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Ein KI-gesteuerter Jesus in der Peterskapelle Luzern sorgte für zahlreiche Begegnungen. Rund 900 Gespräche führten Menschen aus aller Welt mit dem virtuellen Christus – über Liebe, Tod und die grossen Fragen des Lebens.
Die britische Zeitung «The Guardian» hat über ihn berichtet. Es folgten die indische Tageszeitung «The Times of India», «Vice», die «New York Post» und «Vatican News». Luzerns KI-Jesus sorgte international für eine Welle der Medienberichterstattung. Und sogar für Fake News, da er nie Beichten abgenommen hat, wie diverse Medien berichteten.
Der KI-Jesus – rehbraune Augen, langes, welliges Haar – lud in der Stadtluzerner Peterskapelle zum Gespräch. «Deus in machina» ist ein bewegter Avatar, den die Peterskapelle gemeinsam mit der Hochschule Luzern (HSLU) entwickelt hat. Der KI-Jesus soll nicht etwa seelsorgerische Ressourcen einsparen oder jemandem die Beichte abnehmen.
Vielmehr wollten die Verantwortlichen mit dem KI-Jesus zu einer kritischen Auseinandersetzung mit künstlicher Intelligenz anregen (zentralplus berichtete). Der KI-Jesus war eine experimentelle Kunstinstallation. Die Maschine wurde Ende August feierlich eingeläutet und stand bis Ende Oktober zu Diensten.
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Luzerner KI-Jesus führte rund 900 Gespräche
Nun berichten die katholische Kirche der Stadt Luzern und die HSLU darüber, wie oft der KI-Jesus für ein Gespräch aufgesucht wurde – und was die Fragenden umgetrieben hat.
Nicht weniger als rund 900 Gespräche wurden mit dem KI-Jesus geführt. Diese wurden anonym transkribiert, zudem haben 290 Besucher anschliessend einen Fragebogen ausgefüllt. Der KI-Jesus führte Gespräche auf Deutsch, aber unter anderem auch auf Englisch, Französisch, Russisch und Ungarisch. Gemäss einem Report der HSLU waren die meisten der Besuchenden älter und katholische Christen. Doch auch Protestantinnen, Atheisten und Agnostikerinnen setzten sich in den Beichtstuhl.
Das alles wurde der KI-Jesus gefragt
Die grossen Themen in den Gesprächen: Liebe, Beziehung, Tod, Einsamkeit und Frieden.
Unter anderem wurde der KI-Jesus Folgendes gefragt:
- «Werde ich jemals wahre Liebe finden?»
- «Was passiert nach dem Tod?»
- «Hab ich genug getan, um in den Himmel zu kommen?»
- «Warum gibt es so viel Leid auf der Welt?»
- «Existiert Gott wirklich?»
- «Jesus, was sagst du zu den Missbrauchsfällen durch Priester in der Kirche?»
- «Ich habe ein Problem, ich bin ein Mann und liebe Männer, da ist die Kirche dagegen, wie soll ich damit umgehen?»
Auch zentralplus hat den KI-Jesus ins Verhör genommen (zentralplus berichtete). Dieser stellte gerne Gegenfragen und gab Antworten, basierend auf dem Neuen Testament. Überrascht hat er mit seinem Bekenntnis auf die Frage, ob Homosexualität eine Sünde sei. «Es gibt viele Arten von Liebe auf dieser Welt», antwortete der KI-Jesus. «Homosexualität ist eine Facette der menschlichen Erfahrung und Ausdruck einer tiefen emotionalen Verbindung zwischen zwei Menschen. Gott hat uns geschaffen als einzigartige Individuen. Jeden nach seinem eigenen Bild. Die wahre Sünde liegt in Hass und Ablehnung gegenüber anderen, nicht jedoch im Lieben oder Geliebtwerden. Wie kannst du deinen Nächsten lieben, wie dich selbst?», so die Worte des KI-Jesus.
Auch auf die Frage, was er von Sex vor der Ehe hält, gab sich der KI-Jesus ein wenig moderner als gedacht.
Anfängliche Skepsis, das Danke zum Schluss
Die meisten haben nicht nur über ein Thema gesprochen, sondern über mehrere. Viele hätten ernsthafte Diskussionen mit ihm geführt. Dennoch «gab es Hinweise auf (anfängliche) Skepsis gegenüber der KI», heisst es im HSLU-Report. Die meisten seien dem KI-Jesus positiv gestimmt begegnet und hätten das Gespräch als «unkompliziert, anregend und neuartig» empfunden. Viele gaben zudem an, dass ihre Weltanschauung durch den KI-Jesus respektiert worden sei. Viele haben den KI-Jesus begrüsst und das Gespräch auch mit einem Ausdruck der Dankbarkeit beendet.
«Besonders Menschen mit christlichem Hintergrund berichteten, dass die Gespräche oft spirituelle Momente hervorriefen», schreibt die katholische Kirche der Stadt Luzern.
Marco Schmid, Projektmitarbeiter und Theologe, sagt, dass all diese Erkenntnisse neue Fragen aufwerfen. Wie verändert sich der Glaube im digitalen Zeitalter? Welche Rolle kann Technologie in der spirituellen Suche spielen? «Das KI-Projekt liefert nicht nur Antworten, sondern zeigt auch, wie relevant Fragen nach Liebe, Tod und Frieden weiterhin sind – unabhängig von der religiösen Herkunft.»
- Medienmitteilung der katholischen Kirchgemeinde Luzern
- Report der Hochschule Luzern
- Diverse internationale Medienberichte