Das grosse Luzerner Fasnachts-ABC

Von Chneublätz bis Usgüüglete: Durchgedreht und aus dem Häuschen

Der Chneublätz hat jetzt wieder Saison. (Bild: zvg)

Am SchmuDo ist die Fasnacht ausgebrochen. Tausende Huerenaffe tanzten noch vor Sonnenaufgang im Fötzeliregen und genossen dazu Haub-Haub bis sie kaum mehr aus dem Grind sahen. Nichts verstanden? Dann unbedingt weiterlesen.

Der reiche Wortschatz der Luzerner Fasnacht ist Grundlage für eine gepflegte Konversation über das altehrwürdige Brauchtum und die regionale Geschichte. Deshalb hat zentralplus mit Unterstützung der Vereinigung Luzerner Maskenfreunde ein Fasnachts-ABC zusammengetragen. Rüüdig guet!

A wie Aschermittwoch: Wir beginnen mit dem moralischen Kater nach dem tollen Treiben. Nach sechs Tagen Fasnacht streuten sich die Büsser in der Kirche zur Vergebung ein Aschenkreuz aufs Haupt. Denn, obwohl die katholische Kirche das sündige Fasnachtstreiben nicht billigte, hat sie es nie unter Strafe gestellt.

B wie Bruder Fritschi. Er kündigt am Schmutzigen Donnerstag (siehe auch S) die Fasnacht an. Die eigentliche Krämer- und Handwerker Zunft «Zunft zu Safran», früher auch Gesellschaft zum Fritschi genannt, hat sich der Pflege dieses Brauchtums verschrieben. Fritschene, Kindsmagd, Pajazzo, Narr und Bauern – die Fritschifamilie ist im Laufe der Zeit gewachsen. Das wichtige Oberhaupt in diesem Bunde ist der Fritschivater, der Zunftmeister. Er wird anlässlich des sogenannten Bots gewählt und steht während einer Fasnacht der ganzen Zunft vor.

C wie Chneublätz, besser bekannt unter dem Namen Fasnachtschüechli, ist das süchtigmachende Gebäck während der rüüdigen Zeit. Das papierdünne, zartknusprige mit Puderzucker bestäubte Fettgebäck ist mindestens so lecker wie ungesund. Chneublätz bezieht sich auf das Knie, über das der dünne Teig dünn gezogen wird.

F wie Fasnacht. Das Wort kommt vom Althochdeutschen fasta (Fastenzeit) und naht (Nacht, Vorabend) und bezeichnete ursprünglich nur den Tag vor Beginn der Fastenzeit, ab dem 15. Jahrhundert auch die Woche davor. Zu den wesentlichen Ritualelementen gehörten opulente Mähler, gegenseitige Besuchsgänge, Strafaktionen und Wettkämpfe. Vieles war auf die Verkehrung geltender Normen, Ordnungen und Hierarchien angelegt. Sprachhistorisch gesehen liegt die Herkunft von «Fasnacht» allerdings nicht derart auf der Hand. Die Urform des Wortes ist «fasanaht», wobei der Wortteil «fasa» wohl etwas mit der Bedeutung «reinigen», «läutern» zu tun hat. Da die Reformation die vorösterliche Fastenzeit abschaffte und somit auch die Fastnacht ihren Sinn verlor, gerieten viele Bräuche zum Teil wieder in Vergessenheit. Bis heute ist die Fasnacht insbesondere in den katholischen Gebieten verbreitet.

F2 wie Fötzeliräge oder Papierschnitzel: Der Fötzeliräge gehört zum Urknall auf dem Kapellplatz wie der Schnapps zum Kafi beim Halb-Halb.

G wie Guuggen, Guuggenmusig, darunter versteht man Blasmusik, die meist im alemannischen Raum während der Fasnacht gespielt wird. Der Begriff leitet sich vermutlich her von «Guugge», was im Alemannischen für Tüte steht. Er ist aber nicht zu verwechseln mit dem schweizerdeutschen «Guuge» für alle Arten von (Blech)blasinstrumenten. Eine «Guuggenmusig» bezeichnet somit eine Gruppe von Leuten, die zusammen musiziert, während sie einfache Masken tragen.

G2 wie «Güdis-Mäntig», der dem deutschen Rosenmontag entspricht. Güdis kommt von Güdel und bedeutet Magensack, Bauch oder Wanst; damit ist gemeint, dass man sich am Güdismontag und -dienstag nochmals den Bauch fülle, bevor ab Aschermittwoch (siehe A wie Aschermittwoch) die Fastenzeit beginnt.

G3 wie Grind steht für die Vollmasken, die unter anderem von Guuggenmusigen getragen werden.

G4 wie güügele: Stetiger Konsum von alkoholischen Getränken. Eine Betätigung, die von der Fasnacht nicht zu trennen ist.

H wie Huerenaff ist kein Schimpfwort, sondern Freundschaftsbeweis. Als Begriff ist der Huerenaff bei der Zunft zu Safran ein Ehrentitel für witzige und schalkhafte Querschläger. Seit 1988 wird zunftintern jährlich der Titel eines «loschtigen Huerenaffs» verliehen. Zur Bedeutung des Wortes: Die Verknüpfung der beiden Wortdeutungen ‹huere› und ‹Affe› bedeutet ‹übermässig verwunschene Gestalt›, erklärte Kurt Lussi, Konservator für Volkskunde, gegenüber der «Neuen Zürcher Zeitung». Zudem werde auch das hölzerne Zepter des Lozärner Fasnachtskomitee-Obersten (LFK) als Huerenaff bezeichnet. Den Huerenaff gibt’s sogar in flüssiger Form: Bestellen Sie einen Kaffee Huerenaff in der Beiz. Das Kafi-Huerenaff wird traditionsgemäss am Luzerner Fasnachtsmäärt unter der Egg ausgeschenkt. Wer es bestellt, bekommt ein starkes Kafi Luz – also hellen Kaffee mit Luzerner Obstbranntwein.

H2 wie Haub-Haub: Für zartbesaitete Genusstrinker mag dünner Kaffee mit einem kräftigen Schuss Schnaps aus halb Träsch, halb Zwetschgenwasser abschreckend wirken. Dennoch ist das Haub-Haub des Fasnächtlers erste Wahl zur Stärkung, Aufmunterung und Wärmung des geschundenen Körpers während den wildesten Tagen des Jahres.

I wie Intrigieren, so nannte man noch vor nicht allzu langer Zeit die Spiele, die während der Fasnacht die Maskenbälle und das Treiben in den Beizen dominierten (zentralplus berichtete). Maskierte Gruppen, Paare und Einzelmasken mischten sich unter die erkennbaren Gäste und spielten ihre Spielchen mit ihnen.

M wie «Monstercorso». Er bildet den letzten Akt der fünften Jahreszeit. Am Güdisdienstagabend, bei dem alle Luzerner Guuggenmusigen, welche sich im Dachverband der «Vereinigten» von Luzern zusammengeschlossen haben, einen riesigen Umzug über die Seebrücke und durch die Altstadt. Die Reihenfolge der verschiedenen Guuggenmusigen ist traditionell strukturiert, denn ältere Musigen dürfen im Ablauf weiter vorne laufen. Zuerst diejenigen, welche sich in einem Jubiläumsjahr befinden, danach ihrem Alter nach. Dabei werden keine oder nur sehr kleine Wagen mitgeführt. Grössere hätten in den engen Gassen der Luzerner Altstadt keinen Platz.

M2 wie Maskenball: Bereits 1807 fand laut dem Bundesamt für Kultur in einem Dossier zur Fasnacht in der Zentralschweiz der erste Theaterball statt. 1815 folgte die Erstausgabe des Maskenliebhaberballs im Gasthaus «Zum Weissen Rössli» (heute Coop City am Mühlenplatz) als politische wie fasnächtliche Triumphfeier nach dem Scheitern der – bei den Stadtbürgern verhassten – Mediationsverfassung. «BüTu-Ba» (Bürgerturnerball), «Tschäderi-Bumm-Ball» und «Noggeler-Ball» sind weitere Fasnachtsveranstaltungen, die zu eigentlichen Institutionen mit Ausstrahlung weit über die Stadtgrenzen hinaus wurden, ehe sie gegen Ende des 20. Jahrhunderts allesamt eingingen.  

P wie Pamir ist der unbedingt notwendige Ohrenschutz für Kleinkinder, wenn die Guuggen auf der Strasse Vollgas geben.

Friede, Freude, Fasnachtstage: Ein Hoch auf die drei rüüdigen Tage. (Bild: Emanuel Ammon/Aura)

R wie rüüdig: Rüüdig ist rüdig, und rüdig und ist räudig, und räudig kommt von Räude und hiess früher riudi. Räude sagt der Veterinär, wenn das Haustier die Krätzmilben hat, worauf dem Vierbeiner die Haare ausfallen und die Haut schorfig wird, weshalb es dann juckt und reizt, was das Tier verrückt macht, zumindest auf Zeit. Damit ist populärwissenschaftlich alles erklärt: Rüüdig ist durchgedreht, toll, aus dem Häuschen.

S wie «schmotzige Donnschtig» oder kurz SchmuDo: Schmotzig, schmutzig bedeutet in den alemannischen Dialekten «fettig, feiss», Schmotz oder Schmutz «Fett», wie dem Grimm-Wörterbuch zu entnehmen ist. In dem Brauch, dass am Donnerstag geschlachtet und gebacken wird, sind beide Wortbedeutungen enthalten. Der Donnerstag vor Aschermittwoch war der letzte Schlachttag vor der Fastenzeit und damit die letzte Gelegenheit, nochmals Fleisch zu essen.

T wie Tagwach: Wer die Rekrutenschule absolviert hat, kennt die Tagwache: Extrem früh aufstehen zum Gebrüll des Feldweibels. – Bei der Fasnacht ist sie aber ein positives Ereignis, denn mit ihr beginnt die fünfte Jahreszeit um fünf Uhr in der Früh.

U wie Urknall: Der Beginn der Luzerner Fasnacht ist der «Urknall» am Schmutzigen Donnerstag (siehe S), bei dem mehrere Pakete mit zerschnittenen Telefonbüchern hoch über den Köpfen der Anwesenden explodieren.

U2 wie Usgüüglete findet am Dienstag vor dem SchmuDo statt. Es ist der historische Marketing-Tag für die Fasnacht. An diesem Tag wurde seit jeher die Fritschi-Fasnacht verkündet, denn der Dienstag war in Luzern Markttag, und das gemeine Landvolk war in der Stadt. Ein Ausrufer, begleitet von einem Trompeter (deshalb «Güügle») und einem Tambour, warb bei den anwesenden Bauern für den kommenden Fasnachtsumzug. Heutzutage werden an der Usgüüglete die Fasnachtsplaketen vom LKF an Mann und Frau verkauft.

W wie Wey-Zunft entstand nach eigenen Angaben in der wechselvollen Zwischenkriegszeit als Reaktion auf das erlahmende Fasnachtsbrauchtum. Die Wey-Zunft Luzern wurde im Jahre 1925 gegründet und zählt zirka 120 Zünftler. Am Schmutzigen Donnerstag eben dieses Jahres zog statt des gewohnten Fastnachtsumzuges lediglich der Fritschiwagen durch die Strassen.

Z wie Zunftnarr, nicht zu verwechseln mit dem Narren, der offiziell zur Fritschifamilie gehört. Die grösste Aufgabe des Zunftnarrn ist das «Bärteli-Essen», bei dem der Zunftmeister offiziell inthronisiert wird (zentralplus berichtete). Dort darf er für allgemeine Belustigung sorgen. Am Morgen des Anlasses läuft der Zunftnarr vorneweg und kündigt «brüelend» den neuen Zunftmeister an.

Z2 wie Zunft: Die historischen Zünfte hatten im Mittelalter wichtige Aufgaben. Man musste als Gewerbler Mitglied in einer Zunft sein, um seinem Handwerk nachgehen zu können. Und die Zünfte waren damals auch die erste Art der Sozialversicherung. Man verbriefte sich mit zwei Krügen Wein oder einem Pfund Wachs. Falls also damals etwa ein Dachdecker vom Dach stürzte, kümmerte sich die Zunft anschliessend ums Geschäft und um die Familie. Die vier Fasnachts-Zünfte sind die «Zunft zu Safran», die Wey-Zunft, die «Gesellschaft Fidelitas Lucernensis» und die «Vereinigung Luzerner Maskenfreunde».

Dieser Artikel wurde in einer ersten Fassung am 21. Februar 2017 publiziert

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