Asylsuchende aus aller Herren Länder wohnen im Zuger Salesianum. Da braucht es einen Leiter, der auf klare Regeln setzt. Mehdi Grond hat das Zeug dazu – und die passende Lebensgeschichte.
«Bei mir gibt es kein Zirka.» Das sagt Mehdi Grond und lächelt dabei. Draussen vor der Tür kommen gerade Bewohner der Asylunterkunft Salesianum, zeigen Ausweise, Grond lässt sie rein. «Keine Toleranz heisst: Wenn etwas so oder so gemacht werden muss, dann machen wir das auch so.»
Der junge Schweiz-Tunesier sieht gar nicht so streng aus, wie er sich da gibt. «Nicht streng», sagt Grond, «menschlich, aber mit klaren Aussagen.» Grond ist der Leiter der Asylunterkunft Salesianum in Zug. Aber angefangen hat er ganz anders – zuerst als Fussballer. «Espérance Sportive de Tunis», sagt er und lacht. «Der beste Verein in Tunesien. Ich war gut – eine Zeit lang habe ich auch in der Nationalmannschaft gespielt, bei den Cadets, bis ich sechzehn war.»
«Natürlich mussten wir Waffen tragen. Aber zum Glück nie einsetzen.»
Mehdi Grond
In seinem Dorf in Tunesien sei er deswegen immer noch ein bisschen berühmt. Dann kam die Entscheidung. Davon leben oder einen Beruf lernen? «Mir war der Fussball zu unsicher. Obwohl ich mein Leben mit Fussball lebe – auch heute noch schaue ich jedes Spiel von EST.»
Vom Fussballer zur Antiterroreinheit
Also einen Beruf lernen. «Mir gefällt das Geradlinige», sagt Grond, «die Regeln.» Er fand zur Polizei. Und dann, weil er fit war und gut schiessen konnte, wurde er Polizist der Antiterroreinheit Tunesiens. «Da wird getestet, wie gut der Körper auf Belastung reagiert, je nachdem kommt man in eine andere Einheit.»
Und jetzt, sechzehn Jahre später, sitzt er hier im kleinen Büro, vor dem Fenster der Zugersee, draussen kalte Luft, auf dem Handy ein Foto von damals: «Da war ich noch jung.» Grond in Polizeiuniform, der Blick etwas verschämt. Noch vor der Erfindung des Selfies und der Fähigkeit, jeden Gesichtsausdruck in Sekundenbruchteilen perfekt zu produzieren.
«Bei der Antiterroreinheit waren wir oft mit dem Präsidenten unterwegs», sagt Grond. Auf dem Motorrad oder auf den Dächern und in den Strassen. «Erst wenn wir geprüft hatten, dass alles sicher ist, konnte der Präsident durchfahren.»
Musste er auf Leute schiessen? «Nein, das musste ich nie», sagt Grond. «Natürlich mussten wir Waffen tragen. Aber zum Glück nie einsetzen.»
Dienst quittiert, ab in die Welt
Das ist weit weg. Grond spricht mittlerweile Schweizerdeutsch, ist seit zwölf Jahren hier, eingebürgert, ist Schweizer geworden. Der Name, Grond, kommt aus Graubünden. Von seiner Frau. In die Schweiz ist er per Zufall gekommen.
Nach zwei Jahren bei der Polizei hat er den Dienst quittiert und machte sich als Handelsreisender selbstständig. «Das war auch angenehmer, nicht immer am Abend oder in der Nacht noch auf Abruf zu sein, falls etwas passiert und man in einen Einsatz musste. Und meine Eltern mussten sich keine Sorgen mehr machen.»
Auf einer Geschäftsreise hat er seine Frau kennengelernt. Der Flug nach Bangkok wurde gestrichen – Grond steckte in Deutschland fest, musste über die Schweiz nach Tunesien zurück. «In Zürich am Flughafen haben wir uns kennengelernt, ein bisschen geredet», sagt er, «sechs Wochen später war ich wieder in der Schweiz, nochmals sechs Wochen später waren wir verheiratet.» Grond lacht und sagt: «Alle wichtigen Entscheidungen im Leben treffe ich so schnell.»
Einfach immer weiter
Mittlerweile hat er zwei Töchter und einen Sohn, mit denen er Schweizerdeutsch spricht. Anfangs war’s sprachlich nicht so einfach: «Mit meiner Frau habe ich mich auf Italienisch unterhalten, als ich noch kein Schweizerdeutsch sprechen konnte.» Der Schwiegervater hat ihm damals den Berufseinstieg ermöglicht, bei einer Metallbaufirma. «Dafür bin ich heute noch sehr dankbar», sagt Grond. «Ich konnte noch kein Schweizerdeutsch, musste alles lernen.»
Vor dem Job als Leiter des Asylzentrums war er Sicherheitsmann bei einer Security-Firma. Hat das Fifa-Fussballmuseum bewacht und war bei Fussballmatches des FC Basel im Einsatz. Und träumte doch noch ab und zu vom Job bei der Schweizer Polizei. Früher hätte es vielleicht geklappt. Immerhin, die Referenzen wären nicht schlecht gewesen, mit der Erfahrung bei der Antiterroreinheit. Aber: «Jetzt bin ich zu alt», sagt Grond. Dass er heute im Salesianum von Menschen aller Kulturen umgeben ist, passt ihm gut. «Da läuft etwas», sagt Grond. «Bei mir muss es einfach immer vorwärtsgehen. Das ist eine Frage der Haltung.»