Verbiegen am Zugersee mit Hansjürg Binzegger

Vom Offizier, der Yogi wurde

Bevor Hansjürg Binzegger Yogalehrer wurde, hat er als Devisenhändler gearbeitet. Der Reichtum blieb ihm verwehrt. Jedenfalls der finanzielle. (Bild: wia)

 

Wenn man den Zuger Yogalehrer Hansjürg Binzegger trifft, beschleicht einen die leise Ahnung, ihn bereits zu kennen. Und das nicht nur, weil sich sein «Yoga am See» seit über zehn Jahren in Zug etabliert hat. Vielmehr kennt man den heute 50-Jährigen aus einer abenteuerlichen Fernsehsendung.

Was man als Journalistin nicht alles in Kauf nimmt, um an ein Interview mit einem Yogalehrer heranzukommen. Um 7.30 Uhr trifft man sich bei zehn Grad und leichter Vorherbst-Stimmung im Männerbad in Zug. Wortwörtlich auf der Matte stehen insgesamt vier Frauen und Binzegger, der Yogalehrer. Sonnengruss folgt auf Sonnengruss und die Sonne steigt tatsächlich höher – ein bisschen fühlt man sich selber dafür verantwortlich. Der Schlaf wird mittels Kopfständen, Kobras und Dehnübungen aus den Gliedern vertrieben, Enten watscheln währenddessen auf den Matten herum. Um Viertel vor neun ist die Lektion vorbei, und alle sind wach und zufrieden.

14 Sommer Yoga am See

Die drei anderen Teilnehmerinnen ziehen davon. Das Interview kann beginnen. Im Schneidersitz auf dem Rasen, mit Blick auf den glatten See. Und die Wolken, die den Zugerberg leicht verdecken. «Als ich bei meiner Yogaausbildung vor fast 15 Jahren Leuten von meiner Idee erzählte, am See Yogaunterricht zu geben, fanden alle: unmöglich», erzählt Binzegger. «Das ist nun der 14. Sommer, an dem ich das mache.» Und die Strategie scheint zu funktionieren. Auch wenn manchmal, wie an diesem Morgen, nur vier Leute auftauchen. «Weil ich auch im Fitnesscenter und bei Firmen unterrichte, habe ich die Kosten gut im Griff. Ich kann mir sogar ein Auto leisten», sagt Binzegger. «Auch wenn es nur ein Smart ist.»

«Mein Ziel war es, reich zu werden.»

Geld scheint in Binzeggers Leben wenig Raum einzunehmen. Nicht mehr jedenfalls. Binzegger war früher als Devisenhändler tätig. «Damals war ich voll auf dem Geld-Trip. Mein Ziel war es, reich zu werden», gibt er unumwunden zu. «Ich war jedoch nicht sehr erfolgreich.» Irgendwann habe er genug von der Sache gehabt. Er kündigte und war daraufhin einige Jahre auf der Suche, wie er es nennt.

Die Erleuchtung ist das Ziel

Der Zufall brachte ihn zum Yoga. Ein Gutschein für eine Gratis-Lektion, an dem seine Partnerin kein Interesse hatte. «Da bin halt ich hingegangen.» So wurde das Yoga zum wichtigen Bestandteil von Binzeggers Leben. Es folgte eine Sivananda-Yogalehrerausbildung in Deutschland, 2003 machte sich Binzegger selbständig. Begann, im Migros Fitnesscenter Hatha-Yoga zu unterrichten.

«In erster Linie sind es nicht die einzelnen Übungen, die zählen. Die Pausen dazwischen sind viel wichtiger.»

«Das ist eigentlich widersprüchlich, dass man Yoga als Sport anbietet. Es geht dabei ja eigentlich vielmehr um die sieben Haupt-Chakren, also die Energiezentren im Menschen, die es zu aktivieren gilt. In erster Linie sind es nicht die einzelnen Übungen, die zählen. Die Pausen dazwischen sind viel wichtiger. Erst dann beginnt man seinen Körper und sich selber zu spüren.» Letztlich sei das Ziel beim Yoga denn auch kein geringeres als die Erleuchtung. Oder wie Binzegger es formuliert: «Es geht darum, eins zu werden mit der Welt. Das hat viel mit Energie zu tun.»

Ein Leben wie auf der Slackline

Viele Leute wunderten sich, ob ein Leben als Yogalehrer – immer im Gleichgewicht – nicht furchtbar langweilig sei. «Man muss sich das wie auf einer Slackline vorstellen. Steht man auf einer solchen, muss man immer aktiv balancieren, um nicht runterzufallen.» Zudem gäbe es auch im Leben eines Yogalehrers Spannungen. «Nur gelingt es mir vielleicht schneller als anderen, diese zu lösen.»

Yoga  wurde im letzten Jahrzehnt hochgejubelt und ist mittlerweile fixer Bestandteil in Fitnessclubs und Inbegriff von gesundem und bewusstem Leben. Binzegger zeigt sich skeptisch gegenüber dieser Entwicklung. «Man erwartet sehr viel vom Yoga. Zu viel womöglich. Ich lebe viel gesünder und zufriedener als vorher. Bin auch einiges entspannter. Dafür muss man aber auch etwas tun.»

«Im heutigen Zeitgeist sind Geld und Prestige sehr wichtig. Dem kann sich auch das Yoga nicht entziehen.»

So mache es Sinn, zwei- bis dreimal in der Woche Yoga zu praktizieren. «Der ganze Hype ums Yoga hat zudem dafür gesorgt, dass das Ganze ins Kommerzielle abgedriftet ist. Im heutigen Zeitgeist sind Geld und Prestige sehr wichtig. Dem kann sich auch das Yoga nicht entziehen.» Das zeige sich nicht zuletzt darin, dass auch im Yoga gewertet werde. «In Indien etwa gibt es mittlerweile Championships, was der Grundidee des Yoga eigentlich völlig widerspricht.»

Von solchen Dingen lässt sich Binzegger nicht beeindrucken, er macht sein eigenes Ding. Mit Erfolg. Denn Teilnehmer hat er genügend. Mittlerweile bietet «Yoga am See» unter der Woche täglich drei bis vier Klassen an, am Wochenende jeweils eine. Drei Yogalehrer teilen sich die Stunden untereinander auf.

Hansjürg Binzegger unterrichtet nun seit 13 Jahren in Zug Yoga. (Bild: wia)

Hansjürg Binzegger unterrichtet nun seit 13 Jahren in Zug Yoga. (Bild: wia)

Der Yoga-Instruktor wirkt zufrieden und entspannt. Und das, obwohl das Leben als Yogi viel Disziplin erfordert. «Ich lebe schon sehr yogisch, trinke also beispielsweise praktisch keinen Alkohol und praktiziere täglich Atemübungen, Meditation und Hatha-Yoga für mich selber. Früher war ich da militärisch strikt, mittlerweile bin ich jedoch lockerer geworden. Ich glaube, jeder muss selber realisieren, welcher Weg für ihn der geeignetste ist und sich richtig anfühlt.»

Banker, Offizier und Robinson-Teilnehmer

Das Wort militärisch verwendet Binzegger nicht zufällig. «Im Militär war ich Offizier», sagt er schmunzelnd. «Oben auf dem Gubel bei der Bloodhound-Lenkwaffenstellung. Damals habe ich den Leuten versucht zu zeigen, dass ein Offizier etwas Gutes sein kann. Tatsächlich wollten von meiner Gruppe, in der 20 Rekruten waren, am Schluss 13 weitermachen.»

Bei einem solch bunten Lebenslauf erstaunt es eigentlich nicht, wenn Binzegger von der «Insel» erzählt. Im Jahr 2000, noch während seines «Bankentrips», war er Teilnehmer der «Expedition Robinson», einer Abenteuer-Reality-Sendung des damaligen Senders TV3.

«Wenn es darum geht, zu überleben, beginnt der Futterneid. Man verhält sich plötzlich wie ein Tier.»

«Das war eine durchwegs spannende Erfahrung, bei der ich viel über mich selber gelernt habe. Wenn es darum geht, zu überleben, beginnt der Futterneid. Man verhält sich plötzlich wie ein Tier. Und dann kommt man zurück in die Bank und realisiert, dass dieses Verhalten nicht nur auf der Insel, sondern überall zu finden ist. Man steht immer in Konkurrenz mit jemandem und muss ellbögeln, um beispielsweise in der Firma aufsteigen zu können.»

Der 50-Jährige ist jedenfalls glücklich, nicht mehr Teil eines solchen Umfeldes zu sein. «Es ist, als wäre ich, nachdem ich verschiedene Wege eingeschlagen habe, endlich in Rom angekommen.»

Hansjürg Binzegger unterrichtet nun seit 13 Jahren in Zug Yoga. (Bild: wia)

Hansjürg Binzegger unterrichtet nun seit 13 Jahren in Zug Yoga. (Bild: wia)

 

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Patrick Merz
    Patrick Merz, 17.01.2022, 14:47 Uhr

    .. ich war einer der 7, die nicht weitergemacht haben 🙂 Aber eher weil das Militär an sich nichts für mich war. Der Offizier Binzegger war meiner Meinung nach der beste den die Rekrutenschule hatte. Die anderen Züge mit den «Kampfsau»-Offizieren waren nicht zu beneiden. Binzegger hatte damals schon einen guten Charakter und war nie fies zu seinen Soldaten … Kann mir gut vorstellen, dass er beim Yoga besser aufgehoben ist, als beim Banking… was so ein zufälliger Google-Suche Impuls («was macht eigentlich de Binzegger??») nicht alles für Geschichten zu Tage bringt … spannend 🙂

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