Kampf um Villen am Seeufer

Warum zaudert die Zuger Staatsanwaltschaft im Ägerer Erbstreit?

Oberägeri: Um drei Seegrundstücke und zwei Villen wird seit Jahren gestritten. (Bild: Andreas Busslinger)

In Oberägeri tobt seit Jahren ein wüster Erbstreit um zwei Villen am See. Zivilrechtlich neigt er sich seinem Ende zu, aber strafrechtlich passiert seit Jahren nichts. Hat man bei der Zuger Staatsanwaltschaft Angst, dem Gesetz Nachachtung zu verschaffen?

Das Zuger Kantonsgericht publizierte Ende Mai 2021 den jüngsten Entscheid zum Oberägerer Erbstreit: Der Käufer der beiden umstrittenen Villen am Seeufer in Oberägeri muss die Unterlagen über den Kauf herausrücken. Zuvor war nach einem Bericht der Zeitungen von «CH Media» eine Strafklage gegen die amtliche Notarin der Gemeinde Oberägeri eingereicht worden, welche die Handänderung zu beurkunden gehabt hätte. Sie war in den Ausstand getreten und hatte das Geschäft an Unterägeri abgegeben, obwohl es in Oberägeri eine amtliche Stellvertretung gibt.

Die Villen, die auf drei Grundstücken stehen, waren an eine bekannte Persönlichkeit im Ägerital verkauft worden – weit unter Wert. Wie zentralplus vor zwei Jahren berichtete, wechselten sie für 16 Millionen Franken den Besitzer. Geschätzt wurden sie – unter anderem von der Immobilienberatungsfirma Wüest Partner auf 24,5 bis 27 Millionen Franken.

Willensvollstrecker wechselt die Seiten

Die drei Grundstücke gehörten einem Oberägerer, der sein Erspartes in seine Firmengruppe gepackt hatte – darunter auch die Immobilien. Seine Kinder konnten sich über das Erbe nicht einig werden. Der Sohn wollte es versilbern, die Tochter die Grundstücke zugunsten künftiger Generationen behalten. Beide hatten 45 Prozent der Anteile an einer Holding, zu der auch noch zwei andere Firmen gehörten.

Zehn Prozent der Aktien gehörten der noch minderjährigen Enkelin des Erblassers – der Tochter der Tochter. Als Willensvollstrecker war ein Zuger Notar und Anwalt eingesetzt, der auch das Aktienpaket der Enkelin verwaltete. Aus unerklärlichen Gründen kippte dieser Anwalt in der Auseinandersetzung. Mithilfe der Aktien der Enkelin, die von ihm verwaltet wurden, gelang es in der Folge dem Sohn, die Tochter aus der Holding zu verdrängen und den Verkauf der Seegrundstücke durchzusetzen. Der Bruder triumphierte also vorerst über seine Schwester.

Was geht in Oberägeri vor?

Der Fall hat schon Heerscharen von Anwälten beschäftigt – im Zürcher Seefeldquartier ebenso wie in andern Schweizer Städten. Im Verlauf der letzten beiden Jahre hat es die Schwester geschafft, die Holding wieder unter ihre Kontrolle zu bringen – mithilfe der Aktien ihrer Tochter, die einen Beistand hat. Doch natürlich hätte sie gerne die Seegrundstücke zurück, die nun aber jemand anderem gehören. Die Aktion vor dem Zuger Kantonsgericht und die Strafanzeige gegen die Oberägerer Notarin zielen auf die Rückabwicklung des Geschäfts.

Für die Öffentlichkeit stellt sich die Frage, ob die staatlichen Einrichtungen, die in den Streit verwickelt sind, richtig funktionieren. Zum einen die Gemeinde Oberägeri: Warum vergibt die amtlich bestellte Notarin die Handänderung in die Nachbargemeinde an eine Aushilfsperson, die mutmasslich keine Ahnung von den Begleitumständen des Geschäfts hat?

Verweis auf Schweigepflicht

Manuela Käch, Kommunikationsverantwortliche der Gemeinde Oberägeri, übermittelt auf Anfrage folgende Anwort: «Unsere Urkundspersonen sind gemäss Zuger Beurkundungsgesetz verpflichtet, über die von ihnen vorgenommenen öffentlichen Beurkundungen Stillschweigen zu bewahren.» zentralplus beziehe sich auf eine öffentliche Beurkundung. «Aufgrund der notariellen Schweigepflicht können wir zu Ihrer Anfrage keine Stellung nehmen.»

Eine äusserst fragwürdige Rolle spielt zudem die Zuger Staatsanwaltschaft. Die Fortschritte im Erbschaftsstreit erfolgen auf zivilrechtlichem Weg. Straftatbestände müssten aber von den Untersuchungsbehörden ermittelt werden. Solche werden von der Partei der Schwester vermutet. Der Bruder und der Anwalt hätten in der Zeit, als sie die Holding kontrollierten, nicht nur die Seegrundstücke zu billig verscherbelt, sondern auch weitere vermögensmindernde Aktivitäten unternommen, lautet der Vorwurf.

Zwei Jahre lang inaktiv

Daher müssten die zuständigen Personen der Staatsanwaltschaft wichtige Zeugen einvernehmen. Zum Beispiel einen Oberägerer Architekten, dem angeblich vom Bruder angeboten worden war, die Grundstücke zu kaufen und anschliessend mit Gewinn an ihn zurückzuverkaufen. Das hat die Ermittlerin vor zwei Jahren nicht gemacht und dagegen sträubt sie sich gemäss dem Bericht von «CH Media» immer noch. Um andere Zeugen kümmerte sie sich erst, als das Zuger Obergericht sie rüffelte.

Erinnerungen an den Fall des kriminellen Zuger Stadtrats Ivo Romer werden wach, bei dessen Fall die Staatsanwaltschaft ebenfalls lange Zeit benötigte, um in die Gänge zu kommen. Romer sitzt seine Haftstrafe derzeit im Kanton Zug ab, weil sich die Staatsanwaltschaft dazu durchringen konnte, ihre Aufgabe wahrzunehmen.

Bruder ist abgetaucht

Beim Oberägerer Erbstreit aber bleibt sie zaghaft. Gewährsleute, die den Fall kennen, munkeln, die Staatsanwaltschaft getraue sich nicht, aktiv zu werden, weil sie den neuen Besitzer der Grundstücke nicht einvernehmen wolle. Er ist ein sehr guter Steuerzahler und müsste wohl auch hinsichtlich möglicher Kickback-Zahlungen an den Bruder befragt werden.

Der früher im Zuger Ennetsee wohnhafte Bruder fällt übrigens als Auskunftsperson aus. Er ist «unbekannten Aufenthalts», wie amtlich festgestellt wurde. Gewährleute sagen, er habe sich zum Segeln auf die hohe See abgemeldet.

Eine Anfrage von zentralplus an die Zuger Strafuntersuchungsbehörden zum Stand der Ermittlungen und zur Vorgehensweise ist derzeit noch unbeantwortet.

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Blatter Sven
    Blatter Sven, 07.06.2021, 13:08 Uhr

    Der Zuger Sumpf wie er leibt und lebt. Rechtsstreitereien mit Anwälten, die Lunte riechen und unmoralisch tricksen. Strafanzeigen, die nicht bearbeitet werden. Und am Schluss ist das Seeufer weiterhin privatisiert dank reichen Grundstückbesitzern, die sich das Gesetz kaufen. Die Zuger Kirsche auf dem Coup-Fou.

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