Für viele Kinder ist der Südpol zu abgelegen

Visionen der Musikschule auf der langen Bank

Neben den Südpol in Kriens herrscht reges Treiben.

(Bild: bic)

Mit dem Bau des Südpols wollte die Musikschule Luzern ihre Visionen eines Musikschulcampus realisieren. Aber auch nach neun Jahren scheint eine Umsetzung mittelfristig nicht möglich zu sein. Im Gegenteil! Das Problem: Viele Eltern machen bei den Plänen nicht mit. 

Man kann nicht sagen, dass das Kulturzentrum Südpol nicht gut gelegen wäre. Seit über neun Jahren zieht sich seine Fassade dem ehemaligen Trassee der Zentralbahn entlang. Seit diesem Frühjahr gibt es hier sogar einen neuen Velo- und Fussgängerweg (zentralplus berichtete).

Heute kann man die Musikzimmer im Südpol von der Stadt aus komfortabel, innert kurzer Zeit und vor allem sicher erreichen. Auch trägt die Bushaltestelle direkt vor dem Gebäude zum guten Anschluss an die Stadt bei. Seit nunmehr vier Jahren fährt die Linie 14 vom Würzenbach quer durch die Stadt bis zum Südpol. Quasi ein Südpolexpress für die Schüler vom anderen Ende der Stadt.

Dämpfer nach Gemeindefusion

Beste Voraussetzungen für ein Musikschulzentrum am Rand der Stadt also. Könnte man meinen. Doch trotz eigentlich guter Erreichbarkeit scheint der Südpol für viele Musikschüler – oder besser gesagt deren Eltern – zu weit von zu Hause entfernt zu sein. Problematisch für die Musikschule. Denn sie hat mit dem Südpol eigentlich Grosses vor. Nichts weniger als die Zentralisierung des Unterrichtsangebotes wollte man erreichen.

«Im Moment verfolgen wir eine Strategie der Dezentralisierung.»

Thomas Limacher, Rektor Musikschule Luzern

Einen ersten Dämpfer brachte jedoch die Fusion von Luzern mit Littau. Während die Schülerzahl im ersten Jahr nach dem Zusammenschluss wie erwartet anstieg, brach sie im Folgejahr wieder stark ein. «Wir haben damals etwa 150 Schüler aus Littau verloren», erinnert sich Thomas Limacher, Rektor der Musikschule.

Die Vorstellung, dass die Kinder den Weg zum Südpol auf sich nehmen müssten, um Instrumentalunterricht zu besuchen, schreckte viele Eltern ab. Sie meldeten die Kinder nicht mehr an. Limacher bedauert diesen Umstand. Denn die Fusion mit Littau spielte bei der Planung der Grösse des Südpols eine zentrale Rolle.

Zudem ging man damals davon aus, dass auch Kriens bald mit Luzern fusionieren würde. Dies befeuerte die Umsetzung zusätzlich, so Limacher. Doch es kam bekanntlich anders. Die Musikschule musste handeln und ihre ambitionierten Pläne zurückstellen. Sie scheinen mittelfristig kaum realisierbar. Denn Widerstand gegen die angestrebte Zentralisierung gibt es auch in der «Kernstadt».

Zentralisierung als Vision

Die Euphorie bei der Musikschule war gross, als man 2008 endlich im alten, heruntergekommenen Zentrum beim Grosshof in Kriens die Zelte abbrechen und in den neu gebauten Südpol ziehen konnte. Denn der alte Standort direkt neben der Brauerei Eichhof genügte den Anforderungen einer modernen Musikschule längst nicht mehr, sagt Limacher.

«Wir wollten so das gemeinsame Musizieren und den Austausch fördern. Neue Projekte sollten entstehen.»

Thomas Limacher, Rektor Musikschule Luzern

Im neuen Zuhause wollte man die schon lange gehegten Träume, den Unterricht unter einem Dach zu konzentrieren, endlich verwirklichen. Ganze 20 Musikzimmer stehen symbolisch dafür. Zeitgemässe Infrastruktur wie Bandräume und Probesäle mit guter Akustik für die schuleigenen Orchester und Ensembles zeigen die angestrebte Entwicklung im Süden der Stadt Luzern auf.

Mittlerweile ziemlich heruntergekommen: Der alte Hauptstandort der Musikschule im Grosshof, unmittelbar neben der Brauerei Eichhof.

Mittlerweile ziemlich heruntergekommen: Der alte Hauptstandort der Musikschule im Grosshof, unmittelbar neben der Brauerei Eichhof.

(Bild: bic)

Gebiet beim Südpol mit grossem Potenzial

Geplant ist seit jeher auch, dass der Südpol sogar um eine Etage erweitert wird. Die Anschlüsse für Strom und Wasser seien bereits vorhanden, so Limacher. Man machte also von Anfang an ernst mit der Zentralisierung. Ob ein Ausbau aber tatsächlich je stattfindet, steht in den Sternen.

Doch nicht nur die Musikschule sieht ihre Zukunft in Luzerns Süden. Bald stehen neben dem heutigen Gebäude auch die Musikhochschule und ab 2019 das Probehaus des Luzerner Sinfonieorchesters (zentralplus berichtete). Das Potenzial des Gebietes scheint weit herum anerkannt zu sein. Es spreche also einiges für den eingeschlagenen Weg, sagt Thomas Limacher. Auch das «Freigleis», der neue Veloweg, zeige dies.

Zentralisierung mit vielen Vorteilen

«Neben der modernen Infrastruktur macht eine Zentralisierung des Unterrichtsangebotes vor allem auch aus pädagogischer und organisatorischer Sicht Sinn», erklärt Thomas Limacher die Beweggründe von damals. Das Ziel wäre eigentlich, den Austausch zwischen den Kindern und Jugendlichen sowie den Musiklehrern zu verbessern. «Wir wollten so das gemeinsame Musizieren in Ensembles fördern. Neue Projekte sollten entstehen», sagt er.

«Die am Abend oft verstopften Strassen der Innenstadt verschärfen die Situation zusätzlich.»

Roger Häfeli, Elternforum Maihof

Die Zentralisierung erleichtere die Gestaltung der Stundenpläne, so Limacher weiter. Denn die Musiklehrer müssten so nicht zwischen verschiedenen Orten hin- und herpendeln, wie dies teilweise vor dem Bezug des Südpols der Fall war. Die Effizienz kann so gesteigert werden.

Eltern wollen quartiernahe Angebote

Doch die hochtrabenden Pläne schlugen hart auf dem Boden der Realität auf. «Die Lage des Südpols ist für viele Familien ein Grund, die Kinder nicht anzumelden», sagt Roger Häfeli vom Elternforum Maihof, einem Quartier am anderen Ende der Stadt. «Die Anreise ist ein grosses Hindernis. Denn gerade für Kinder unter zehn Jahren ist der weite Weg zu anspruchsvoll», führt er aus.

«Der Musikunterricht steht in Konkurrenz zu anderen Hobbys.»

Roger Häfeli, Elternforum Maihof

Der Weg vom Maihof oder dem Würzenbach zum Südpol dauert bei guter Verkehrslage mit dem ÖV gut 25 Minuten. Bei grossem Verkehrsaufkommen gerne auch mal länger. Zu lang, finden die Eltern im Maihof. «Der Anfahrtsweg muss im Verhältnis zur Dauer einer Instrumentallektion stehen. Dies ist beim Südpol leider nicht der Fall», bedauert Häfeli.

Rektor Thomas Limacher bestätigt diese Problematik. «Insbesondere Eltern aus Littau und vom rechten Seeufer betrachten die Distanz zum Südpol und die damit verbundene Reisezeit als zu gross.» Dies habe man in Rückmeldungen immer wieder gehört. Die momentane Verkehrssituation mit den am Abend oft verstopften Strassen der Innenstadt würde die Situation noch verschärfen, sagen sowohl Häfeli als auch Limacher.

Unterricht bleibt ausgelagert

Viele Eltern würden heute ihre Kinder zum Unterricht begleiten, sagt Roger Häfeli vom Elternforum. «Bei einem Kind geht das. Bei mehreren Kindern wird der Aufwand aber schlicht zu gross.» Deshalb würden die Eltern Musikunterricht im Quartier bevorzugen. «Der Musikunterricht steht in Konkurrenz zu anderen Hobbys», so Häfeli. Diese würden dann halt bevorzugt.

«Die Lösung wäre wohl eine S-Bahn oder eine Metro zum Südpol.»

Thomas Limacher, Rektor Musikschule Luzern

Die Musikschule hat auf die Problematik reagiert, so Rektor Thomas Limacher. Viele Angebote bleiben weiterhin ausgelagert. «Das Thema Erreichbarkeit hat uns dazu bewogen, unsere Pläne der Zentralisierung teilweise zu revidieren», sagt er.

Die Musikschule hat das Angebot in den Quartieren Maihof, St. Karli und Würzenbach sogar ausgebaut. Zurzeit ist sie an gut 20 Standorten überall in der Stadt einquartiert.

Auslagerung findet Anklang

Und siehe da. Die Strategie stösst auf Anklang. «Das Interesse an der Musikschule bleibt trotz der Bedenken der Eltern weiterhin bestehen», sagt Rektor Thomas Limacher. Dass die Angebote der Musikschule in der heutigen Form sehr geschätzt werden, bestätigt auch Roger Häfeli vom Elternforum Maihof. Im letzten Schuljahr nahmen insgesamt 4’770 Schüler Unterricht an der Musikschule.

Wie die Entwicklung langfristig weitergeht, kann Thomas Limacher nicht sagen. «Die Lösung wäre wohl eine S-Bahn oder eine Metro zum Südpol», sagt er. Doch das sei Zukunftsmusik und wohl auch utopisch. Aufgeben will er die Hoffnung allerdings nicht.

Entwicklung gibt Hoffnung

«Wir sind nach wie vor von unserer Idee eines Musikschulzentrums überzeugt», so Limacher. Nun müsse man nur noch die Eltern ins Boot holen. «Daran werden wir weiter arbeiten», gibt er sich kämpferisch.

Hoffnung setzt er in den Campus der Hochschule Musik und das Probehaus des Luzerner Sinfonieorchesters. Das Ziel müsse sein, künftig Synergien nutzen zu können. «Hier geht in Zukunft wohl die Post ab», sagt Limacher. Bis 1’000 Veranstaltungen pro Jahr seien auf dem Areal geplant.

Wie die Eltern und Schüler darauf reagieren werden, bleibt abzuwarten.

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