Lärm in Luzern: Altstadtbewohner wird es zu viel

Warum das Handyklingeln das Fass zum Überlaufen brachte

Rolf Buholzer stört sich wegen des Lärms in der Luzerner Altstadt.

(Bild: les)

Mucksmäuschenstill ist es nicht, das Leben in der Stadt Luzern. Doch es gibt eine Schmerzgrenze. Für Bewohner Rolf Buholzer ist diese definitiv erreicht. Und das nicht nur wegen des kürzlich abgebrochenen Kunstprojekts bei der Peterskapelle. Er ist nicht der Einzige, der unter Lärm leidet.

Das Handyklingeln aus dem Turm der Luzerner Peterskapelle ist Geschichte. Ein Kunstprojekt der jungen Luzerner Kunststudentinnen Klarissa Flückiger und Mahtola Wittmer musste vorzeitig beendet werden, weil sich Anwohner beklagt hatten. Zu stark störte sie das Klingeln aus dem Kirchenturm (zentralplus berichtete).

«Als Anwohner war das Handyklingeln sehr mühsam», sagt zentralplus-Leser Rolf Buholzer (49). «Hört man diese Töne, wird man automatisch aus seiner gewohnten Atmosphäre gerissen und abgelenkt», erklärt er die unerwünschte Störung. «Ob man will oder nicht, das ist, wie wenn jemand im Zug telefoniert.» Er zeigt aber Verständnis, dass dies geradezu die Absicht der Aktion war. «Aber zehn Mal am Tag war eindeutig zu viel.»

«Das Handyklingeln ist nicht sehr dramatisch, aber symptomatisch.»

Rolf Buholzer

Gegen das Glockengeläut an sich hat er nichts. «Dieses geht genauso unter wie die Geräusche der Strasse. Man blendet es mit der Zeit aus – im besten Fall gibt es einem ein wenig zeitliche Orientierung.»

Negative Auswirkungen auf Arbeit

Rolf Buholzer leidet unter den vielen Lärmemissionen im Alltag. «Das Handyklingeln ist nicht sehr dramatisch, aber symptomatisch», erklärt er. Als Altstadtbewohner belaste ihn aktuell der Abriss des C&A-Gebäudes noch mehr. «Ich merke, wie mich der Lärm nervlich mitnimmt.» Denn nicht nur an seinem Wohnort in der Kapellgasse, auch an seinem Arbeitsort an der Bleicherstrasse wird aktuell stark gebaut. Software-Entwickler Buholzer fällt es manchmal schwer, sich auf seine Arbeit zu konzentrieren. «Dass dies negative Auswirkungen auf meine Leistung hat, ist offensichtlich.»

«Es zeigte sich, dass eine Reduktion der Aktionsdauer unumgänglich wurde.»

Stefan Geisseler, Stadtraum und Veranstaltungen

So wie Buholzer geht es vielen. «Bei unserer Dienstabteilung gingen täglich mehrere Rückmeldungen zum Vorhaben ein», sagt Stefan Geisseler, stellvertretender Leiter der Bewilligungsbehörde Stadtraum und Veranstaltungen, über das Handyklingel-Projekt. «Dabei meldeten sich vornehmlich Personen, welche in der Altstadt wohnen oder arbeiten.»

Das Klingeln war eine von sechs Aktionen rund um die Peterskapelle. «Bei der Beurteilung des Gesuches wurden mit der Gesuchstellerin mögliche Friktionen thematisiert, und es wurden Bedingungen in der Bewilligung auferlegt», sagt Geisseler. Unter anderem sei definiert worden, dass das Projekt anzupassen oder im schlimmsten Fall gar einzustellen sei. Grössere Probleme tauchten tatsächlich kurz nach dem Start auf. «Es zeigte sich, dass eine Reduktion der Aktionsdauer unumgänglich wurde», so Geisseler.

Lärm kostet Milliarden

«Das Beispiel mit dem Handyklingelton ist ein Spezialfall», erklärt Lärmexperte Mark Brink vom Bundesamt für Umwelt. «Es gibt Leute, die sich von solchen Geräuschen gestört fühlen.» Impulsartige Lärmereignisse würden ungewollt die Aufmerksamkeit auf sich ziehen und das könne sehr störend sein. «Aber weil es sich nur um ein kurzfristiges Projekt handelt, gehe ich nicht davon aus, dass daraus gesundheitliche Probleme resultieren», sagt Brink.

Unbestritten sei hingegen, welche drastischen Auswirkungen der allgegenwärtige Lärm auf die Gesellschaft habe. «Es gibt mittlerweile viele epidemiologische Studien, welche Zusammenhänge zwischen Lärm und Erkrankungsfällen oder Herzinfarkten nachweisen», so der Wissenschaftler. Man rechne etwa beim Lärm durch den Strassenverkehr mit externen Kosten von insgesamt 2,6 Milliarden Franken pro Jahr in der Schweiz. Rund 1,4 Milliarden Franken davon seien Gesundheitskosten. Berücksichtigt man auch die Luftverschmutzung, ergeben sich noch eindrücklichere Zahlen. So waren diese beiden Faktoren im Jahr 2015 für 26’200 Spitaltage verantwortlich und ursächlich für 16’700 verlorene Lebensjahre.

Während der Klingelton-Aktion waren Klarissa Flückiger (rechts) und Mahtola Wittmer sehr gefragt.

Während der Klingelton-Aktion waren Klarissa Flückiger (rechts) und Mahtola Wittmer sehr gefragt.

(Bild: Urban Schwegler)

Dass Lärm tatsächlich krank macht, ist auch für Samuel Büchli klar. Er ist für die IG Stiller aktiv, welche sich als Vorkämpferin gegen Kirchenglocken einen Namen machte. «Wir stehen einer Beschallung des öffentlichen Raumes kritisch gegenüber», sagt Büchi. Trotzdem sei die IG offen für akustische Kunstaktionen. «Wichtig ist einfach die Dauer. Wenn Künstler den Anwohnern das längerfristig zumuten wollen, so fehlt das Mitgefühl für lärmsensible Mitbewohner.» Büchi wird ganz deutlich: «Für uns kann das zur Folter werden.»

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