Obdachlose müssen in Luzern um Schlafplatz bangen
In Luzern spitzte sich die Situation für Obdachlose im letzten Winter zu. Zum ersten Mal mussten Leute abgewiesen werden. Das will die Stadt dagegen tun.
In der «Schliifi» – der Luzerner Notschlafstelle – können Obdachlose seit über 35 Jahren für eine Zehnernote pro Nacht übernachten. 15 Betten gibt es – sie sind so gefragt, dass die Notschlafstelle im vergangenen Winter erstmals mehrere Personen abweisen musste.
«Die Menschen mussten unter prekären Umständen in Tiefgaragen oder öffentlich zugänglichen Orten übernachten», kritisierten die beiden SP-Grossstadträtinnen Patricia Almela und Caroline Rey namens der SP-Fraktion (zentralplus berichtete). Dies bei Minustemperaturen. Und auch beim 24-Stunden-betreuten-Wohnen des Vereins Jobdach bestünden Wartelisten mit 40 Wohnungssuchenden.
Mittels einer Interpellation verlangten sie deswegen eine Übersicht vom Stadtrat zur Obdachlosigkeit in Luzern und der überlasteten Situation der Notschlafstelle. Nun liegt die Antwort der Stadtregierung vor.
So viele Personen sind obdachlos
Sie schätzt, dass etwa 40 bis 60 Personen in der Stadt Luzern obdach- oder wohnungslos seien. Betroffen seien Suchtkranke und Personen mit einer psychischen Erkrankung. Zwar sei die Wohnungssuche auch für Familien und Einzelpersonen ohne gesundheitliche Einschränkungen herausfordernd, doch würden dem Stadtrat keine Hinweise vorliegen, dass auch sie wohnungslos seien.
Der Stadtrat teilt die Meinung, dass es derzeit zu wenig Wohnangebote für Drogen- oder Alkoholsüchtige oder Personen mit psychischen Erkrankungen gibt. Der Verein Jobdach, der die Notschlafstelle betreibt, geht von einem zusätzlichen Bedarf von mindestens 40 betreuten Wohnmöglichkeiten aus.
Auch in der Pension Zihlmatt finden Menschen in Not ein Zuhause auf Zeit. 46 Zimmer stehen bereit. Doch auch hier findet nicht jeder seinen Platz, es gibt Wartelisten.
Notschlafstelle kriegt sechs zusätzliche Betten – bei Bedarf
Warum war die Notschlafstelle im letzten Winter so voll? Der Stadtrat erklärt sich das so: Weil Anschlussmöglichkeiten fehlen, bleiben Leute länger in der Notschlafstelle. Deswegen soll die Notschlafstelle mehr Betten kriegen. Um die Kapazitäten zu erhöhen, ist die Stadt im Austausch mit dem Zweckverband institutionelle Sozialhilfe und Gesundheitsförderung (ZiSG) sowie mit der Betreiberin der Notschlafstelle.
Derzeit ist die Notschlafstelle in einem Provisorium in der Zivilschutzanlage Hubelmatt, weil in der Gibraltarstrasse Felssturzgefahr herrscht (zentralplus berichtete). Am vorübergehenden Standort sei es aus Sicherheitsgründen eher nicht möglich, mehr Betten aufzustellen. Das ist momentan auch nicht nötig – weil die Nachfrage gemäss den Verantwortlichen gedeckt werden kann.
Sobald die «Schliifi» an ihren ursprünglichen Standort an der Gibraltarstrasse zurück könne, könnten die Betreiber bei erhöhter Nachfrage das Angebot um sechs Betten erweitern, schreibt der Stadtrat. Aus seiner Sicht sollte das für den Winter reichen, sodass in diesem Jahr niemand mehr abgewiesen werden muss.
Das bedeutet der Umzug der Notschlafstelle
Dereinst werden die Notschlafstelle und das betreute Wohnen unter einem Dach sein, in der Luzerner Neustadt. Dies im Rahmen des Projekts «Neuweg 3» (zentralplus berichtete). Der Umzug findet voraussichtlich im Laufe des kommenden Jahres statt. Ursprünglich war vorgesehen, dass die Räume bereits diesen Winter bezogen werden, doch führten Einsprachen zu Verzögerungen.
Die Wohnkapazitäten könnten am neuen Standort nur geringfügig erweitert werden. Bei der Notschlafstelle sind dies 22 Betten – von heute maximal 19 Betten. Beim 24-Stunden-betreuten-Wohnen von 16 auf 22 Wohneinheiten. «Dies war auch ein Zugeständnis an die direkte Nachbarschaft am Neuweg 3, damit ein geordneter und gut geführter Betrieb in einem Wohnquartier betrieben werden kann», führt der Stadtrat aus. Der Umzug werde die Situation «nicht signifikant» entschärfen können.
Verschmierte Wände und dreckige Matratzen: So stehts um Notwohnungen
Neben der Notschlafstelle steht auch der Zustand der städtischen Notwohnungen in der Kritik. So berichtete eine Mutter kürzlich von einem miserablen Zustand einer solchen Notwohnung: Die Teppiche und Vorhänge seien dunkel verfärbt, die Wände verschmiert, die Matratzen und Bettdecken voller Urin, die Wohnung generell geprägt von Dreck und Ungeziefer, an der Küchentür habe es Blutspritzer gehabt (zentralplus berichtete).
Die Stadt bietet insgesamt fünf Notwohnungen an. Diese sind für Familien in sehr prekären Wohnsituationen oder Familien, die kurz vor einer polizeilichen Wohnungsausweisung stehen. In den Notwohnungen dürfen sie maximal drei Monate bleiben, bei Bedarf länger.
Der Stadtrat sagt, dass man nicht rechtzeitig erkannt habe, dass diese Notwohnung in einem «mangelhaften Zustand» gewesen sei. Eigentlich seien regelmässige Besuche in den Notwohnungen vorgesehen. Weil aber in der dafür verantwortlichen Fachstelle Ressourcen fehlen würden, habe das in dem Fall nicht geklappt. Die betroffene Wohnung sei gekündigt worden, «da die Vermieterschaft den ordentlichen Unterhalt nicht garantieren konnte». Die Stadt suche eine neue Notwohnung, die anderen vier habe man kontrolliert. Wo nötig, seien «kleinere Ausbesserungen» in Auftrag gegeben worden.
Luzerner Stadtrat ist besorgt
Angesichts dieser Herausforderungen sieht die Stadt Handlungsbedarf. Der Stadtrat zeigt sich besorgt, dass in der Stadt betreute Wohnangebote fehlen würden. Zumal sich die Situation eher verschlechtern werde. Die Stadtluzerner Sozial- und Sicherheitsdirektion habe beim Verein Jobdach entsprechende Konzepte für mögliche Lösungsansätze angefordert. Auch prüfe die Direktion die Zuständigkeiten sowie verschiedene Finanzierungsmodelle.
- Interpellation 394
- Antwort des Stadtrats auf die Interpellation 394
- Website von Jobdach
- Website der Pension Zihlmatt