Bio-Wein aus Zug: Nicht nur die Wespen mögen ihn

Unerwartete Aufmerksamkeit für ein kleines Buonaser Weingut

Karin und Daniel Holzgang bauen seit fünf Jahren in Buonas Wein an. (Bild: wia)

Vor fünf Jahren gründete das Ehepaar Holzgang ein kleines Weingut in Buonas. Mit grossem Erfolg. Doch dieses Jahr drohten die fiesen Wespen, alle Trauben wegzufressen. Diese rechneten jedoch nicht mit dem Einfallsreichtum der neuen Winzer.

«Jahrgang 2019 ist ausverkauft», liest man seit einigen Wochen auf der Webseite des Buonaser Weinbauers Holzgang. Die 1000 Flaschen Bio-Weisswein, die das kleine Weingut letztes Jahr produziert hat, waren ratzfatz weg. Der Blick in den Weinkeller der Familie Holzgang ist deshalb ein trauriger. Der kühle Raum ist bis auf zwei Kisten in der Ecke leer. «Und die sind reserviert», erklärt Karin Holzgang. «Ehrlich gesagt haben wir selbst nur wenige Flaschen unseres eigenen Weines getrunken», sagt sie mit einem Schmunzeln.

Und das, obwohl man selber keine Werbung mache und bisher nur auf zwei Restaurants aktiv zugegangen sei. «Es läuft alles über Mund-zu-Mund-Propaganda. Wir hatten das Glück, dass der Geschäftsleiter des Golfplatzes Holzhäusern unseren Wein bei einer Degustation derart mochte, dass er gleich alle Flaschen kaufen wollte.» Nicht alle, aber ein Grossteil der Flaschen wanderte also hinüber zum Golfplatz. «Seither gelangen immer mehr Kunden direkt an uns», wie Karin Holzgang etwas verblüfft feststellt.

Die Kontakte zum Golfplatz kommen nicht von ungefähr. Die Holzgangs verpachten diesem einen Teil des eigenen Landes, wie sie beiläufig erzählen.

14 Hektaren Land – zu wenig für Milchwirtschaft

Dass das Ehepaar vor fünf Jahren mit dem Weinbau angefangen hat, sei Zufall gewesen, wie Daniel Holzgang sagt. «Ich bin auf diesem Hof aufgewachsen und habe auf dem zweiten Bildungsweg Landwirt gelernt. Doch das Land um den Unterrüti-Hof ist mit 14 Hektaren zu klein, um beispielsweise Milchwirtschaft zu betreiben.» So habe man nach einem Nischenprodukt gesucht, und sei auf den Weinbau gestossen. «Wir hatten damals gemerkt, dass insbesondere Bio-Wein aus der Region gefragt ist und haben uns dazu entschlossen, im kleinen Rahmen, dafür naturnah zu produzieren», erklärt er.

Um uns die ganze Weinpracht genauer zu zeigen, quetschen wir uns zu dritt ins Golfcaddy. «Das ist ziemlich nützlich, gerade, wenn man zuhinterst in den Reben ist und merkt, dass man etwas vergessen hat», sagt die Winzerin. Ein erstes Mal bekommen wir die harmonische Arbeitsteilung des Paars zu spüren. Karin Holzgang steuert, Daniel betätigt das Gaspedal. Wir holpern über die Wiese und steuern von dort direkt zwischen die Rebenlinien, die praktischerweise im Abstand einer Caddy-Breite angebaut wurden.

Bald solls auch Rotwein geben

Zuerst geht’s durch die Zöglinge. Die Weinreben, die erst dieses Jahr gepflanzt wurden, jedoch mittlerweile bereits eine stolze Höhe von 90 Zentimetern erreicht haben. Es ist das neuste Projekt der Holzgangs, durch das wir gerade mit dem kleinen Elektrofahrzeug brettern: 25 Linien Rotweinreben. 1500 Pflanzen sind es insgesamt. «Es handelt sich um Divico-Wein: Eine ganz neue, noch unbekannte Weinsorte, die von Agroscope entwickelt wurde.»

Sie gehört zu den sogenannten Piwi-Sorten, also Wein, der so gezüchtet wurde, dass er besonders widerstandsfähig ist gegen Pilzbefall. «Divico entstand als Kreuzung zwischen europäischen und amerikanischen Sorten. Europäischer Wein schmeckt besonders gut, während amerikanischer Wein extrem resistent ist. Mit der Kreuzung hat man versucht, aus beiden das Optimum zu holen», erklärt Daniel Holzgang und drückt aufs Gaspedal.

Im Golfcaddy geht's durch die Reben. Sie steuert, er gibt Gas.

Nächste Station: die älteren Rebstöcke, an denen die reifen Trauben hängen. Oder jedenfalls hängen sollten. An vielen Rebstöcken hängen nur kümmerliche Überbleibsel der Trauben. Nanu. «Wir hatten dieses Jahr grosses Pech», erklärt Karin Holzgang, als sie durch die besagten Reihen fährt. «Wegen Corona konnten wir die Reben nicht genug schnell mit Netzen abdecken, weshalb zwei Drittel der Stöcke den Wespen zum Opfer fielen.» Das Problem: Der Solaris, der hier gedeiht, ist eine der süssesten Traubensorten und für Wespen ein Schmaus. Und von den ungeliebten Insekten gibt es heuer, nach dem vergangenen, milden Winter, besonders viele.

«Wir mussten sofort reagieren und versuchen, zu retten, was zu retten war.»

Karin Holzgang, Winzerin

«Die Wespen sind wahnsinnig schnell. Wir mussten also sofort reagieren und versuchen, zu retten, was zu retten war», sagt die Weinbäuerin. Ihr Mann ergänzt: «Nur mussten wir die Trauben so früh lesen, dass der Oechslegrad, also der Zuckergehalt, noch zu tief war, um daraus guten Wein zu gewinnen.» Bedauern schwingt in seiner Stimme mit, denn grundsätzlich verspricht es ein gutes Weinjahr zu werden. «Jetzt versuchen wir halt, aus den Trauben Weinbrand zu gewinnen. Das ist ein Experiment», sagt der Buonaser unbeeindruckt. Experimente scheint man sich gewohnt zu sein.

Hier gibt es nichts mehr zu holen.

Säckchen nähen gegen die Wespen

Dass es sich hier um einen Kleinstbetrieb handelt, in dem mit viel Liebe und auch unkonventionellen Methoden gearbeitet wird, wird spätestens an den bunten Stoffsäckchen erkenntlich, die in den Reben hängen. «800 solche Säcke haben wir genäht und diese jeweils um die Trauben gehängt, damit die Wespen nicht rankommen», sagt Karin Holzgang. Eine niedliche Idee, um verheerende Folgen abzuwenden.

Niedliche Säckchen sollen die Wespen abhalten.

Für einige Linien haben die Netze trotzdem gereicht. Zum Glück. An diesen hängen pralle Trauben, die nur darauf warten, am kommenden Wochenende von freiwilligen Helfern gepflückt zu werden. Mit kindlichem Stolz zeigt das Paar, wie sich die Netze mittels Hebel auf ganzer Linie wie Rollläden hoch- und runterfahren lassen.

Lieber guten Wein, statt viel Wein, so die Devise

Dass die Weinbauern – sie sind Eltern dreier schulpflichtiger Kinder – die Sache mit dem Wespenfrass einigermassen gelassen nehmen, hat seinen Grund. Der Weinbau ist nur ein Nebenverdienst. Während Daniel Holzgang hauptberuflich als Technikverantwortlicher im Lorzensaal und nebenbei als Schlagzeuglehrer arbeitet, unterrichtet Karin Holzgang stellvertretend im Kindergarten. «Klar müssen wir schauen, dass wir für den Weinbau nicht mehr ausgeben als wir einnehmen, doch letztlich ist es uns wichtiger, guten Wein zu produzieren, statt viel», sagt die Winzerin. Immerhin: Fürs Jahr 2020 erwartet das Ehepaar trotz Wespenfrass 2000 Flaschen Weisswein.

Bewusst hatten sich die beiden anfangs entschieden, auf Bio zu setzen. Was bedeutet das für den Anbauprozess? «Hauptsächlich mehr Arbeit», sagt Daniel Holzgang. «Es ist wichtig, dass kein hohes Gras um die Reben herum wächst. Sonst entsteht ein feuchtes Milieu, was Pilzkrankheiten wie Mehltau begünstigt.» Anstatt im grossen Stil mit Pestiziden vorzugehen, muss das Gras beim Bio-Anbau deshalb gemäht werden. «Dafür nutzen wir unter anderem einen sogenannten Kleeblattmäher, der sehr nahe an die Ranken kommt.»

Die Schwierigkeit beim Bio-Anbau

Beim Mehltau – neben der vermaledeiten Wespe einer der ärgsten Feinde jedes Winzers – sei es ebenfalls nicht möglich, konventionelle Mittel einzusetzen. «Vielmehr müssen wir vorbeugend arbeiten und die Pflanzen immer gut beobachten. Daneben können wir Netzschwefel einsetzen oder aber saure Tonerde, welche pilzfeindlich wirkt.» So viel ist klar: Der Mann, der hier spricht, ist kein Greenhorn. Einzig die Euphorie, mit der Holzgang von seinen Pflanzen und der besonderen Mähmaschine spricht, zeugt davon, dass die Weinproduktion für das Paar noch ziemlich neu und aufregend ist.

Diese Euphorie wird offensichtlich geteilt. Nicht nur von den Kunden, die immer zahlreicher werden. Sondern auch von Freunden und Bekannten, die in den nächsten Tagen als freiwillige Helfer bei der Weinlese im Einsatz stehen werden.

2000 Weissweinflaschen sollen aus diesen Trauben gewonnen werden.
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