie ich bin.› Und wenn jemand ein Problem mit meiner sexuellen Orientierung hat, können wir uns wie Erwachsene aus dem Weg gehen. Ich mache niemandem etwas, und diejenigen mir hoffentlich auch nicht.»

Jüngere und Ältere verstehen es am ehesten nicht

Doch auch heute spüre er manchmal ablehnende Blicke auf sich. Am ehesten von Älteren. Oder im Ausgang von ganz jungen Menschen.

«Bei den älteren Generationen kann ich es eher nachvollziehen, wenn sie Homosexualität verpönen – weil sie damit nicht aufgewachsen sind, es weniger kennen», sagt René Wagner. «Dass man als Homosexueller von Jungen belächelt oder gar beschimpft wird, erstaunt mich aber recht.»

Aber es gebe auch die schönen Momente. Beispielsweise, als René Wagner letztens mit ein paar Kollegen eins trinken ging. Weil eine ältere Dame ganz alleine an einem Tisch sass, seien sie mit ihr ins Gespräch gekommen. Die Dame meinte zu René Wagner: «Gäll, du bisch schwul. Weisch, ich han äbe chli es Aug för das.» Daraufhin habe sie ihm gesagt, wie toll dass sie das fände, dass es das gibt – und dass man das auch zeigen könne.

Bereut hat René Wagner sein Coming-out nicht. Auch wenn es zu Beginn schwer gewesen sei. Aber er sagt: «Man macht sich innerlich kaputt, wenn man die Wahrheit nicht sagen kann. Und nicht so leben kann, wie man gerne möchte, wenn man im Versteckten einen Partner lieben muss.» 

Mensch ist Mensch – mit anderen Rechten?

Noch immer dürfen sich Homosexuelle in der Schweiz nicht trauen lassen. Lange stritten auch die Reformierten über die Ehe für alle. Nachdem sich die reformierte Kirche nun kürzlich zu einem Ja bekannte, ist nun klar, dass auch sie lesbische und schwule Paare trauen wollen. Doch die Gegenstimmen bleiben nicht aus.

René Wagner bedauert das. Seine Augen leuchten, wenn er von seinem Neffen und seiner Nichte erzählt. Wie er Kinder liebt – und gerne einmal eigene hätte. Und heiraten möchte. «Wir sind genau gleichviel Mensch, gehen zur Arbeit, zahlen unsere Steuern.» Weshalb haben Homosexuelle nicht auch die gleichen Rechte und Pflichten, wenn es ums Heiraten oder Kinder-Kriegen geht? Wieso wird zwischen hetero- und homosexuellen Paaren unterschieden? Und weswegen wurden überhaupt für die einen andere Rechte geschaffen als für die anderen? René Wagner stellt sich viele Fragen.

Er ist überzeugt, dass es für ein Kind ganz normal sei, wenn es mit zwei Vätern oder Müttern aufwachse. «Auch in der Schule sollte mehr thematisiert werden, dass es Homosexualität gibt und dass das ganz normal ist. Bei mir war damals nur die Rede von Bienchen und Blümchen und Mann und Frau.»

Der Wunsch vom Kinder-Haben

Dass er das (noch) nicht darf, gebe ihm das Gefühl, ausgeschlossen zu sein. «Die Leute sollen ein Gefühl dafür bekommen, dass da noch ‹Andere› sind», sagt René Wagner. «Und so ‹anders› sind wir Homosexuellen ja auch nicht», meint er und lacht.

Wichtig sei es auch, Klischees zu brechen. Viele seien totaler Humbug – an anderen sei vielleicht etwas Wahres dran. «Und selbst wenn?», fragt sich René Wagner.

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